piwik no script img

Irans Präsident in New YorkMassenmörder bei Vollversammlung

Gilda Sahebi
Kommentar von Gilda Sahebi

Der iranische Präsident ist für Tausende Todesurteile verantwortlich. Während er die Bühne in New York betritt, kämpfen Iranerinnen für ihre Freiheit.

Der iranische Präsident Ibrahim Raissi am Montag auf dem Weg nach New York Foto: Vahid Salemi/ap

D ie Vereinten Nationen haben in ihrer Geschichte schon einigen Diktatoren eine Bühne zur Verfügung gestellt. Diese Woche ist es wieder so weit: Ebrahim Raissi, Präsident der Islamischen Republik Iran, darf vor der UN-Generalversammlung reden. Raissi kann getrost als mutmaßlicher Massenmörder bezeichnet werden. Im Jahr 1988 wurden Tausende Gefangene mit einem Schlag hingerichtet. Die genaue Zahl ist bis heute nicht bekannt. Amnesty International rechnet mit mindestens vier- bis fünftausend Toten.

Es gab keine Gerichtsverfahren, keine Prozesse, keine Gnade – das Todesurteil kam und wurde vollstreckt. Raissi war einer der Richter, die diese Todesurteile fällten. In einem Interview mit dem US-Sender CBS Anfang dieser Woche behauptete er, die Hingerichteten hätten strafrechtliche Prozesse bekommen. Und die Strafen seien für die Taten angemessen. Die Massenhinrichtungen von 1988 gehören zu den dunkelsten Kapiteln der iranischen Geschichte. Sie wurden nie aufgearbeitet.

Und niemand wurde zur Verantwortung gezogen. Während im Iran wieder Menschen protestieren, spricht Raissi in New York vor der UN-Vollversammlung. Erst am Freitag starb Mahsa (Zhina) Amini, eine 22-jährige Kurdin, die von der Sittenpolizei festgenommen wurde, weil sie ihr Kopftuch nicht den Regeln entsprechend fest um das Haar trug. Seit Samstag gibt es landesweit Proteste. F

Frauen nehmen ihren Hidschab ab, schneiden sich aus Solidarität die Haare ab und gehen mit vielen anderen Ira­ne­r*in­nen auf die Straßen – unter Lebensgefahr. Während Raissi in New York auf der Bühne steht, wehren sich diese mutigen Menschen gegen Willkür und Repression. Wenn sie das Gefühl haben, von der Weltgemeinschaft allein gelassen zu werden, haben sie recht. Jetzt ist es an der internationalen Gemeinschaft, an der freien Welt, sich zu solidarisieren. Mit Mahsa Amini. Und mit allen Iraner*innen, die für Freiheit kämpfen.

Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen

Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Gilda Sahebi
Ausgebildet als Ärztin und Politikwissenschaftlerin, dann den Weg in den Journalismus gefunden. Beschäftigt sich mit Rassismus, Antisemitismus, Medizin und Wissenschaft, Naher Osten.
Mehr zum Thema

2 Kommentare

 / 
  • Danke für Ihren Kommentar, Frau Sahebi.

    Das gleiche habe ich auch gedacht. Jetzt spricht ein Massenmörder vor der UNO.

    Doch schauen Sie sich einmal die Zusammensetzung der UNO an, dann wird es verständlich. Und es gilt: Ein Land, eine Stimme.

    In der Vergangenheit empfand ich die UNO als eine der größten Errungenschaften der Menschheit.

    Mittlerweile bin ich sehr kritisch.

  • Nicht nur bei der Vollversammlung.

    2021 wurde der Iran in die UN-Kommission für Frauenrechte gewählt.

    In dem Laden geht es öfter Mal nicht mit rechten Dingen zu.

    S.a. UN-Menschenrechtsrat.