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Transparenzmängel und IrreführungBrüssel verhängt Millionenstrafe gegen X

Die EU setzt ein Zeichen: Trotz deutlicher Warnungen der US-Regierung von Donald Trump geht sie gegen eine US-Plattform vor.

Mit Spannung wird nun erwartet, wie Musk auf die Strafe reagiert Foto: Evelyn Hockstein/reuters

dpa/taz | Die EU verhängt gegen Elon Musks Onlineplattform X wegen Transparenzmängeln eine Millionenstrafe. Die US-Firma müsse 120 Millionen Euro zahlen, unter anderem wegen einer irreführenden Authentifizierung von Nutzerkonten durch den weißen Verifizierungshaken auf blauem Grund, wie die zuständige EU-Kommission mitteilte. Sie wirft dem Twitter-Nachfolger auch vor, Forschern Daten vorzuenthalten und geschaltete Werbung nicht transparent zu dokumentieren.

Grundlage für die Entscheidung ist der Digital Services Act (DSA). Das umfangreiche Regelwerk gilt seit Februar 2024 und soll das scharfe Schwert gegen als gefährlich angesehene Praktiken von Tech-Riesen sein. Beschwerden von Nutzern sollen damit besser aufgegriffen, illegale Inhalte schneller entfernt und Kinder besser geschützt werden. Die nun verhängte Strafe ist die erste auf dieser Basis.

Halten sich die Onlineplattformen nicht an die Regeln, müssen sie mit Strafen rechnen: bis zu 6 Prozent des weltweiten Jahresumsatzes sind möglich. Die EU-Kommission kann auch tägliche Strafzahlungen verhängen, bis Probleme behoben sind. Kritiker halten der Behörde allerdings vor, diese Sanktionsmittel zu wenig zu nutzen.

Laut der EU-Kommission setzt sich die Strafe aus drei Teilen zusammen: 45 Millionen Euro für die Verifizierungshäkchen, 40 Millionen Euro für den fehlenden Datenzugang für Forscher und 35 Millionen Euro für fehlende Transparenz bei Werbung. Die Brüsseler Behörde argumentierte, dass die Art der Verifikation bei X für Nutzer irreführend sei. Sie könnten glauben, dass hinter den Konten mit den Häkchen echte, verifizierte Nutzer stehen – doch das sei nicht zwingend der Fall.

Die Geldbuße stehe in einem angemessenen Verhältnis zum Verstoß, betonte ein EU-Beamter. Der Jahresumsatz von Musks Firma spiele bei der Berechnung der Strafe keine direkte Rolle.

Musks X-Übernahme und der Haken

Schon vor Jahren hatten die Verifizierungshäkchen für Ärger gesorgt. Als X noch Twitter hieß, wurden die weißen Häkchen auf blauem Untergrund zur Verifizierung nach einer Prüfung durch das Unternehmen an Prominente, Politiker und Personen des öffentlichen Lebens vergeben. Das ist auch die gängige Praxis bei anderen Onlinediensten.

Musk führte hingegen nach der Übernahme im Herbst 2022 ein, dass zahlende Abo-Kunden Häkchen bekommen – wobei die Symbole genauso aussehen wie früher. Insbesondere unmittelbar nach der Umstellung gab es mehrfach Ärger, weil gefälschte Accounts von Unternehmen und Prominenten plötzlich echt wirkten.

Inzwischen heißt es auf der Webseite, dass neben einem Abo auch ein Benutzername und ein Profilfoto erforderlich seien. Außerdem dürfe es keine Anzeichen für betrügerisches oder irreführendes Verhalten geben. Auch gibt es inzwischen goldene Häkchen-Symbole für Unternehmen und silberne für Behörden und Regierungsorganisationen.

Zieht X vor Gericht? Wie reagiert Trump?

Mit Spannung wird nun erwartet, wie Musk auf die Strafe reagiert. Als die EU-Kommission im Juli 2024 ihre vorläufigen Ergebnisse in dem Fall präsentierte, reagierte er bei X mit Ironie: „Woher wissen wir, dass Sie echt sind?“, fragte er auf einen Post des damals zuständigen EU-Kommissar Thierry Breton hin.

Abgesehen von Musks öffentlicher Reaktion könnte es sein, dass X gegen die Entscheidung rechtlich vorgehen wird und der Fall letztendlich vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) landen könnte. Für die EU-Beamten ist dabei klar: Der erste DSA-Fall, der eine Strafe nach sich zieht, dürfe nicht vor Gericht verloren werden. Der Imageschaden wäre groß, hieß es in Brüssel. Zunächst hat das US-Unternehmen 60 Werktage Zeit, Anpassungen anzukündigen.

Die Entscheidung gegen X geschieht auch vor dem Hintergrund, dass Trump seit seinem erneuten Amtsantritt Druck auf Europa ausübt, mit dem Ziel, die Regeln für Tech-Konzerne zu schwächen. US-Vizepräsident JD Vance schrieb auf X, die EU solle die Meinungsfreiheit unterstützen, anstatt amerikanische Unternehmen „wegen Müll“ anzugreifen. US-Präsident Donald Trump hatte die europäischen Digitalgesetze in der Vergangenheit als wettbewerbsfeindlich kritisiert.

In ihrer am Donnerstagabend (Ortszeit) veröffentlichten Sicherheitsstrategie warnt die US-Regierung außerdem vor einem Verlust von Demokratie und Meinungsfreiheit in Europa. Demnach gebe es eine „Zensur der freien Meinungsäußerung“.

Gegenbeispiel Tiktok? EU-Verfahren eingestellt

Neben der Millionenstrafe für X verkündete die EU-Kommission zeitgleich, dass ein Verfahren gegen Tiktok eingestellt wurde. Die Videoplattform des Mutterkonzerns Bytedance mit Sitz in Peking war ebenfalls wegen intransparenter Werbung ins Visier von Brüssel geraten.

Der DSA verpflichtet Plattformen dazu, ein zugängliches und durchsuchbares Archiv der geschalteten Anzeigen zu führen. Die EU-Kommission argumentiert, diese Archive seien für Behörden, Forscher und die Zivilgesellschaft von entscheidender Bedeutung. Etwa um Betrugsversuche, Werbung für illegale oder nicht kindgerechte Produkte oder Desinformationskampagnen aufzudecken.

Nach intensiven Gesprächen habe Tiktok hierzu verbindliche Zusagen gemacht und räume damit die Vorwürfe der EU-Kommission aus, heißt es in einer Mitteilung der Brüsseler Behörde. Allerdings laufen auch gegen Tiktok weitere Verfahren. Etwa wegen des möglichen Einflusses, den die Videoplattform auf Kinder und Jugendliche oder auch demokratische Prozesse hat. Entscheidungen in diesen Verfahren stehen noch aus.

Der Plattform X könnten ebenfalls weitere Strafen drohen. So haben die europäischen Internetwächter X ebenfalls seit Dezember 2023 im Visier, weil die Plattform im Verdacht steht, nicht genug gegen illegale Inhalte oder Desinformation zu tun. Die Entscheidungen in diesen Untersuchungen stünden noch aus, hieß es von den EU-Beamten.

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