Jagdtrieb: Adelsfamilie hält sich nicht ans Gesetz
In Schleswig-Holstein dürfen Wildtiere seit Oktober 2014 nicht mehr in eingezäunten Gattern gehalten und geschossen werden. Familie von Bismarck hält sich aber nicht daran.
Das Landwirtschaftsministerium geht davon aus, dass die Adelsfamilie und zwei weitere Eigentümer von Jagdgattern in Schleswig-Holstein eine Ordnungswidrigkeit begehen. Darauf steht eine Geldbuße. „Wer heute noch Jagdgatter hat, ist im Zeitalter des Feudalismus steckengeblieben“, kritisierte Minister Robert Habeck (Grüne). Mit einer modernen und naturnahen Jagd habe diese Haltungsform nichts zu tun. „Jagdgatter gehören aufgelöst, das ist seit mehr als 15 Jahren klar und Gesetz“, sagte Habeck.
Von Bismarck bewertet das Gesetz hingegen als „rechtswidrigen Eingriff“ in sein Eigentum. Das Wildgatter sei seit rund 140 Jahren in Familienbesitz. Im Jahr 1871 schenkte Kaiser Wilhelm I. dem Reichskanzler Otto von Bismarck den Sachsenwald. Durch das Jagdgatter-Verbot sei eine erhebliche Anzahl von Arbeitsplätzen gefährdet, sagte von Bismarck. Zudem werde durch die Jagd in den Gattern die Gastronomie im Sachsenwald mit Wildfleisch versorgt. Gegen die Aufforderung der Jagdbehörde im Kreis Herzogtum Lauenburg, das Gatter aufzulösen, legte von Bismarck Widerspruch ein.
Die Argumente der von Bismarcks werden nun geprüft, sagte eine Sprecherin des Kreis Herzogtum Lauenburgs. „Das wird nicht einfach abgebügelt.“ Sollte der Widerspruch dennoch zurückgewiesen werden, könnte der Betreiber im nächsten Schritt klagen.
Das schleswig-holsteinische Landesjagdgesetz verbietet schon seit dem Jahr 1999, Areale zum Zwecke der Jagd oder Hege einzuzäunen.
Die Besitzer schon vorhandener und genehmigter Jagdgatter bekamen 15 Jahre lang, bis zum 28. Oktober 2014, Zeit, den Zaun um ihr Jagdgebiet abzureißen.
Der Gesetzgeber ging bereits in den 90er-Jahren davon aus, dass Wildhaltung in einem Gatter, in dem mehr Tiere als in freier Wildbahn zusammen leben und gefüttert werden, nicht artgerecht ist.
Tobias Langguth, Naturschutzreferent des BUND in Schleswig-Holstein, kritisiert, dass die von Bismarcks an ihrem Jagdgatter festhalten. Es wirke, als erwarte die Familie eine Sonderbehandlung vor dem Gesetz und das sei „einer Republik nicht angemessen“.
Langguth hält das Verbot für richtig. Heute diene die Jagd nicht mehr dem Zweck, Trophäen zu schießen und dem persönlichen Vergnügen zu frönen, sondern sei ein Instrument des Wald- und Naturschutzes. „Ein notwendiges Übel“, sagt Langguth. Gerade jetzt säßen viele erfahrene Jäger frierend auf den Hochsitzen und warteten darauf, dass eine Gruppe Rehe oder Wildschweine vorbeikomme. Spaß mache das nicht, sagt Langguth.
Doch darum gehe es bei der Jagd im Gatter. „Sie sind dazu da, dass Jagdgäste auf jeden Fall einen Abschuss bekommen“, sagt er. Der begrenzte Raum setze die Tiere jedoch unnötigem Druck aus. „Sie können nicht fliehen. Im Zweifelsfall rennen sie in ihrer Panik in einen Zaun.“
Auch in Niedersachsen gab es Konflikte um ein Jagdgatter in Lüdersburg im Kreis Lüneburg. Dort hatten die Betreiber jedes Frühjahr 2.000 bis 4.000 Enten ausgesetzt, die im Herbst von zahlender Kundschaft geschossen wurden. Wasserproben des niedersächsischen Landesbetriebs für Wasser, Küsten und Naturschutz ergaben dann, dass die Wasserqualität der Ententeiche der ungeklärter häuslicher Abwässern gleicht. Das Verwaltungsgericht Lüneburg verbot daraufhin das Aussetzen der Enten.
Doch im Juni kassierte das Oberverwaltungsgericht diese Entscheidung wieder. Der Landkreis durfte kein Totalverbot gegen die Betreiber aussprechen, sondern hätte eine verträgliche Anzahl der Enten auf dem Gebiet vorschreiben müssen.
Die zwei letzten niedersächsischen Jagdgatter in Lüdersburg und Springe genießen Bestandsschutz. Neue Gatter dürfen seit 2002 nicht mehr gebaut werden. Ein umfängliches Verbot wie in Schleswig-Holstein gibt es trotz der Kritik von Umwelt- und Tierschutzverbänden nicht. Auch Gatterbetreiber von Bismarck kennt die Kritik: „Aber es gibt eine große Anzahl von Jägern, die unser Angebot sehr schätzen.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste