Israel mobilisiert für Gaza: Zehntausende Reservisten werden einberufen
Trotz eines Waffenstillstandsangebots treibt Israel die Einnahme von Gaza-Stadt voran – und schafft mit einem Siedlungsprojekt Fakten im Westjordanland.

Die Entscheidung stellt für die israelische Gesellschaft eine Belastungsprobe dar. Insgesamt sollen in mehreren Schritten 130.000 Reservisten einberufen werden, doch viele Israelis sehen keinen Sinn mehr in der Ausweitung der Kämpfe in Gaza. Ein Großteil der früheren Spitzen der Sicherheitsbehörden hat sich gegen die Operation ausgesprochen, selbst Armeechef Ejal Zamir gilt als Kritiker des Vorhabens, das er nun umsetzt.
Israel Ziv, israelischer Ex-General, zur Einnahme von Gaza-Stadt
„Militärisch gibt es nichts mehr zu erreichen“, sagt der ehemalige General Israel Ziv im Gespräch. Die Einnahme von Gaza schrittweise und über Monate umzusetzen, erfordere rund 20.000 Soldaten. „Doch viele Reservisten sind erschöpft und ausgebrannt“, sagt Ziv.
Die Einberufung von rund 60.000 Reservisten begann laut der Armee bereits am Mittwoch. Weitere Wellen sollen im November und Anfang 2026 folgen. Zuletzt waren laut israelischen Medienberichten die Rückmeldungen auf Einberufungen stetig gesunken.
Siedlungsprojekt als Sargnagel für die Zwei-Staaten-Lösung
Der Plan sieht die Umsiedlung von rund 1 Million Menschen aus Gaza-Stadt in den Süden vor. Dafür sollen laut dem Militär künftig mehr Hilfslieferungen nach Gaza gelangen, weitere Verteilstellen eröffnet und Feldlazarette errichtet werden. Viele der Bewohner aber wurden bereits mehrfach vertrieben und sind nach Monaten strikter Blockade von Hilfsgütern seitens Israels geschwächt vom Mangel an Nahrungsmitteln, Wasser und medizinischer Versorgung.
Abwenden könnte die Eskalation noch eine von Ägypten und Katar vermittelte Waffenruhe, der die Hamas bereits zugestimmt hat. Demnach sollen während einer 60-tägigen Kampfpause zehn noch lebende Geiseln im Austausch gegen palästinensische Gefangene freikommen. Obwohl der Vorschlag wohl im Wesentlichen dem entspricht, was US-Vermittler Steve Witkoff noch vor Wochen gefordert hatte, bestand Netanjahu zuletzt auf der Freilassung aller Geiseln in einem Schritt. Eine Entscheidung dazu hat Israels Führung für Freitag angekündigt.
Während sich die Aufmerksamkeit auf Gaza richtet, treibt Israel als Reaktion auf die Ankündigung westlicher Verbündeter, im September einen palästinensischen Staat anerkennen zu wollen, noch massiver als bisher den Siedlungsbau voran. Eine am Mittwoch final genehmigte Siedlung würde das palästinensische Westjordanland in einen Nord- und einen Südteil trennen und von Ostjerusalem als potenzieller Hauptstadt eines künftigen Staates Palästina abschneiden.
Der Planungsausschuss der militärischen Zivilverwaltung für das besetzte Westjordanland nahm den Plan für 3.401 neue Wohneinheiten im nur etwa 12 Quadratkilometer großen E1-Gebiet zwischen Jerusalem und der völkerrechtlich illegalen Siedlung Maale Adumim an. Kritiker und Unterstützer sind sich in einem Punkt einig: Das Projekt dürfte einen palästinensischen Staat gänzlich unmöglich machen. Der rechtsreligiöse Siedler und Finanzminister Bezalel Smotrich nannte die Entscheidung „historisch“.
Die israelische NGO Peace Now, die sich gegen den Siedlungsbau engagiert, kritisierte das Vorhaben: „Der einzige Zweck der Siedlung in E1 besteht darin, eine politische Lösung zu sabotieren und einen binationalen Apartheidstaat herbeizuführen“, hieß es in einer Erklärung.
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