Italiens Ex-Ministerin Mara Carfagna: Kämpferin für Frauenrechte
Die 42-Jährige war Model, Showgirl und Ministerin unter Berlusconi. Heute ist sie Gesicht einer Kampagne gegen Gewalt gegen Frauen.
Heute ist sie das Gesicht einer Kampagne gegen Gewalt gegen Frauen. Unter dem Hashtag #nonènormalechesianormale (es ist nicht normal, dass es normal ist) ruft Carfagna in Italien derzeit zu mehr Unterstützung für Frauen auf. Tausende Menschen schlossen sich der Aktion vor allem über Twitter und Facebook an. Ihr Erkennungszeichen: ein roter Strich unter dem Auge. Zu den bekanntesten Unterstützern des Aufrufs gehört EU-Parlamentspräsident Antonio Tajani. Dieser malte sich mit Lippenstift einen roten Halbkreis unter das linke Auge und trat beim Brexit-Gipfel am Wochenende in Brüssel sogar so vor die Presse.
In der Kampagne sind sich Tajani und Carfagna offensichtlich einig, bei anderen politischen Fragen eher nicht. Carfagna gehört der Forza Italia an, der Partei des ehemaligen Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi. Und kein Geringerer als er gilt als ihr politischer Ziehvater. 2004 holte er die Juristin in die Politik und beauftragte sie damit, die Frauenbewegung in der Partei zu koordinieren.
Carfagna trifft den Nerv der italienischen Gesellschaft
Nur zwei Jahre später wurde sie zur Abgeordneten ins Parlament gewählt. Berlusconi, der sich schönen Frauen gegenüber regelmäßig und ungeniert übergriffig zeigt, kommentierte Carfagnas ersten Auftritt mit eindeutigen Bemerkungen: In der Forza Italia würde das „Recht der ersten Nacht“ praktiziert – also das Recht des Grundherren, mit der jungfräulichen Braut die erste Nacht zu verbringen. Carfagna weiß um ihre Wirkung, schließlich hat sie das Spiel in der Showbranche lange Zeit mitgemacht.
Auch als Berlusconis Ehefrau Veronica Lario öffentlich eine Entschuldigung von ihrem Mann verlangte, als der wieder einmal mit Carfagna flirtete, gab sie sich souverän. Berlusconis Kommentare seien „harmlos und galant“. Ihre Strategie brachte ihr 2008 schließlich den Posten als Ministerin für Gleichberechtigung in der Regierung Berlusconi ein. Ob es wirklich nur bei harmlosen Bemerkungen blieb, ist bis heute nicht klar. Zeitweise kursierten Gerüchten, dass Berlusconi und Carfagna zumindest telefonisch Sex hatten.
Carfagna ist auch heute noch Abgeordnete, Berlusconi agiert im Hintergrund. Mit der Kampagne gegen Gewalt gegen Frauen trifft Carfagna einen Nerv der italienischen Gesellschaft. Kein Wunder also, dass die Aktion so schnell so viele Anhänger*innen fand. Gewalt gegen Frauen – ob physisch oder psychisch – ist salonfähig, ganz gleich in welcher Generation. Dass ausgerechnet die „schöne Mara“ eine solche Aktion gestartet hat, ist dennoch mehr als ungewöhnlich. Vielleicht ist sie eine späte Rache an all den frauenverachtenden Sprüchen, die Carfagna über die Jahre hinweg ertragen musste. Sowohl im Showbusiness als auch in der Politik.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Christian Lindner
Die libertären Posterboys
Außenministerin zu Besuch in China
Auf unmöglicher Mission in Peking
Olaf Scholz’ erfolglose Ukrainepolitik
Friedenskanzler? Wäre schön gewesen!
Prozess gegen Letzte Generation
Wie die Hoffnung auf Klimaschutz stirbt
Comeback der K-Gruppen
Ein Heilsversprechen für junge Kader
Israel, Nan Goldin und die Linke
Politische Spiritualität?