Israels Armee tötet Journalisten: Reporter im Fadenkreuz
Als Mitarbeiter von Al Jazeera kam Hossam Shabat zu Ruhm, jetzt ist er tot. Die israelische Armee behauptet, er sei ein „Terrorist“ gewesen.
Zwei Tage später ist er tot. Er war auf der Saladin-Straße unterwegs – einer Hauptverkehrsstraße, die den Norden des Gazastreifens mit dem Süden verbindet –, als ihn die israelische Armee am Montag mit einem gezielten Angriff auf sein Auto tötete. Aufnahmen zeigen, wie Helfer seinen leblosen Körper aus dem zerstörten Wagen ziehen. Shabat wurde nur 23 Jahre alt.
Seit Oktober 2023 hat die israelische Armee laut Reporter ohne Grenzen über 145 Journalisten getötet, 35 von ihnen bei der Arbeit. In mehreren Fällen konnte das Comittee to Protect Journalists (CPJ) nachweisen, dass sie gezielt ermordet wurden. Auch Hossam Shabat wurde gezielt angegriffen.
In der arabischen Welt ein Held
Keine zwei Stunden bevor er starb, hatte er noch über den Tod seines Kollegen Mohammad Mansour berichtet, der für den Fernsehsender Palestine Today arbeitete. Der Sender soll dem „Islamischen Dschihad“ nahestehen. Mansour kam zusammen mit seiner Frau und seinem Kind bei einem Luftangriff auf sein Haus in Chan Yunis ums Leben, in der ehemals zweitgrößten Stadt im Süden des Gazastreifens.
Hossam Shabat war in der arabischen Welt sehr bekannt, weil er als freier Mitarbeiter für Al Jazeera Mubasher, dem Live-Kanal des Senders, aus Gaza berichtete. Der TV-Sender aus Katar ist eines der wenigen internationalen Medien, die dort noch Mitarbeiter haben und ist Israel deswegen ein Dorn im Auge. Schon im Mai 2024 ließ es dessen Büros in Jerusalem schließen. Im September 2024 stürmte die Armee das Al-Jazeera-Büro in Ramallah im besetzten Westjordanland und machte es ebenfalls dicht. Der Vorwurf: „Aufstachelung zum Terror“.
Bereits Ende Oktober beschuldigte die Armee Shabat und fünf weitere Al-Jazeera-Mitarbeiter im Gazastreifen, Mitglieder der Hamas und des „Islamischen Dschihad“ zu sein. Als Reaktion darauf schrieb Shabat auf X: „Trotz der gefährlichen und unwahren Drohungen, die von der israelischen Besatzung gegen uns ausgesprochen werden, bleiben wir unserem Beruf verpflichtet und werden weiterhin über diesen Völkermord berichten.“ Das CPJ sprach von unbegründeten Anschuldigungen und forderte Israel auf, diese zu unterlassen.
Israel gesteht gezielte Tötung
Am Dienstag gab die israelische Armee zu, Shabat gezielt getötet zu haben. Sie warf ihm vor, er sei „Terrorist“ und Scharfschütze im Dienst der Hamas gewesen. Diese Behauptung lässt sich nicht unabhängig überprüfen.
Eine Mitgliedschaft in der Hamas lässt sich aus seinen Social-Media-Beiträgen nicht ableiten, eine gewisse Sympathie für die Hamas und ihren gewalttätigen Widerstand gegen Israel schon. Der Großteil seiner Posts – vor allem nach dem 7. Oktober 2023 – handeln aber von alltäglichem Leid der Menschen in Gaza, das er teilte.
Im November wurde Shabat verletzt, als eine israelische Rakete ein Haus traf, aus dem er gerade berichtete. Der Katastrophenschutz war gerade dabei, Menschen aus dem Haus zu retten, als es erneut bombardiert wurde, mehrere Helfer starben. Nachdem im Januar eine Waffenruhe in Kraft trat, postete Shabat ein Video, wie er seine Mutter in die Arme schloss, die er seit mehr als einem Jahr nicht gesehen hatte.
Inzwischen mehr als 50.000 Tote registriert
Seit es vor einer Woche die Waffenruhe aufgekündigt hat, geht Israel im Gazastreifen wieder mit großer Härte vor. Es hat Krankenhäuser, ein UN-Gebäude und ein Büro des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz beschossen, ein UN-Mitarbeiter wurde durch einen Sprengsatz getötet, sechs weitere wurden schwer verletzt. Die UN kündigten daraufhin an, ein Drittel ihrer 100 internationalen Mitarbeiter aus Gaza abzuziehen. Über 700 Menschen wurden laut der Gesundheitsbehörde im Gazastreifen allein seit vergangenen Dienstag getötet. Insgesamt hat die Zahl der registrierten Toten im Gazastreifen nun die Marke von 50.000 überschritten.
Hossam Shabat wusste, dass er im Fadenkreuz der israelischen Armee stand. Am Montag veröffentlichte sein Team auf seinem X-Account seine Abschiedsworte: „Ich habe alles riskiert, um über die Wahrheit zu berichten, und jetzt kann ich endlich zur Ruhe kommen – etwas, das ich in den letzten 18 Monaten nicht gekannt habe“, schrieb er. Und bat darum: „Hören Sie nicht auf, über Gaza zu sprechen. Lassen Sie nicht zu, dass die Welt wegschaut.“
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