Jamaika verhandelt über Rüstung: Zivile Instrumente stärken
Der Militäretat steht auf dem Sondierungsprogramm. Die Differenzen sind elfstellig. Auch Rüstungsexporte sind ein Streitfall.
Das Verteidigungsbudget müsste dafür von derzeit rund 37 Milliarden Euro auf über 60 Milliarden Euro steigen. CDU und CSU möchten dieses Ziel langfristig erreichen, die Grünen warben in ihrem Wahlprogramm dagegen für Abrüstung. Die FDP wiederum schlägt den Sondierungspartnern eine dritte Zielmarke vor: Sie will drei Prozent der Wirtschaftsleistung für Verteidigungs-, Entwicklungs- und Außenpolitik zusammen ausgeben.
Grob überschlagen müssten dafür die Etats der drei Ressorts (derzeit rund 50 Milliarden Euro) mehr als verdoppelt werden. Ein ehrgeiziges Ziel, zumal sich die Sondierungsparteien bereits darauf geeinigt haben, keine neuen Schulden zu machen.
„Die Frage der Finanzierung werden wir noch behandeln“, sagte FDP-Verhandler Alexander Graf Lambsdorff der taz. „Aber damit wir uns nicht falsch verstehen: Es geht nicht darum, das im nächsten Haushaltsjahr zu machen, sondern um eine schrittweise Entwicklung bis 2024.“
Aber auch wenn die Finanzierung geklärt wäre: Die Grünen sehen den Drei-Prozent-Mix nicht als Kompromiss an. „Die absurde Forderung, zwei Prozent der Wirtschaftsleistung für Verteidigung auszugeben, wird nicht dadurch besser, dass man Verteidigungsausgaben mit Geldern für Entwicklung und humanitäre Hilfe in einen Topf wirft“, sagte der grüne Verteidigungsexperte Tobias Lindner der taz. Er befürchte, dass die „massiven Aufwüchse beim Militär“ durch die Zusammenfassung zulasten der zivilen Instrumente gingen: „Ich will eine trennscharfe Debatte und verfolge das Ziel, die zivilen Instrumente zu stärken.“
Waffenexporte für Kriesengebiete
Uneinig sind sich die Parteien nicht nur in der Budgetfrage. Beim Thema Rüstungsexporte werben die Grünen zum Beispiel seit Langem für ein neues Gesetz, strengere Hürden und mehr Transparenz. Union und FDP waren bislang dagegen – obgleich sich die Liberalen jetzt offen geben. „Rüstungsexporte in Krisenregionen und Spannungsgebiete darf es nicht geben“, sagte FDP-Mann Lambsdorff. „Allerdings ist die Frage insgesamt alles andere als einfach. Wenn konkrete Vorschläge eingebracht werden, sind wir gerne bereit, darüber zu sprechen.“
Weitere Streitpunkte sind unter anderem die Anschaffung bewaffneter Drohnen für die Bundeswehr (Union dafür, Grüne dagegen), die Zukunft der Russlandsanktionen (Union und Grüne wollen sie aufrechterhalten, die FDP ist sich nicht ganz sicher) und die Auslandseinsätze der Bundeswehr. Mit Letzterem hat keine der Jamaika-Parteien ein grundsätzliches Problem. Einzelne Missionen lehnen die Grünen aber ab. Die Gespräche darüber werden sich wohl bis in mögliche Koalitionsverhandlungen ziehen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Bundeskongress der Jusos
Was Scholz von Esken lernen kann
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag
Schwedens Energiepolitik
Blind für die Gefahren