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Jagd auf HSV-Profi Bakery JattaWie die Besessenen

Die Staatsanwaltschaft Hamburg und die „Bild“ wollen die Identität von HSV-Profi Bakery Jatta klären. Ihr Eifer hat fast obsessive Ausmaße.

Bildmaterial für die Uni Freiburg? HSV-Stürmer Bakery Jatta im Zweitligaspiel gegen St. Pauli Foto: Axel Heimken/dpa

BERLIN taz | Meist geht es um Mord und Totschlag, wenn das kleine Institut in Freiburg in Straffällen angefragt wird. Zumindest ergibt dies eine kleine Internetrecherche nach der Biologischen Anthropologie in Freiburg. Nun aber sollen die Freiburger Wissenschaftler:innen bei der Identitätsklärung eines Fußballprofis helfen. Ist Bakery Jatta, der Stürmer des Hamburger SV, möglicherweise Bakary Daffeh? Der Auftrag kam vom Landeskriminalamt Hamburg bereits im Oktober. Die Bild-Zeitung machte diese Woche die internen Ermittlungen öffentlich.

Aus dem Hause Springer wurde auch die Vermutung, Jatta habe sich eine falsche Identität zugelegt erstmals via Sport Bild im August 2019 in die Welt gesetzt. Der Vorwurf: Jatta habe im Sommer 2015 eine andere, jüngere Identität angenommen, um sich als minderjähriger Flüchtling aus Gambia eine Aufenthaltsgenehmigung zu erschleichen.

Es war der Start einer kampagnenhaften Verdachtsberichterstattung. Es folgte eine anonyme Strafanzeige „besorgter Bürger“. Die Beweislage war jedoch nicht zwingend. Zwei Trainer aus Gambia bezeugten die Bild-These. Die taz wiederum machte zu dieser Zeit Sulayman Kuyateh, einen Trainer von Jatta in Gambia, ausfindig, der erklärte: „Ich kannte ihn als Jatta, nicht als Daffeh.“

Im September 2019 stellte das Bezirksamt Hamburg-Mitte die Ermittlungen gegen Jatta ein, die „aufgekommenen Zweifel“ hätten sich nicht bestätigt. Die Bild legte nach, berichtete von einer Mailadresse mit dem Namen Daffeh, die Jatta nach seiner Einreise im Austausch mit den Bremer Behörden benutzt haben soll. Aber auch die Bremer Staatsanwaltschaft fand bei der Überprüfung des Sachverhalts keinen Ansatz für Ermittlungen.

„Völlig unverhältnismäßig“

Umso eifriger hat sich die Hamburger Staatsanwaltschaft an den Fall geheftet. Ein Vorermittlungsverfahren gab es bereits nach dem Brief der „besorgten Bürger“. Die Staatsanwaltschaft Hamburg schreibt: „Hintergrund waren sowohl Hinweise aus der Bevölkerung als auch Medienberichte, in denen Beweismittel genannt wurden.“

„Völlig unverhältnismäßig“ nennt Thomas Bliwier, Jattas Anwalt, den Aufwand, den die Behörde seither betreibt. Sogar eine Durchsuchung der Google-Zentrale in Kalifornien sei in Erwägung gezogen worden, um an E-Mail-Daten heranzukommen; das sei in den Akten vermerkt. Zudem wurde ein Gutachten bei einer LKA-Beamtin in Auftrag gegeben, die ein Lichtbildvergleich zwischen Bakary Daffeh und Bakery Jatta vornahm.

Das Ergebnis der internen Untersuchung posaunte damals die Bild-Zeitung hinaus. Über 90 Prozent, hieß es damals, betrage nach dem Vergleich die Wahrscheinlichkeit, dass Daffeh und Jatta identisch seien. Wie die Bild auf die wissenschaftlich fundiert erscheindende Zahl kommt, will der Autor des Artikels auf Anfrage der taz nicht verraten. Er beruft sich auf den Quellenschutz.

Eine Durchsuchung der Google-Zentrale in Kalifornien war im Gespräch

Bliwier sagt: „Das ist Unsinn. Prozentzahlen tauchen in dem Gutachten nicht auf.“ Es sei lediglich von einer „hohen Wahrscheinlichkeit“ die Rede. Es werde sogar ausdrücklich darauf hingewiesen, dass man nicht numerische Wahrscheinlichkeitsgrade benenne. Ihm erschließe sich allerdings die Qualifikation der LKA-Beamtin nicht. Ihr Schreiben weise große Mängel auf. „Für mich ist das kein Gutachten, sondern eine Stellungnahme.“ Diese sei aber Grundlage für den Hausdurchsuchungsbeschluss bei Bakery Jatta im Juli 2020 gewesen. Die Bild-Zeitung war wieder einmal bestens informiert, hatte sich vor Jattas Haus postiert und streamte das Geschehen live ins Internet.

Aus Bild erfahren

Vom jüngsten Auftrag an die Uni Freiburg hat Thomas Bliwier über die Bild-Zeitung erfahren. Ein Verfahrensfehler, sagt er, „ich hätte direkt informiert werden müssen und man hätte mir die Möglichkeit der Stellungnahme einräumen müssen“. Er vermutet, dass das mangelhafte Gutachten der LKA-Beamtin Anlass dafür ist, ein neues in Auftrag zu geben.

Ihn erstaunt aber, dass die ermittelnde Staatsanwältin ihm erklärte, über den Inhalt des Auftrages an die Uni Freiburg nicht Bescheid zu wissen, weil das Landeskriminalamt in dieser Angelegenheit initiativ gewesen war. Die Pressestelle der Staatsanwaltschaft Hamburg wiederum erklärt gegenüber der taz: „Die Staatsanwaltschaft hat aufgrund der gebotenen Sachverhaltsaufklärung die Erstellung eines anthropologischen Sachverständigengutachten in Auftrag gegeben.“

Dass die Untersuchungen in Freiburg zweifelsfreie Ergebnisse zutage fördern, scheint eher unwahrscheinlich. Ob das den fast schon obsessiv anmutenden Ermittlungseifer der Bild-Zeitung und der Hamburger Behörden ausbremsen wird, ist wiederum eine ganz andere Frage.

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17 Kommentare

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  • @PUKY

    "iner der ganz schlimmen Bild-Exzesse: Bei einem Jugendlichen, der wegen Verstoß gegen das Drogengesetz vorübergehend inhaftiert worden war, wurden zwei Ampullen Blut gefunden. Bild leckte Blut und stempelte diesen Jungen, der unter Verdacht stand, gegen das Drogengesetz verstoßen zu haben, in einer Serie zum "Vampir von Sachsenhausen", zum blutrünstigen Monster. Zum Schluss wurde er sogar mit dem Massenmörder Haarmann verglichen, der immerhin 22 Menschen durch Bisse in die Kehle getötet hatte. Der Junge saß in Haft und konnte sich nicht wehren [...]"

    "Über Dinge [zu] berichten, die nicht jedem ins Meinungsbild passen" ist eine sehr grobe Verharmlosung dessen, was die Bild macht.

    [1] Günter Wallraff in www.guenter-wallra...streigesprach.html

  • Es stellt sich hier die Frage vom Ei und dem Huhn.



    Wenn die Vorwürfe stimmen, dann wurde zuerst auf Teufel komm raus gelogen und betrogen und erst dann auf Teufel komm raus ermittelt.nUnd dies ist dann auch Aufgabe der Staatanwaltschaft. Und wenn die Bild dann über Dinge berichtet, die nicht Jedem ins Meinungsbild passen, so ist es dann nur eine Frage des Geschmacks.

    • @Puky:

      Der Vorwurf, Jatta habe seine wahre Identität verschwiegen und sich jünger gemacht, rechtfertigt nicht derart ausufernde Ermittlungen. Es handelt sich hier nicht um einen Schwerverbrecher. Glauben Sie im Ernst, auf diese Weise wird jeder Asylantrag untersucht? Zudem: Welche Konsequenzen erhofft sich die Bild? Jatta hat einen Arbeitsvertrag, er bekäme auch mit jedem anderen Namen einen. Die Bild sucht den Skandal. Sonst nix.

  • Für die Bild scheint es ja schlimmer zu sein, dass einer (möglicherweise, vielleicht, genau weiss man's nicht) zu Unrecht "reingekommen" ist als dass Tausende vor der Tür ertrinken.

  • Das Ergebnis der internen Untersuchung posaunte damals die Bild-Zeitung hinaus.

  • Ist denen langweilig im lockdown? 🤔

  • "Die Bild-Zeitung ist ein Organ der Niedertracht. Es ist falsch, sie zu lesen. Jemand, der zu dieser Zeitung beiträgt, ist gesellschaftlich absolut inakzeptabel. Es wäre verfehlt, zu einem ihrer Redakteure freundlich oder auch nur höflich zu sein. Man muss so unfreundlich zu ihnen sein, wie es das Gesetz gerade noch zuläßt. Es sind schlechte Menschen, die Falsches tun."



    (Max Goldt)

    • 9G
      91491 (Profil gelöscht)
      @Linksman:

      Schöne Grüße an Udo Lindenberg und Alice Schwarzer!

  • Witch hunt.

    • @Orwell1984:

      Jop, aller schlimmster Sorte.

      Vor allem macht man den Jungen so psychische fertig, nur weil einige Leute auf einem Egotrip sind.

  • Bakery Dafeh hat für die U20 Gambias gespielt. Er sieht Bakery Jatta extrem ähnlich und seit 2015 gibt es kein Lebenszeichen. Dafür ist der drei Jahre jüngere Bakery Jatta in Deutschland aufgetaucht, dessen fußballerische Können für eine Profikarriere reicht. So unwahrscheinlich ist es nicht, dass es sich bei Bakery Jatta und Bakery Dafeh um dieselbe Person handelt.

    • @Christof Abt:

      „So unwahrscheinlich ist es nicht, dass es sich bei Bakery Jatta und Bakery Dafeh um dieselbe Person handelt.“

      Na und?



      Erstens werden trauriger Weise viel zu viele gut integrierte Menschen abgeschoben, wo bleibt da der Aufschrei?



      Zweitens werden eine Menge „echt gefährliche Taten“ deutscher Staatsbürger in dem Alter nach Jugendstrafrecht ziemlich milde beurteilt.



      Drittens wurden mit dem öffentlichen Theater jede Menge rechtsstaatliche Vergehen begangen.



      Viertens frage ich mich, warum solche verschwendeten Kosten nicht den Verursachern (Verfolgern) angelastet werden.

      • @snowgoose:

        Er hat gelogen und sich damit staatliche Leistungen erschlichen, reicht das? Natürlich sollte man ihn trotzdem nicht abschieben, da er gut integriert ist, aber eine Geldstrafe wäre angemessen. Dass gut integrierte Menschen abgeschoben werden und Straftäter bleiben dürfen ist natürlich ein Unding, da bin ich bei Ihnen. Unsere ganze Migrationspolitik gehört auf den Prüfstand. Es kann nicht sein, dass man fürs Lügen belohnt und wenn man sich anstrengt abgeschoben wird. Dass unsere Jugendliche milde beurteilt werden hat mit diesem Fall aber nichts zu tun.

        • @Christof Abt:

          „Er hat gelogen und sich damit staatliche Leistungen erschlichen, reicht das? ...“



          Sie nehmen die gleiche Vorverurteilung wie die Bild vor, ich nahm zu einer Vermutung Stellung.



          „Dass unsere Jugendliche milde beurteilt werden hat mit diesem Fall aber nichts zu tun.“



          Doch, weil Handlungen von Jugendlichen aller Nationen als Jugendliche behandelt werden müssen und die Verletzungen der Persönlichkeitsrechte (Gezerre in die Öffentlichkeit) noch schwerer wiegen als bei Erwachsenen (zumal es um Flucht und nicht um Larifari-Böswilligkeit ging).



          Kürzlich wollte man uns die Rechtsstaatlichkeit nahebringen, die verbietet, selbst im Notfall eines Lebens, einen Verdächtigen Gewalt anzudrohen oder anzutun. Was ist diese öffentliche Zurschaustellung denn?

          • @snowgoose:

            Wie lange ist man Ihrer Meinung nach Jugendlicher?

          • @snowgoose:

            „einem Verdächtigen“

            • @snowgoose:

              Jatta ist Profifußballer und mindestens 22 Jahre alt. In dem Beruf steht man in der Öffentlichkeit und wird unter Umständen hart kritisiert. Das gehört dazu.