Israel-Resolution von Genozidforschern: Es ist ein Völkermord. Wo bleibt der zivile Ungehorsam?
Israels Auslöschung von Gaza muss Konsequenzen haben, sagen Genozidforscher. Nicht nur Staaten müssen handeln, sondern auch die Zivilgesellschaft.

I srael begeht einen Völkermord in Gaza. Zu diesem Schluss kommt die weltweit führende Organisation von Genozidforschern. Damit bestätigen sie, wovor einige seit Oktober 2023 gewarnt haben und was heute viele Experten als erwiesen sehen: Israels Krieg in Gaza richtet sich nicht nur gegen die Hamas. Er ist vielmehr darauf angelegt, die Lebensgrundlagen der Palästinenser in Gaza zu vernichten und ihre Gesellschaft zu zerstören.
Doch die Resolution richtet sich nicht nur an Israel. Auch in Deutschland sollte man sie genau studieren. So erinnert die International Association of Genocide Scholars daran, dass Deutschland im Völkermordverfahren gegen Myanmar am Internationalen Strafgerichtshof eine Erklärung mitunterzeichnete. Diese besagt, dass es als Indikator für eine Genozidabsicht zu werten sei, wenn sich Angriffe gezielt gegen Kinder richten. Angesichts von 50.000 getöteten und verletzten Kindern sehen die Forscher diesen Tatbestand in Gaza erfüllt.
Sie hätten anfügen können, dass die israelische Aushungerungstaktik besonders die Jüngsten in ihrer Entwicklung gefährdet oder dass Ärzte berichten, wie die IDF immer wieder gezielt auf Kinder schießt.
Ferner appellieren die Wissenschaftler an alle Staaten, ihren Pflichten nach der Genozidkonvention nachzukommen. Und die ist – daran kann man in Berlin nicht oft genug erinnern – kein höflicher Ratschlag, sondern rechtlich bindend. Die Konvention verpflichtet auch den Unterzeichnerstaat Deutschland, alles zu tun, um einen Völkermord zu verhindern oder zu bestrafen. Von der Bundesregierung aber kommt kaum etwas.
Appell auch an die Zivilgesellschaft
Doch nicht nur Regierungen sind in der Pflicht. So pochen die Forscher auch auf die Verantwortung der Zivilgesellschaft, ihre Staaten zum Handeln zu bewegen. Das ist nichts anderes als ein nett umschriebener Aufruf zum zivilen Ungehorsam. Und den braucht es, von der Massendemo zum Streik.
Wer von Beihelfern regiert wird, kann sich etwa ein Beispiel nehmen an jenen belgischen Gewerkschaften, die schon Ende Oktober 2023 ihre Arbeiter dazu aufriefen, Waffenlieferungen nach Israel zu blockieren. Ein Gericht gab ihnen kürzlich recht und verbot jeglichen Transport von Militärgütern nach Israel durch belgische Häfen.
In Den Haag protestierten im Juni über 100.000 Menschen für ein Ende des Genozids. Hochgerechnet auf die hiesige Bevölkerung entspräche das einer Demo mit 500.000 Menschen.
Laut Umfragen sind die Deutschen überwiegend gegen Israels Krieg. Aber offenbar nicht so sehr, als dass sie deshalb das Bedürfnis verspürten, sich zu regen. Kommt da noch etwas, jenseits der Lethargie?
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