Israelfeindlichkeit in Berlin: „Unerträgliche Bilder“
Polizei von Palästina-Demonstration am Potsdamer Platz überrascht. Angemeldet war eine Mahnwache mit 50 Teilnehmern, doch es kamen 1.000.
Angemeldet war auf dem Potsdamer Platz laut Slowik eine Mahnwache für die „zivilen Opfer in Nahost“ mit 50 Teilnehmern. Laut Polizei kamen dann aber rund 1.000 Personen. Die neue Versammlung sei sogleich verboten worden, weil sie als eine Ersatzversammlung für eine bereits am 11. Oktober verbotene Versammlung gewertet wurde. Mit Lautsprecherdurchsagen habe man vor Ort über das Verbot informiert, so die Polizei. Bilanz des Nachmittags: 127 Festnahmen, 76 Straf- und 68 Ordnungswidrigkeitsverfahren, 24 verletzte Polizeikräfte.
Bilder im Netz zeigen aufgebrachte Menschen, palästinensische Fahnen werden geschwenkt, Fäuste gereckt und Parolen gerufen. Zu sehen sind Polizisten und Demonstranten, die sich hin und her schieben und drücken, handgreiflich werden. Polizisten hätten zur Abwehr Reizstoff eingesetzt, so die Polizeipressestelle. Vereinzelt sei es zu Flaschen- und Pyrotechnikwürfen von Seiten der Demonstranten gekommen.
Innensenatorin Iris Spranger (SPD) sagte am Montag im Innenausschuss, die Mahnwache sei „gekapert worden“. Die in der vergangenen Woche mit propalästinesischem Kontext angemeldeten Versammlungen seien verboten worden, weil sie einen „israelfeindlichen Bezug“ gehabt hätten und zu Sympathiebekundungen für die Hamas genutzt werden sollten.
Palästinensischen Flaggen nicht verboten
Gleichzeitig verwies Spranger darauf, dass in Berlin sehr viele arabischstämmige Familien leben, „die gar nichts mit der Hamas zu tun haben“ und die auch versuchten, „in ihren Chatgruppen zu deeskalieren“. Das Zeigen von palästinensischen Flaggen sei nicht verboten, betonte Spranger – ebenso wenig, wie Russlandfahnen verboten seien. Seit dem russischen Angriffskrieg auf die Ukranie gebe es für diese Fahnen allein ein Verbot auf Kriegsgräberstätten. „Wir stehen fest an der Seite unserer israelischen Freunde, wir haben aber auch eine Meinungs- und Versammlungsfreiheit“, sagte Spranger. „Das werden wir in Berlin klar zu beachten haben.“
Konsequenz aus Sonntag müsse sein, bei Anmeldungen mit Israel- und Palästinabezug noch sorgfältiger zu prüfen, ob es sich bei den Anmeldern „um Trittbrettfahrer“ handele, sagte Polizeipräsidentin Slowik. Seit dem Angriff der Hamas auf Israel sei es oberstes Ziel der Sicherheitsbehörden, jüdisches Leben in Berlin zu schützen und Hass, antisemitischen Äußerungen und Gewalt „ganz deutlich“ entgegenzutreten – „nicht nur auf der Straße, auch im Netz“. Beim Staatsschutz wurde eine Arbeitsgruppe Nahost eingesetzt, die die Sicherungslage fortwährend bewerten soll.
Nicht alles, wo Palästina „draufsteht“ oder die Flagge gezeigt werde, sei „Unterstützung des Terrors“, warnte der innenpolitische Sprecher der Linkspartei, Niklas Schrader, im Innenausschuss. Burkard Dregger (CDU) forderte, die Aufklärungsarbeit in Berlin „auf allen Ebenen“ voranzutreiben: „Dass die Palästinenser von der Hamas verraten und zu menschlichen Schutzschilden gemacht werden.“ Der schwierigste Moment für die Sicherheitsbehörden komme möglicherweise erst noch, warnte Martin Matz (SPD) mit Blick auf die angekündigte Offensive von Israel in Gaza.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Pelicot-Prozess und Rape Culture
Der Vergewaltiger sind wir
Rechtsextreme Demo in Friedrichshain
Antifa, da geht noch was
Trendvokabel 2024
Gelebte Demutkratie
Umwälzungen in Syrien
Aufstieg und Fall der Familie Assad
Studie Paritätischer Wohlfahrtsverband
Wohnst du noch oder verarmst du schon?
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“