Jahrestag in der Ukraine: Totengedenken auf zweierlei Art
In Odessa wird mit zwei Zeremonien an die Opfer vom 2. Mai 2014 erinnert. Sie starben bei Straßenschlachten oder im Gewerkschaftshaus.
Odessa taz | Mehrere hundert Bewohner von Odessa haben am Montag vor dem Gewerkschaftshaus der 48 Toten des Brandes vom 2. Mai 2014 gedacht. Die meisten tragen Nelken in der Hand. Doch den Platz vor dem Gewerkschaftshaus, das „Kulikowe Polje“, dürfen sie nicht betreten. Polizei und bewaffnete Kämpfer des rechtsradikalen Asow-Bataillons haben diesen weiträumig abgeriegelt.
Am Vormittag war bei der Polizei ein anonymer Hinweis eingegangen, dass das Gelände vor dem Gewerkschaftshaus vermint sei. Wenig später hatten Sicherheitskräfte in einer Unterführung in der Nähe der geplanten Veranstaltung drei Granaten entdeckt. Daraufhin bat Georgij Lortkipanidze, Polizeichef von Odessa, angesichts des Waffenfundes um Verständnis für die Sperrung des Platzes.
Wütend legen die Demonstrierenden, die den Platz nicht betreten dürfen, ihre Blumen den Polizisten an der Absperrung vor die Füße. Immer wieder blicken sie zu den Dächern der umliegenden Hochhäuser, winken den dort positionierten Scharfschützen zu.
„Wir trauern um Dutzende von Odessiten und die Behörden halten es nicht einmal für notwendig, auch nur eine einzige Fahne mit Trauerflor zu behängen.“ sagt eine ältere Dame. Geduldig versucht ein junger Mann, zur Absperrung vorzudringen, um seine Blumen abzulegen. „Nur weil ich auf der Arbeit gesagt habe, dass ich heute Blumen zum Gewerkschaftshaus bringe, hat man mich als Separatisten beschimpft“ klagt er.
Auf der Arbeit eingeschüchtert
Sein Freund bedauert es, dass an diesem Jahrestag weniger Menschen zum Kulikowe Polje gekommen seien als im letzten Jahr. „Man hat uns eingeschüchtert. Auf der Arbeit und über die Medien.“
Wie ausgestorben ist das Zentrum von Odessa. Vorherrschende Farbe auf der menschenleeren Fußgängerzone, der Deribasywska–Strasse, ist olivgrün. Und wer in die Fußgängerzone will, muss sich zuerst bei bewaffneten Uniformierten ausweisen und sein Gepäck kontrollieren lassen.
Zwei Mal wurde am Montag an die Toten des 2. Mai 2014 erinnert. Während man auf dem Kulikowe Pole der in dem Gewerkschaftshaus verbrannten pro-russischen Aktivisten gedachte, riefen Gruppen aus dem anderen Lager für die pro-ukrainischen Aktivisten zu einer Gedenkveranstaltung am frühen Abend im Stadtzentrum auf. Diese waren am 2. Mai 2014 wenige Stunden vor dem Brand im Gewerkschaftshaus im Stadtzentrum bei Auseinandersetzungen mit pro-russischen Aktivisten getötet worden.
Unterdessen rief ein Facebook-Post eines Abgeordneten und Kommandeurs von Freiwilligenverbänden Wut bei den Protestierenden vor dem Kulikowe Polje hervor. Für ihn, so Ihor Mosiychuk, sei der 2. Mai ein Feiertag, hätten doch die Ukrainer an diesem Tag einen ersten Sieg in ihrem nationalen Befreiungskrieg errungen. Mit dem ukrainischen Triumpf in Odessa, so Mosiychuk, habe man dem Aggressor die Zähne gezeigt und Odessa vor einer Aggression der russischen Welt bewahrt.
Leser*innenkommentare
Dr. Müller
Rechtsradikale Terrortruppen werden nicht entwaffnet, sondern sperren gemeinsam mit der Polizei einen Platz ab. Horror.
Jörg Heinrich
Zitat :
"der 48 Toten des Brandes vom 2. Mai"
Mit Verlaub, das ist eine sehr merkwürdige und vollkommen unangemessene Formulierung für ein Progrom das bis hin zu einem Massenmord eskaliert ist.
Es ist verstörend und erschreckend das gerade die Medien die für sich eine linke und anti-militaristische Grundhaltung in Anspruch nehmen,
den extremen Nazionalismus in der Uraine verhamlosen und geradezu politisch unterstützen.
warum_denkt_keiner_nach?
" Vorherrschende Farbe auf der menschenleeren Fußgängerzone, der Deribasywska–Strasse, ist olivgrün."
Wie viel Angst müssen die Machthaber haben?