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Jahreswirtschaftsbericht präsentiertHabeck sucht den Reformbooster

Der Jahreswirtschaftsbericht erwartet für Deutschland nur ein Mini-Wachstum. Insbesondere arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen sollen Aufschwung bringen.

Gegen den Strich: Wirtschafts­minister Robert Habeck zeigt, wie die Inflation die Einkommen in Deutschland aufgefressen hat Foto: Carsten Koall/dpa

BERLIN taz | Geht es nach Wirtschaftsminister Robert Habeck, dann muss der Standort Deutschland nachhaltig gestärkt werden. „Deutschland leidet unter strukturellen Problemen, die sich über viele Jahre aufgebaut haben. Was wir jetzt brauchen, ist ein Reformbooster“, sagte der Grünen-Politiker am Mittwoch anlässlich der Vorstellung des Jahreswirtschaftsberichts. „Daran müssen wir als Bundesregierung arbeiten.“ Vorschläge für großangelegte Steuersenkungs- und Investitionsprogramme findet man in dem knapp 180 Seiten dicken Bericht allerdings nicht. Auch, wann die Ampel nochmal nachlegen und ambitioniertere Maßnahmen vorlegen will, ließ Habeck offen.

Bereits vor der Veröffentlichung wurde bekannt, dass die Regierung im Bericht ihre Wirtschaftsprognose gesenkt hat. Ging sie im Herbst von einem Wachstum von 1,3 Prozent für 2024 aus, sind es nun nur noch 0,2 Prozent. 2023 ist die Wirtschaftsleistung um 0,3 Prozent gesunken. Schrumpft sie auch zu Jahresanfang, befindet sich Deutschland laut Definition in einer Rezession.

Die Bundesregierung macht im Jahreswirtschaftsbericht nun zehn Handlungsfelder auf, in denen sie zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit weiter tätig werden will. Am konkretesten wird sie im Bereich der Arbeitsmarktpolitik. Auch die Bürokratie soll abgebaut, Investitionen gefördert und die Finanzierungsmöglichkeiten der Unternehmen verbessert werden.

Insbesondere Finanzminister Christian Lindner hatte Erwartungen an den Jahreswirtschaftsbericht geweckt. Durch die wirtschaftspolitische Debatte sei der Bericht „politisch aufgewertet“ worden, erklärte der FDP-Politiker Anfang Februar im Handelsblatt. Vorangegangen war ein öffentlicher Schlagabtausch zwischen Lindner und Habeck.

Einig über das ob, uneinig über das wie

Zwar sind sich beide Minister einig, dass Unternehmen mit Steuernachlässen geholfen werden soll. Aber wie genau das geschehen soll, darüber herrscht Streit: Habeck schlug jüngst in einer Bundestagsrede die Schaffung eines Sondervermögens vor, mit dem Steuervergünstigungen im großen Stil finanziert werden sollten. Doch Lindner lehnt wie die Union neue Schulden in Form eines Sondervermögens oder gar einer Reform der Schuldenbremse ab. Der FDP-Politiker schlug stattdessen die vollständige Abschaffung des Solidaritätszuschlags vor. Dies sieht Habeck wiederum kritisch.

Dieser Konflikt wurde bisher noch nicht beigelegt. „Nach den Jahren im Krisenmodus mit expansiven Fiskal­impulsen unterliegt die Finanzpolitik im Jahr 2024 wieder der regulären Obergrenze für die Nettokreditaufnahme“, heißt es nun im Jahreswirtschaftsbericht. Zugleich behalte die Bundesregierung die konjunkturelle Entwicklung und Aspekte der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage im Blick.

Auch der von den Unternehmen beklagte Fachkräftemangel treibt die Bundesregierung um. Denn die Konjunkturflaute hat sich bisher noch nicht auf den Arbeitsmarkt niedergeschlagen. Im Gegenteil: „Die demografische Alterung schwächt das Arbeitsangebot und damit die Wachstumsdynamik Deutschlands“, heißt es in dem Jahreswirtschaftsbericht. Deswegen will die Bundesregierung die Erwerbstätigkeit von Frauen fördern. „Die Bundesregie­rung prüft, wie mit einer bezahlten Freistellung nach der Geburt für den Partner oder die Partnerin der Mutter (Familienstartzeit) die partnerschaft­liche Vereinbarkeit von Familie und Beruf weiter vorangebracht werden kann“, heißt es im Bericht. Auch soll ausgelotet werden, wie man Se­nio­r*in­nen länger im Erwerbsleben halten sowie Geflüchtete mittels eines „Job-Turbos“ schneller in den Arbeitsmarkt integrieren kann.

In den vergangenen Wochen wurden auch aus der Wirtschaft Rufe nach Maßnahmen immer lauter. „Unser Land braucht jetzt eine neue Agenda und einen großen wirtschaftspolitischen Wurf, der langfristig Vertrauen und damit neue Investitionen auf breiter Front erzeugt“, erklärte am Mittwoch der Hauptgeschäftsführer des Maschinenbauerverbandes VDMA, Thilo Brodtmann. Dazu gehörten eine echte Unternehmenssteuerreform, die Deregulierung des Arbeitsmarkts mit längeren Arbeitszeiten, eine harte Deckelung der Lohnnebenkosten auf 40 Prozent und ein echter Abbau von Bürokratie.

Union blockiert Wachstumschancengesetz

Auch die Union nutzte die Möglichkeit, um in die Diskussion einzugreifen. „Neben mittel- und langfristigen Maßnahmen zur Stärkung der strukturellen Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft ist jetzt ein Paket aus Sofortmaßnahmen notwendig, um den Standort Deutschland zu sichern und zu stärken“, schrieben CDU-Chef Friedrich Merz und CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt jüngst in einem Brief an Kanzler Olaf Scholz (SPD). Darin forderten sie zwölf Maßnahmen, die ihrer Meinung nach den Wirtschaftsstandort Deutschland stärken. Neben der Deckelung der Lohnnebenkosten sowie härteren Sanktionen gegen Bürgergeld-Beziehende sollen dies unter anderem die Aussetzung des deutschen Lieferkettengesetzes sowie die Absenkung der Unternehmenssteuer sein.

Wie dies finanziert werden soll, lässt die Union bisher offen. Im Bundesrat blockiert sie das Wachstumschancengesetz, mit dem die Ampel-Koalition ursprünglich Unternehmen in Höhe von sieben Milliarden Euro jährlich steuerlich entlasten wollte. Doch für eine Zustimmung forderte die Union im Gegenzug die Rücknahme der Kürzungen bei den Subventionen für den Agrar-Diesel. Eine Sitzung des Vermittlungsausschusses, in dem über den Konflikt beraten wurde, fand am Mittwochabend nach Redaktionsschluss statt.

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5 Kommentare

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  • Jetzt kommt das Wirtschaftswunder. Das grüne Wirtschaftswunder.

  • Habeck ist Wirtschsftsminister und das miserable Abschneiden der deutschen Wirtschaft hat auch er durch seine ideologiegetriebene Politik mit zu verantworten. Die Schuld immer nur auf andere zu schieben ist schäbig. Natürlich ist es einfach alle Probleme mit Geld zuzuwerfen, aber alle Schulden müssen auch verzinst und zurückgezahlt werden.



    Dass die Regierenden Schulden als Vermögen (Sondervermögen) bezeichnen ist schon eine Frechheit.

  • den ersten Absatz gelesen und schon ist klar, es ist das übliche Symptomdoktern...



    "„Deutschland leidet unter strukturellen Problemen, die sich über viele Jahre aufgebaut haben." ja, stimmt, es gibt strukturelle Probleme, die abgebaut gehören, aber aus anderen Gründen, der Grund für die wirtschaftliche Flaute ist das nicht.

    Der dt Export hat sogar zugelegt, D ist weit davon entfernt, ein strukturelles Wettbewerbsproblem zu haben!



    In D schwächelt die Binnennachfrage und der Grund sind höhere Zinsen, was die Bauwirtschaft niedergestreckt hat, die Teuerungsrate in Folge der Energiepreissteigerungen führt zu weniger Geld, das für Konsum zur Verfügung steht.



    Dass jetzt wieder mit Strukturproblemen argumentiert und nach Reformen gerufen wird, ist das übliche Lobbietum, das versucht im Zuge einer Krise noch ein paar Quäntchen Steuer- und Abgabenerleichterungen herauszuholen.



    Grund für die Rezession sind gestiegene Zinsen, schwacher Konsum und (entscheidend für D) ein staatliches Ausgabenkürzungsprogramm, dass die wirtschaftlichen Investitionen dämpft.



    Schaut man in die Nachbarländer ist das der entscheidende Unterschied. D kürzt die Staatsinvestitionen in einer wirtschaftl. Flaute, die Folge Rezession.



    Danke fdp, cdu ! Kann man nicht oft genug sagen!

    • @nutzer:

      Nein, es ist kein Ausgabenkürzungsprogramm. Es ist die fehlende Priorisierung der Ausgaben.

      Leider ist auch Habeck dazu übergegangen, nur noch sprachliche Nebelkerzen zu zünden, anstatt aktiv zu werden.

      Ein "Reformbooster", unabgestimmt, ohne zeitliche und inhaltlich differenzierte Planung, ohne Finanzierung, ohne Prioritätensetzung. So wird das auch weiterhin nichts. Möglicherweise hat Herr Habeck noch immer nicht verstanden, dass er nebenbei schon seit über 2 Jahren Wirtschaftsminister ist.

      Man kann es nicht oft genug wiederholen, die anderen Länder in der EU haben die gleichen Rahmenbedingungen, auch keine höhere Neuverschuldung, die meisten erheblich niedrigere Steuereinnahmen pro Einwohner und schaffen trotzdem ein höheres Wirtschaftswachstum. Kann also nicht nur an den Umständen liegen, vielleicht liegt es doch am ungeeigneten Personal und der falschen Personalzusammensetzung. In normalen Jobs beträgt die Probezeit 6 Monate. Mehr als 2 Jahre sollte man da als Minister auch nicht bekommen.

      Im besten Fall ist es Zeit, das Kabinett umzubilden, im weniger guten Fall, es aufzulösen.

      • @Torben2018:

        ein einfaches Beispiel.



        Wenn es 100 Äpfel in einem Dorf mit 100 Einwohnern gibt, kann jeder 1 Apfel bekommen. Mehr nicht, der der mehr will muß sie jemand anderem wegnehmen oder es müssen Äpfel aus einem anderen Dorf herangeschafft werden.



        Das hat dann zur Folge, dass dort Äpfel fehlen.



        Aber nur so lässt sich die verfügbare Menge überhaupt steigern (aka Wachstum erzeugen)



        Das ist genau das Wirtschaftsprinzip Deutschlands. Export erzeugt bei uns Wachstum.



        Nun sind Finanzen keine materiellen Güter sondern ideelle (es sei denn man will unbedingt den Goldstandard), es gibt die Möglichkeit Kredite zu vergeben, die , ergo die zu verteilende Menge Geld wachsen lassen können (aka Wirtschaftswachstum erzeugen können)



        Kreditvergabe bzw. Investitionen sind ein Kreislauf mit dem Versprechen, dass diese durch künftige Gewinne gedeckt werden. Dazu bedarf es jedoch der Einsicht, dass Geld relativ ist und nicht absolut. Und genau dagegen kämpft die Neoklassik UND das Bauchgefühl mit allen Mitteln, die Neoklassik setzt Geld mit Äpfeln gleich und genau das glaubt der Politikmainstream auch.



        Die Folge es wird darüber diskutiert, ob ein Anmalen der Äpfel nicht zu einem Mehr an Äpfeln führen kann, in dem Vergleich mit Äpfeln erkennt jeder die Unwirksamkeit, in Bezug aufs Geld jedoch nicht.



        Die aktuelle Gefahr besteht nun darin, das der Investitionskreislauf durch das Sparen aller Sektoren unterbrochen wird, passiert das ist eine wirtschaftliche Spirale nach unten möglich, die nicht einfach so zu unterbrechen sein wird. Und schon einmal gar nicht durch blau gefärbte Äpfel.