Japan ist Weltmeisterin: Bescheiden und gewitzt
Die Japanerinnen waren gewillt zu gewinnen. Und entgegen gängiger Klischees präsentierten sie sich während des Turniers locker und unbeschwert.
FRANKFURT taz | Draußen auf dem Rasen, wo das Meer von Goldfäden glitzerte und die zur Siegerehrung aufgefahrenen Silberkugeln funkelten, musste Homare Sawa einen wahren Auszeichnungsmarathon bewältigen. Pendelte unentwegt zwischen ihren Kolleginnen und den Fußballhonoratioren hin und her, ein ums andere Mal mit einer neuen Trophäe bestückt. Sie nahm den Pokal für das fairste Team, den Goldenen Schuh für die erfolgreichste Torschützin, die Auszeichnung als beste Spielerin und zu guter Letzt die spiralförmige WM-Trophäe entgegen. Sawa räumte alles ab.
Schon um die Gekrönte ein wenig zu entlasten, war es zu begrüßen, dass nicht sie, die ihr Team in der drittletzten Minute der Verlängerung mit einem reaktionsschnellen Torabschluss zum 2:2 ins Elfmeterschießen rettete, sondern die Torhüterin Ayumi Kaihori später in den Katakomben des Frankfurter WM-Stadions mit einer Urkunde als beste Spielerin des Finales ausgezeichnet wurde.
Abgesehen davon erhielt Kaihori diese Würdigung zu Recht. Dass sie zwei Elfmeter hielt, ebnete Japan den Weg zum ersten Weltmeistertitel. Das Duell vom Punkt endete 3:1. Zudem hatte Kaihori ein nahezu fehlerfreies Turnier gespielt. Sie beherrschte den Strafraum instinktsicher wie keine andere Keeperin in diesem Turnier. Und über ihre Qualitäten auf der Linie braucht man nach diesem letzten dramatischen Elfmeterschießen sowieso kein Wort zu verlieren.
Kaihori wäre das scheints auch am liebsten so. Ganz brav verwies sie auf die Unterstützung ihrer Mitspielerinnen, ohne die sie auch nicht gewonnen hätte. Und was war beim Elfmeterschießen, bei dem sie ganz allein auf sich gestellt war? „Da wurde mir ja auch geholfen“, erwiderte die 34-Jährige, „weil die eine Amerikanerin verschossen hat.“ Sie spielte auf den Fehlschuss von Carli Lloyd an, die den Ball steil über die Latte schickte.
Das Glück hat geholfen
Bei aller Bescheidenheit, die den Japanerinnen immer wieder attestiert wird, kann man diese Antwort auch als sehr gewitzt bezeichnen. Denn Kaihori traf damit den Kern der Geschichte dieses WM-Endspiels. Zuweilen wurde ihr Team von den Amerikanerinnen derart überrannt, wie das unterklassige Testspielgegner im Duell mit Profiteams gewohnt sind. Geholfen haben Kaihori in diesem vor allem in der ersten Halbzeit tosenden Dauersturm nicht ihre Mitspielerinnen, geholfen hat vielmehr die Zielungenauigkeit der Gegnerinnen. Und oftmals einfach auch das Glück.
Das gegen Schweden so vorzüglich vorgetragene Kombinationsspiel, der gepriesene japanische Fußball der Moderne, wollte einfach nicht in Gang kommen. Aber weil das Team mit solchen Frustrationen umgehen konnte wie kein anderes bei dieser WM, ackerte man sich so lange durch diese schwierige Partie, bis sich die Siegchance bot. „Wir haben das gut ausgehalten“, bilanzierte Trainer Norio Sasaki.
Und wieder einmal sprach er von dieser „Seelenruhe“. Das mag etwas klischeehaft wirken. Im Gegensatz zum gängigen Bild von den Japanerinnen präsentierten sie sich auch im Finale locker und unbeschwert. Selbst vor dem Elfmeterschießen blickte man nicht in angespannte, sondern in zuversichtliche, ja, fröhliche Gesichter.
„Wir sind so weit gekommen, das hat uns Erleichterung gebracht“, sagte Sasaki. Dann gab er noch eine Anekdote zum Besten, die zeigte, dass die flachen Hierarchien in seinem Team nicht nur auf dem Rasen gelten. Ein wechselndes Positionsspiel hatte er seinen quirligen Stürmerinnen verordnet. Als sich das als wenig effektiv erwies, berichtete Sasaki, hätten ihm seine Frauen gesagt, das sei keine gute Taktik. „Sie haben mich korrigiert.“
Dass die Japanerinnen Weltmeisterinnen geworden sind, obwohl sie einiges hätten besser machen können, dürfte bei der Konkurrenz in Deutschland, Schweden oder Brasilien Eindruck hinterlassen haben. Die Außenseiterinnenrolle, die Sawa auch nach dem Finale für ihr Land weiter reklamieren wollte, sind sie zunächst einmal los. Und sie haben bei dieser WM große Verdienste um die Fortentwicklung ihres Sports erworben. Dem zollte auch Pia Sundhage, die Trainerin der USA, Respekt: „Sie haben technisch sehr versiert gespielt. Das ist gut für die Zukunft des Frauenfußballs.“
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