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Israels „Infiltranten“ sollen verschwindenFreiwillige Ausreise oder Illegalität

Tausende ungeliebte eingewanderte Afrikaner sollen aus Israel nach Uganda abgeschoben werden. Die Regierung in Kampela will davon jedoch nichts wissen.

Mit der Nationalflagge in der Hand demonstrieren zwei Israelis gegen afrikanische Migranten in iher Nachbarschaft. Bild: reuters

JERUSALEM taz | Im Lewinsky-Park, unweit von Tel Avivs zentralem Busbahnhof, stehen immer ein paar hundert Männer und warten auf einen Gelegenheitsjob für den Tag. Hier treffen sich die Ärmsten, die letzten Flüchtlinge, die es geschafft haben, sich den Weg nach Israel zu bahnen, bevor neu errichtete Trennanlagen an der Grenze zu Ägypten den Strom der „Infiltranten“, wie sie hier genannt werden, abreißen ließen.

Gleich im Anschluss an die jüdischen Feiertage im September will Israel die ungewollten Gäste abschieben. Uganda ist ein mögliches Ziel. Ausgerechnet Uganda, das Land, das Israels Urvater Theodor Herzl zu Beginn des 20. Jahrhundert erfolglos als Alternative zu Palästina als zionistisches Projekt ins Spiel gebracht hatte.

Zeitungsberichten zufolge hat die dortige Regierung der Aufnahme zugestimmt – im Gegenzug zu Rüstungslieferungen und Wirtschaftshilfe. Am Freitag hieß es dann allerdings, die Regierung Ugandas in Kampala wisse von keinem Vertrag.

Tel Aviv ist einer der Hauptanziehungspunkte für die Afrikaner, die zu 90 Prozent aus Eritrea und dem Sudan kommen. Viele sind Opfer von Menschenhändlern im Sinai, skrupellosen Beduinen, die sie foltern und hohe Lösegelder für ihre Befreiung fordern.

Aufanglager n der Negevwüste

Israel traf der Strom von Tausenden Menschen seit 2006 unvorbereitet. In den sozial ohnehin schwachen Wohlvierteln gab es Zusammenstöße mit der lokalen Bevölkerung. Um rasche Abhilfe ringend, zog Israel als erstes die Grenze dicht, damit neue Flüchtlinge ferngehalten werden. Wer doch noch durchkam, landete in der Regel in dem Auffanglager Saharonim in der Negev-Wüste. Aus dem Reservoir dieses Lagers will sich das Innenministerium zuerst bedienen, um die Abschiebungen in Angriff zu nehmen.

Offiziell soll das Verfahren freiwillig verlaufen. Allerdings kündigte Innenminister Gidon Sa’ar (Likud) bereits Maßnahmen an, sollte er auf mangelnde Kooperationsbereitschaft stoßen. Der Mehrstufenplan des Innenministers sieht zunächst vor, ein Bewusstsein bei der Zielgruppe zu schaffen, „indem man bei der Logistik für ihre Abreise hilft“.

Geld plus Flugticket

Dazu gehöre die Aufklärung über die 1.500 US-Dollar, die Israel jedem Ausreisewilligen zahlt, über das freie Flugticket sowie die Möglichkeit, „den während des Aufenthaltes in Israel angehäuften Besitz mitnehmen zu dürfen“.

In späterer Stufe werde es eine „Deadline“ geben, einen festgelegten Termin für die „freiwillige“ Ausreise. Hat man diesen Termin einmal verpasst, wird das Visum nicht mehr verlängert. Ausreise oder illegaler Aufenthalt ist die Alterative.

Amanuel Jamane aus Eritrea empfindet das, „als sagten sie uns: ’Lebe, aber hör auf zu atmen‘, zitiert ihn die Zeitung Ha’aretz. Viele Flüchtlinge fürchten, dass Uganda nur Zwischenstation auf dem Weg zurück in ihre Heimatländer ist.

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9 Kommentare

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  • E
    Emil

    Hat sich eigentlich unser Menschenrechtsfundamentalist Friedman dazu geäußert?

  • SD
    Stimme der Demokratie

    Natürlich ist Israel für die Probleme sowohl der arabischen Welt als auch Afrikas zuständig. Es wird ja nicht permanent in seiner Existenz bedroht und von den westlichen Staaten im Stich gelassen. Auch muss es sich nicht gegen die permanente Lügenpropaganda in der Presse wehren. Das kostet weder Zeit noch Resourcen. So hat Israel natürlich die Möglichkeit, sich um alle Probleme dieser Welt zu kümmern.

  • Geht Deutschland besser mit seinen Asylbewerbern um? Wie heißt es so schön: "Wer ..., der werfe den ersten Stein!"

  • Da Israel regelmäßig das unterste Opfer der Weltgemeinschaft spielt, kann es sich nur um das Verhindern einer Neureichen-Invasion handeln. Das Verhindern einer Invasion ist legitim, dient der nationalen Sicherheit und zeigt vor allem, wie grundsätzlich sozial die Israelis zueinander eingestellt sind. Immerhin werden die vielen Flüchtlinge auch vor der ständigen Bedrohung durch die Palästinenser geschützt.

    Anders wäre es, würden die Palästinenser ebenfalls abgeschoben. Eine sogenannte nationale Flucht der Palästinenser vor der größten Bedrohung Israels, den Palästinensern selbst, könnte, einmal ausgelöst, den heldenhaften Status mit dem Israel sich der großen Bedrohung entgegen stellt, seinerseits unterstreichen.

    Deutschland zeigt sich in gleicher Weise vorbildhaft. Nur vergißt man aufgrund einer zarten Rückbesinnung auf die Geschichte (wohlgemerkt, nicht allein der deutschen Geschichte), sich auf ähnliche Weise bedroht hervorzutun. In Israel fehlt eine solche Rückbesinnung. Deshalb ist ein historischer Aufholprozess dem Anschein nach berechtigt.

  • Wissenschaftlich gesehen ergeben sich einerseits menschlich verständliche, andererseits gerade dadurch auf niedrigem Niveau angesiedelte Staatenlösungen. Ich möchte darauf hinweisen, daß gerade die aufgrund ihrer Vorgehensweise vielfach kritisierten USA nach wie vor eine betont humane Haltung beweisen. Das hat nichts mit einem Novum in der amerikanischen Außenpolitik, es hat mit Kontinuität zu tun. Das ist ein Moment, an dem Europa aufgrund der politischen und gesellschaftlichen Fehler, die wir hier machen, nicht mithalten kann. Eine Perspektive für die Zeit danach, also eine Lösung im Angebot für die Zeit nach einem durchstandenen Konflikt, haben auch USA nicht anzubieten.

    Erst wenn wir es schaffen, lohnende Aussichten auf die Zukunft zu verstärken, wird in vielerlei Hinsicht etwas zu gewinnen sein. Dazu würde gehören, daß zum Beispiel dieser Kommentar berücksichtigt wird. Das ist nicht in Sicht. Wir haben demnach in Aussicht nur den Krisenbetrieb von Krisenbetreibern einer Krise, die wir jetzt schon haben. Etwas dünn irgendwie.

    Da muß man sich halt mit leeren Versprechungen (Selbststimulation) so gut es geht über Wasser halten. Oder, wenn gar nichts mehr geht, einfach mit stoischer Ruhe (Selbst-Demotivation) die Krise auf andere abprallen lassen. Aktive Lösungen, wie sie in Israel üblich sind (Mauer, Siedlungsbau, Abtrennung von nutzlosen Gebieten und Gesellschaften) halten wir zum jetzigen Zeitpunkt für durchaus unangebracht. Eine Schande für die Weltgemeinschaft, eigentlich.

  • Im anderen Artikel wird auch darüber berichtet, die Möglichkeit einzuschränken,

     

    "Geld an Verwandte in den Herkunftsländern zu schicken".

     

    Wie soll denn das effektiv durchgesetzt werden, weil den Parallelbankstrukturen?

     

    Offenbar will Israel lieber einige tausend Euro in die Hand nehmen. Das vllt. zum Grübeln für die Leute für die "Flüchtlinge" kostenlos sind...

  • V
    Video

    So sieht es dann in Israel aus:

    http://www.youtube.com/watch?v=_x94fcnogNE

     

    Solche Leute werden ausgewiesen und wegtransportiert. Das stimmt. Die Bevölkerung ist einverstanden. In demokratischen Ländern wird getan was das Volk will, das Gesetz erlaubt und die Verfassung ebenso. In Deutschland ist es zur Zeit nicht so.

    • N
      Name?
      @Video:

      Vielleicht will das Volk ja einfach was anderes als sie? Sein Wahlverhalten spricht zumindest dafür.

  • R
    reblek

    "Die Regierung in Kampela will davon jedoch nichts wissen." - Wieder mal schwer kreativ, die Vorspann-Abteilung von taz.de, und schnell eine neue Stadt erfunden: "Kampela". Frau Knaul war so töricht, dieses Ding "Kampala" zu nennen.