Israel geht gegen Buchladen vor: Razzia, die zweite
Zum zweiten Mal in wenigen Wochen durchsucht Israels Polizei einen bekannten Buchladen in Ost-Jerusalem. Die Beweislage scheint noch dürftiger als zuvor.

Wenige Stunden später sitzt Imads Sohn Ahmad sichtlich mitgenommen neben dem Eingang des Geschäfts, in dem sich Freunde und Unterstützer drängen. Sein Vater ist nach mehreren Stunden auf der Polizeiwache wieder frei, neben ihm liegt der Stapel der zurückgegebenen Bücher. Unter den Titeln, die die Beamten als verdächtig erachtet hatten, sind ein Bildband des Graffiti-Künstlers Banksy und ein „Kletterführer Palästina“. „Am meisten schockiert mich, dass sie diesmal nicht einmal mehr die Anweisung eines Richters eingeholt haben“, sagt Ahmad.
Der 33-Jährige und sein Onkel Mahmud Muna waren vor rund einem Monat bei einer ersten Razzia festgenommen und nach 48 Stunden freigelassen worden. Am 9. Februar hatte die Polizei rund 300 Bücher mitgenommen und acht einbehalten, darunter ein Kindermalbuch mit dem Titel „From the river to the sea“, bei dem es sich laut der Familie um ein Ansichtsexemplar eines Verlages handelte, das nicht zum Verkauf ausgestellt war.
In der Folge hatte die israelische Staatsanwaltschaft die Razzia kritisiert. Die Beamten hätten nicht über die nötige Erlaubnis für eine Ermittlung wegen „Verbreitung von Hetze“ verfügt. Hochrangigen Polizeivertretern sei kommuniziert worden, dass „solche Zwischenfälle sich nicht wiederholen“ dürften.
Botschafter Seibert: „Friedliebende stolze Jerusalemer“
Die israelische Polizei teilte am Dienstag mit, einem Hinweis durch einen Anrufer gefolgt zu sein, der „Bücher mit hetzerischem Inhalt“ gemeldet habe. Es sei eine „Überprüfung der Bücher eingeleitet worden, auf deren Grundlage entschieden wird, ob die Angelegenheit der Staatsanwaltschaft übergeben wird.“
Die Familie Muna betreibt den Educational Bookshop seit mehr als 40 Jahren. Das Geschäft ist eine feste Adresse in der Jerusalemer Kulturlandschaft und bei internationalen Besuchern ebenso beliebt wie bei vielen jüdischen Israelis. „Unsere Bücher fordern israelische Narrative ebenso heraus wie palästinensische“, sagt Mahmud. Der deutsche Botschafter Steffen Seibert bezeichnete die Familie vergangenen Monat als „friedliebende stolze Jerusalemer Palästinenser, offen für Diskussion und intellektuellen Austausch.“
Die erste Razzia Anfang Februar zog international einen Aufschrei nach sich. Das Geschäft führt neben Titeln palästinensischer und internationaler Autoren auch zahlreiche von jüdischen Israelis verfasste Bücher. „Der Vorwurf der Hetze ist lächerlich“, sagt Mahmud. „Die Bücher, die wir anbieten, kannst du alle auch in der israelischen Nationalbibliothek finden.“
Israel und die Meinungsfreiheit
Für ihn zeige die Razzia, dass die israelische Polizei mit Blick auf die Rechte von Palästinensern zunehmend „ohne Bezug zu jedem rechtsstaatlichen Rahmen“ handle. Seit dem Hamas-Überfall auf Israel am 7. Oktober 2023 gehen israelische Sicherheitsbehörden hart gegen Palästinenser vor, einschließlich gegen solche, die die israelische Staatsbürgerschaft haben. Hunderte Menschen wurden wegen Online-Posts zu Haftstrafen verurteilt, Filmvorführungen verboten und Demonstrationen untersagt.
Unter dem rechtsextremistischen Polizeiminister Itamar Ben Gvir wurden im vergangenen Jahr zahlreiche Stellen in der Polizeiführung mit politisch loyalen Beamten besetzt. „Offenbar reicht es heute, wenn jemand mit einem jüdisch-israelischen Namen anruft und uns anschwärzt, um unser Leben auf den Kopf zu stellen.“ Erschöpft blickt Mahmud Muna auf seine Armbanduhr. Eigentlich hätte er am Nachmittag im Flugzeug zur Buchmesse in London sitzen sollen.
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