Israel hat eine neue Regierung: Zeremonie mit Zwischenrufen
Nach mehr als 500 Tagen hat Israel wieder eine reguläre Regierung. Ministerpräsident Netanjahu hat sie am Sonntag vorgestellt.
Aus der Opposition unterbrachen Rufe wie „Korruption und Bestechung“ Netanjahus Rede, der am kommenden Sonntag wegen Korruptionsvorwürfen erstmals vor Gericht erscheinen muss. Auch Gantz musste warten, bis wütende Zwischenrufe von früheren Bündnispartnern verstummten. Zwei Abgeordnete flogen aus dem Plenarsaal.
Netanjahu hatte bis zuletzt Streit um Ministerposten schlichten müssen, weshalb die eigentlich für Donnerstag vorgesehene Zeremonie nur Stunden vor dem anvisierten Termin verschoben worden war. Selbst Gantz, der Verteidigungsminister wird und Netanjahu in 18 Monaten als Ministerpräsident ablösen soll, erfuhr von der Verschiebung nur aus den Medien.
Das neue Kabinett ist das größte und teuerste in der Geschichte Israels. Das „Ministerium zur Stärkung von Communities“ etwa wurde neu geschaffen und wird von Orly Levi-Abekasis übernommen. Sie war nach der Wahl im März aus dem Mitte-links-Wahlbündnis ausgeschieden und in Netanjahus Block gewechselt.
Ebenfalls neu geschaffen wurde das „Ministerium für Siedlungsangelegenheiten“. Damit dürfte Netanjahu die Wählerklientel der nationalreligiösen Partei Jamina besänftigen, deren Abgeordnete sich wegen Netanjahus Personalentscheidungen wutentbrannt für die Opposition entschieden.
EU ringt um Position zur geplanten Annexion
Die Likud-Politikerin Miri Regev wird Verkehrsministerin. Sie hatte als Kulturministerin für Protest aus der Kulturszene gesorgt, unter anderem mit einem Gesetz, das staatliche Fördergelder von der Loyalität zum Staat abhängig machen sollte. Gideon Sa’ar, der in parteiinternen Likud-Vorwahlen im Dezember Netanjahu herausgefordert hatte, erhielt kein Amt.
Außenminister wird Gabi Ashkenazi von Blau-Weiß, sein Parteikollege Avi Nissenkorn Justizminister. Damit liegt die Zukunft des Obersten Gerichts in seinen Händen, was eine Rolle spielen kann bei Netanjahus Prozess. Doch der hat vorgesorgt. Der vormalige Justizminister, Netanjahus Parteifreund Amir Ohana, der das Justizsystem wiederholt attackierte, wird Minister für Öffentliche Sicherheit und beaufsichtigt damit auch die Strafverfolgung.
Netanjahu kündigte erneut an, „das israelische Gesetz auf das Westjordanland auszuweiten“, also Palästinensergebiete zu annektieren. Am Freitag hatte die EU nach einer einheitlichen Antwort auf die Pläne gesucht. Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) zeigte sich in Bezug auf mögliche Wirtschaftssanktionen zurückhaltender als sein luxemburgischer Amtskollege Jean Asselborn, der das Vorhaben mit der Krim-Annexion durch Russland 2014 verglich.
Der jordanische König Abdullah II. warnte ebenfalls am Freitag Israel vor den Konsequenzen einer Annexion. „Falls Israel im Juli wirklich das Westjordantal annektiert, würde dies zu einem massiven Konflikt mit dem Haschemitischen Königreich Jordanien führen“, sagte Abdullah dem Spiegel.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!