Israels Parlamentswahlen: Kein Frieden, keine Gerechtigkeit

Die sich abzeichnende Regierungskoalition verspricht nichts Gutes. Meinungsfreiheit und die jüdisch-arabische Koexistenz drohen, Federn zu lassen.

Itamar Ben-Gvir abgeschirmt von Personenschützern

Itamar Ben-Gvir (Mitte), Chef der rechtsextremen Partei Otzma Jehudit, ist mehrfach vorbestraft Foto: Mostafa Alkharouf/Anadolu/afp

In den Palästinensergebieten dürfte das Wahlergebnis der israelischen Parlamentswahlen, soweit es dort überhaupt noch wahrgenommen wurde, allenfalls mit einem gelangweilten Achselzucken bedacht worden sein. Es geht weiter, wie gehabt. Mit der sich abzeichnenden neuen Regierung in Jerusalem wird es kaum eine Wiederaufnahme der Friedensgespräche geben, aber die hatte es auch mit der alten, mit der „linkeren“ Koalition, nicht gegeben.

Die politische Lage auf beiden Seiten der Waffenstillstandslinie von 1967 ist so verfahren, dass auch potenzielle internationale Vermittler besser gleich die Finger von der Region lassen. Für Israels Linke, die sich den Frieden über Jahrzehnte zur zentralen Aufgabe machte, ist dieser Zustand fatal. Das linksliberale Bündnis Meretz scheitert vermutlich an der Einzugsquote, und die Arbeitspartei, die Partei von David Ben-Gurion, von Golda Meir, Jitzhak Rabin und Schimon Peres kommt auf ganze vier Sitze.

Es ist ein Trauerspiel. Dass mit dem Thema Frieden keine Wahlen zu gewinnen sind, hat Gründe. Immer wieder wurde die einstige Linke vor den Kopf gestoßen, sie musste die Zweite Intifada aushalten, die einem weitreichenden Friedensangebot folgte, und sie musste den Wahlsieg der Hamas wenige Monate nach dem Gazaabzug schlucken. Und dann die Raketen.

So wenig der neue Rechtsruck in Jerusalem an der Lage der Pa­läs­ti­nen­se­r*in­nen ändert, so gruselig sind die innenpolitischen Perspektiven. Gelingt es Likud-Chef Benjamin Netanjahu erneut, Ministerpräsident zu werden, dann wird er seine Koalitionspartner dazu anhalten, ihm Immunität zu verschaffen und damit vermutlich vor einer Haftstrafe zu bewahren. Nicht weniger als die Unabhängigkeit der Judikative steht auf dem Spiel. Bahn frei für politische Korruption.

Meinungs- und Informationsfreiheit werden leiden, wenn Netanjahu mit Partnern, die offen faschistische Haltungen vertreten, kooperieren wird. Schlechte Zeiten stehen an für Friedens- und Menschenrechtsorganisationen und für RegimekritikerInnen, vor allem aber für die arabische Bevölkerung in Israel.

Der Staat Israel wird sich „der Entwicklung des Landes zum Wohle aller seiner Bewohner widmen“, heißt es in der Unabhängigkeitserklärung. Er wird auf „Freiheit, Gerechtigkeit und Frieden“ gestützt sein. Wenn diskriminierende Gesetze geschaffen werden, wenn zwischen der jüdischen und der arabischen Bevölkerung rassistische Barrieren entstehen, dann wird es Zeit, sich auch in Berlin Gedanken zu machen über eine werteorientierte Außenpolitik, selbst wenn es um Israel geht.

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1961 in Berlin geboren und seit 2021 Co-Leiterin der Meinungsredaktion. Von 1999 bis 2019 taz-Nahostkorrespondentin in Israel und Palästina.

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