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„Die Feuerfalle von Rostock“ (Mo., 21.45 Uhr, ARD)

Ein junger Mann wirft einen Brandsatz gegen ein Hochhaus. Flammen schlagen aus Fenstern, das Volk jubelt. Mehr als hundert Vietnamesen kauern auf dem Dach. So war es am 24. August 1992 in Rostock-Lichtenhagen.

„Die Feuerfalle von Rostock“ zeigt, was damals geschah. Der Einsatzleiter der Polizei war überfordert, nichts funktionierte, noch nicht mal der Funk. Der Konflikt eskalierte tagelang, doch der BGS zog ab. Minister Seiters reiste an, um zu erklären, dass es zu viele Asylanten gebe. Und wir sehen Thinh Nguyen Do, der sagt: „Wir sind in dem Haus geblieben, weil wir nicht wussten, wohin wir sonst gehen sollten.“ Wir sehen eine tapfere Nachbarin, die einzige, die damals den Flüchtenden ihre Tür öffnete. Die Tränen schießen ihr in die Augen, als sie sich an die verschüchterten vietnamesischen Kinder erinnert, die gerade mit dem Leben davongekommen waren.

„Die Feuerfalle“ rekonstuiert die Ereignisse. Das ist meist präzise inszeniert, von ein paar Unschärfen abgesehen. Wir sehen Rene Kaiser, der damals den Brandsatz warf. Er hat zwei Jahre im Knast gesessen und sagt, dass die NPD das Pogrom damals geplant hatte. Schnitt. Der Einsatzleiter der Polizei sagt: „Da wusste er mehr als wir.“ Ein Schnitt, der uns Empörung nahe legen will. Aber sollen wir wirklich noch mehr V-Leute in der NPD fordern?

Eigentlich will die Reihe „Das rote Quadrat“ die Geschichte hinter einem Bild erzählen – doch das tut der Autor Kamil Taylan nur bedingt. Dazu ist der Film zu sehr Feature, zu wenig Reportage. Dazu erfährt man zu wenig was den Täter, was Rene K. 1992 antrieb. Aber Taylan fragt ihn zu pädagogisch, zu sehr auf Reue aus. Einmal, immerhin, erzählt Rene K., dass er damals vietnamesische Zigarettenhändlern die Waren abnahm und selbst verkaufte. Das ist eine Szene, in der man etwas versteht: wie dünn die Grenze zwischen Kriminalität und rechter Gewalt ist.

Am Ende schwenkt die Kamera über die Dächer der Plattenbauten hinweg auf die Ostsee, auf schwere, graue Wolken und einen Himmel in dramatisch leuchtenden Farben. Ein Spielfilm-Ende, sehr schön, sehr melo und ein bisschen angeberisch. STEFAN REINECKE

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