Islamist narrte BKA: Große Terrorwarnung war Verarsche

Im Herbst 2010 herrschte in ganz Deutschland Angst vor Anschlägen durch al-Qaida. Doch Terrorpläne hat es damals gar nicht gegeben, sagt nun die Bundesanwaltschaft.

Terror-Alarm: Im November 2010 standen an Bahnhöfen und Flughäfen in ganz Deutschland schwer bewaffnete Polizisten. Bild: dapd

BERLIN taz | Emrah E. aus Wuppertal hat Deutschland verarscht, und zwar in ganz großem Stil. So zumindest sieht es die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe, die nun vor dem Frankfurter Oberlandesgericht Anklage gegen den mutmaßlichen Al-Qaida-Terroristen erhoben hat.

Rückblende: Im November 2010 ruft Emrah E. aus dem pakistanisch-afghanischen Grenzgebiet beim Bundeskriminalamt (BKA) an und berichtet, dass in Deutschland Anschläge bevorstehen würden. Ein mögliches Ziel: das Reichstagsgebäude in Berlin. Die Folge sind massive Terrorwarnungen des damaligen Innenministers Thomas de Maizière (CDU). Wochenlang wird der Bundestag abgesperrt, auf Bahnhöfen patrouillieren Polizisten mit Maschinenpistolen.

Doch jetzt das: Die angeblichen Terrorpläne al-Qaidas soll es nie gegeben haben. In den Augen der Bundesanwaltschaft täuschte Emrah E. den deutschen Behörden nur vor, dass „Anschläge der Terrororganisation im Bundesgebiet unmittelbar bevorstünden“, so eine Mitteilung der Karlsruher Ankläger vom Montagnachmittag.

"Haben sie Angst?"

Warum Emrah E. die Deutschen so hinter die Fichte führte, ist unklar. Doch ein Zusammenhang mit dem Tod seines Bruders, dessen Zeuge er wurde, liegt nahe: Bünyamin E. starb wenige Wochen zuvor in Pakistan – als erstes deutsches Opfer einer US-Drohnen-Attacke.

Die Wirkung seiner Telefonate mit den deutschen Sicherheitsbehörden scheint Emrah E. jedenfalls genossen zu haben. „Was macht Deutschland? Haben sie viel Angst?“, fragte er nach taz-Informationen in einem abgehörten Gespräch nach Wuppertal.

Gleichwohl wird der 24-jährige Emrah E. nun nicht nur wegen „Vortäuschung von Straftaten“ angeklagt, sondern auch als Al-Qaida-Mitglied. Nach seiner Ausreise ins pakistanisch-afghanische Grenzgebiet habe sich der Wuppertaler im Mai 2010 der Terrorgruppe angeschlossen, so die Bundesanwaltschaft.

Die Gruppe habe ihm den Umgang mit Waffen beigebracht, und zumindest in einem Fall sei er an einem Angriff auf das pakistanische Militär beteiligt gewesen. Dabei sollen mehrere Soldaten getötet worden sein.

Von Pakistan nach Afrika

Doch nicht nur das Vortäuschen von Terrorabsichten und der Tod seines Bruders machen den Fall besonders: Emrah E. ist gleichzeitig als erster Deutscher überhaupt auch noch angeklagt, ein Mitglied der somalischen Al-Shabaab-Milizen gewesen zu sein. Im Januar 2011 hat er sich nach Überzeugung der Bundesanwaltschaft aus Pakistan davongemacht und schließlich am Horn von Afrika den Al-Shabaab angeschlossen.

Er soll als Kontaktmann für mögliche deutsche Rekruten fungiert haben, aber auch an einem Kampfeinsatz gegen äthiopische Soldaten beteiligt gewesen sein. Diese unterstützen die somalische Regierung gegen die Islamisten.

Im Juni 2012 wurde Emrah E. in Tansania festgenommen und eine Woche später nach Frankfurt am Main überstellt. Seitdem sitzt er in Untersuchungshaft.

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