Israel-Palästina-Konflikt eskaliert: Tote auf beiden Seiten
Nach dem Tod des Hamas-Militärchefs wird Tel Aviv aus dem Gazastreifen mit Raketen beschossen. Die israelische Regierung will ihre Operation durchziehen.
JERUSALEM taz | Die Bevölkerung im Großraum Tel Aviv ist nicht länger vor den Raketen aus dem Gazastreifen gefeit. Zweimal hintereinander ertönten die Sirenen in der Stadt. Die offenbar vom Islamischen Dschihad abgeschossenen Raketen richteten keinen Schaden an. Zuvor gab es zum ersten Mal seit Beginn der kriegerischen Auseinandersetzungen auch Tote auf israelischer Seite. Zwei Männer und eine Frau starben bei einem Raketenangriff auf die Kleinstadt Kirjat Malachi, 30 Kilometer nordöstlich vom Gaza.
Mit den „geöffneten Toren der Hölle“, wie ein Hamas-Sprecher im Internet am Vortag ankündigte, rächen die Islamisten den Tod ihres Militärchefs al-Dschabari. Über 250 Raketengeschosse regneten bis zum Nachmittag auf Israel herab.
Im Gazastreifen starben 15 Palästinenser. Die Armee sei bereit, die Operation „noch sehr deutlich zu auszuweiten“, gab sich Regierungschef Benjamin Netanjahu unverändert entschlossen. Israels erklärtes Ziel bei der Operation, die mit dem Tod al-Dschabaris nur begann, lautet, die Köpfe des Terrors zu treffen. Die Infrastruktur der islamistischen Organisation soll geschwächt, die Abschreckung der Armee gestärkt werden.
So vage die Aufgabe formuliert ist, so wenig ist abzuschätzen, wann die Mission als erfüllt erklärt werden kann. Die Jagd auf die Kommandanten der Hamas-Brigaden dauert an. Auch eine Bodenoffensive wollen die Militärs nicht ausschließen. Vor vier Jahren starben 1.400 Palästinenser bei der Operation „Gegossenes Blei“ im Gazastreifen.
Hier gehe es nicht um „einmal kurz zuschlagen und Schluss“, kündigte Verteidigungsminister Ehud Barak noch am Mittwochabend an. Die Operation könne „eine ganze Weile“ in Anspruch nehmen. Das Sicherheitskabinett räumt der Armee den Einzug der Reservisten ein. „Alle Optionen sind offen“, so Erziehungsminister Gideon Saar. Entscheidend sei, wie sich „die andere Seite verhält“.
Hamas-Regierungschef mögliches Ziel
Transportminister Israel Katz warnte, dass auch Hamas-Regierungschef Ismail Hanijeh zum Ziel der israelischen Luftwaffe werden könnte. Hanijeh seinerseits appellierte an die Führung in Kairo, sich für ein Ende der Gewalt einzusetzen.
Ägyptens Präsident mobilisierte die internationale Gemeinschaft. Er telefonierte mit US-Präsident Barack Obama, UN-Generalsekretär Ban Ki Moon und berief die Arabische Liga zu einem außerordentlichen Treffen ein. Noch am Mittwoch beorderte er den Botschafter aus Tel Aviv zurück. Auch Bundesaußenminister Westerwelle appellierte: „Jetzt müssen alle einen Beitrag zur Deeskalation leisten.“ Die besorgten Kommentare tragen vorerst kaum Früchte.
Mit Flugblättern warnt die israelische Luftwaffe die Zivilbevölkerung vor Angriffen und ruft dazu auf, sich von Kämpfern und Einrichtungen der Hamas fernzuhalten. Die Hamas sei verantwortlich für die Gewalt in der Region, heißt es. Tausende Menschen begleiteten am Mittag die Beerdigung Ahmed al-Dschabaris. Den Tod der drei Israelis in Kirjat Malachi bejubelten Bewaffnete mit Gewehrschüssen.
Als eines der wenigen palästinensischen Blätter, die nicht nur Israel für die Gewaltwelle verantwortlich hält, ruft die Al-Hayat al-Jadidah zur nationalen Einheit auf. „Der geopolitische Rahmen der Hamas in Gaza erlaubt Israel mit Unterstützung der USA und ihren Verbündeten anzugreifen“, schreibt das Blatt. In Israel meldeten sich am zweiten Tag der Operation auch regierungskritische Stimmen zu Wort. Als „strategischen Fehler“ bezeichnet die Zeitung Haaretz die Exekution al-Dschabaris.
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