Irrreführende Werbung: Sturm im Joghurtglas
Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) bezweifelt, dass probiotische Joghurts gesünder sind als andere. Die Industrie ist aufgebracht.
MÜNCHEN taz | "Actimel aktiviert Abwehrkräfte", heißt es in der TV-Werbung von Danone. Und auf der Internetseite des französischen Joghurt-Produzenten steht: "Activia kann dazu beitragen, eine träge Verdauung zu regulieren." Wer probiotische Joghurts löffelt, glaubt an diese Gesundheitsaussagen, schließlich beteuern die Hersteller, dass Studien ihre "Health Claims" untermauern.
Doch das sieht man bei der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) anders. Im Rahmen der "Health-Claims-Verordnung" haben die Lebensmittelwächter die Aussagen der Hersteller geprüft - und alle 300 eingereichten Anträge zu probiotischen Joghurts abgelehnt. Zur Begründung gab die EFSA teils formale Fehler an. Vor allem aber ließe die Qualität der vorgelegten Studien zu wünschen übrig.
Täglich werden in Deutschland etwa 1,6 Millionen Fläschchen Actimel getrunken. Damit ist der Trinkjoghurt Marktführer bei Probiotika. Auch Yakult, LC1 (Nestlé) und Emmi Benecol sind dick mit im Geschäft. Probiotische Bakterien werden auch Säuglingsnahrungen zugesetzt.
Die EU-Lebensmittelbehörde prüft seit 2007 rund 4.000 Anträge zu Gesundheitsaussagen, die die Industrie eingereicht hat. Die Health-Claims-Verordnung soll Verbraucher vor irreführender Werbung schützen. Mit einer endgültigen Bewertung rechnet man Ende 2011. Bis dahin gelten Übergangsfristen.
"Aktuell gibt es noch zu viele offene Punkte und Unklarheiten bei der Umsetzung der Verordnung", meint Marion Fürst, PR-Frau von Danone. Anfangs war zum Beispiel nicht klar, dass Humanstudien gefordert sind.
Darum hat der Joghurtkonzern vorsichtshalber seine Anträge zu Actimel und Activia im April 2010 zurückgezogen - eine Ablehnung gilt in der Branche als Stigmatisierung. Gerade die großen Firmen, die Unsummen in ihre Forschung stecken, wollen sich hierbei nicht blamieren. Bei Danone etwa verschlingt die Forschungsabteilung mit ihren 500 Wissenschaftlern jährlich rund 200 Millionen Euro.
Die Gemüter der Wirtschaftsbosse sind erregt. Schließlich sagen Marktforscher der Wellfood-Branche ein Wachstumspotenzial von bis zu 20 Prozent voraus. Die Blockadehaltung der EFSA ist da gar nicht willkommen.
Ioannis Misopoulos, Vorsitzender der International Probiotics Association (IPA), meint etwa, dass die Health-Claims-Verordnung ein "Jobkiller" sei. Chr. Hansen, größter Lebensmittel-Zulieferer in Europa, verzeichnet bereits einen leichten Rückgang der Probiotika-Verkäufe.
Laut dem Marktforschungsinstitut AC Nielsen sackte der Umsatz probiotischer Milchprodukte von Mitte 2009 bis Mitte 2010 um 15 Prozent ab. Dabei traf es zwar bislang nicht den Marktführer Danone, wohl aber die Firma Yakult. Dort verzeichnete man im letzten Jahr ein Umsatzminus von 10 Prozent.
Kleine Unternehmen beziehen probiotische Mixturen von großen Zuliefern. "Uns träfe eine Ablehnung der Health Claims für Probiotika auch finanziell", meint Barbara Steiner-Heinz von der Molkerei Berchtesgadener Land.
Trotzdem bleibt die EFSA bei ihrem Kurs: "Wir hören oft aus der Wirtschaft, dass wir zu streng sind, aber wir wollen einfach gute Wissenschaft", sagt Juliane Kleiner, die der Health-Claims-Arbeitsgruppe vorsteht. Auch Hannu Korhonen vom finnischen Forschungsinstitut MTT ist von der Verordnung überzeugt: "Nutzlose Produkte werden vom Markt genommen, und Produkte mit echtem Zusatznutzen erhalten Aufwind."
Bei Foodwatch fordert man indes eine radikale Abschaffung der Gesundheitsaussagen auf Lebensmitteln. Nur so könnten Verbraucher unbeeinflusst einkaufen.
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