Japan will schneller CO2-neutral werden: Klimasünder schwenkt um
Die Regierung in Tokio verspricht eine kohlenstoffneutrale Wirtschaft bis 2050. Damit hat sie das gleiche Ziel wie Deutschland und Großbritannien.
Bislang wollte Nippon den Ausstoß von Kohlendioxid bis 2050 lediglich um 80 Prozent verringern und erst in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts klimaneutral werden. Bis 2030 sollten die CO2-Emissionen sogar nur um 26 Prozent sinken. Als Vergleichsjahr wählte man jeweils 2013, als die Wirtschaft wegen der Abschaltung aller Atomkraftwerke besonders viel Kohlendioxid produzierte. Trotz dieser Mogelei kam die Inselnation ihren Klimazielen kaum näher: 2018 stammten hohe 77 Prozent des Stroms aus Kohle, Gas und Öl. Daher stand Japan bei Klimakonferenzen immer wieder am Pranger, zumal die drei Großbanken auch noch zahlreiche Kohlekraftwerke in Schwellenländern finanzieren.
Der plötzliche Klimaehrgeiz hat vordergründig politische Motive. China sei 2060 klimaneutral, versprach Präsident Xi Jinping unerwartet vor den Vereinten Nationen im September. Auch die USA werden bei einem Wahlsieg von Joe Biden auf eine „grüne“ Energiepolitik setzen. China und die USA sind die weltgrößten Emittenten von Kohlendioxid. Unter diesen Umständen will Japan nicht als Klimasünder dastehen.
Stärker sind die ökonomischen Motive. Lange Zeit setzte die Regierung auf hocheffiziente Kohlekraftwerke, die weniger Kohlendioxid ausstoßen, weil japanische Unternehmen zu den führenden Produzenten gehören. Doch der weltweite Ausstieg aus der Kohlekraft zwingt die Industriepolitiker zum Umdenken.
Erneuerbare Energien werden Hauptquelle für Strom
Wachstum versprechen nur erneuerbare Energien. Hier sollen Japans Hersteller auf dem Weltmarkt punkten, was jedoch nur bei einer starken Nachfrage auf dem Heimatmarkt gelingen kann. Ohnehin braucht die lahme Wirtschaft dringend einen Antriebsmotor. „Diese grünen Investitionen würden viele Arbeitsplätze schaffen“, meint die Wirtschaftsprofessorin Sayuri Shirai von der Keio-Universität in Tokio.
Laut dem offiziellen Energieplan würden 2030 nur maximal 24 Prozent der Stromproduktion auf grünen Quellen basieren. Doch nun wolle die Regierung die Erneuerbaren zur „Hauptquelle“ für Strom machen, sagt Taro Kono. Als Minister für Verwaltungsreform will Kono die bürokratischen Hürden für Solar- und Windkraftwerke schnell beseitigen. Ein absehbarer Schwerpunkt wird auf Offshore-Windparks liegen. Zehn Standorte sind schon ins Auge gefasst, die ersten Konsortien stehen in den Startlöchern.
Auch die deutsche RWE Renewables ist über ein Bündnis mit dem Stromversorger Kyushu Electric dabei. Ein zweiter Schwerpunkt sind die Abscheidung und Speicherung von Kohlendioxid sowie die chemische Weiterverwendung. Hier gehört Mitsubishi Heavy zu den globalen Technologieführern. Dagegen will Japan zwei Drittel von 150 Kohlekraftwerke bis 2030 stillgelegt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos
Wirbel um KI von Apple
BBC kritisiert „Apple Intelligence“