Iranische Opposition: Stille Solidarität in Teheran
Keine Parolen: Zum ersten Mal seit der Niederschlagung der Bewegung im Jahr 2009 ist die iranische Opposition wieder auf der Straße - schweigend.
BERLIN taz | Hunderte von Demonstranten sind am Montag in der iranischen Hauptstadt Teheran einem Aufruf der beiden Oppositionspolitiker Mir Hossein Mussawi und Mehdi Karrubi zu einer Solidaritätsdemonstration mit den Aufständischen in Ägypten gefolgt. Auch in mehreren anderen Städten fanden Demonstrationen statt.
Bereits seit den frühen Morgenstunden hatten Polizei und Sicherheitskräfte wichtige Straßen und Plätze der Stadt unter Kontrolle genommen. Auch die U-Bahn-Zugänge wurden blockiert.
Schon Stunden vor der angekündigten Demonstration hatten sich in verschiedenen Teilen der Stadt Gruppen von Oppositionellen versammelt, deren Zahl immer weiter anstieg. Ab 15 Uhr Ortszeit setzten sie sich zum Meydan-e Asadi, dem Platz der Freiheit, in Bewegung. Wie von den Initiatoren geplant, trugen sie keine Transparente und riefen auch keine Parolen. Es sollte ein schweigender Protest werden. Im Laufe des Nachmittags kam es zu Auseinandersetzungen, als Polizisten mit Stöcken und Tränengas versuchten, die Demonstration aufzulösen. Das Regime hatte den Antrag der Opposition zu der Demonstration abgelehnt.
Vorbeugend wurde ab Samstag Mussawis Haus abgeriegelt. Der Website kalameh.com zufolge wurden sämtliche Kontaktmöglichkeiten von Mussawi und seiner Frau Sahra Rahnaward nach außen unterbunden. Selbst ihr Handy-Empfang sei gestört. "Es sieht so aus, als ob diese neuen Einschränkungen Mussawi und seine Frau daran hindern sollen, an der Kundgebung teilzunehmen", hieß es auf der Internetseite.
Bereits einige Tage zuvor war Karrubis Haus von Sicherheitskräften umstellt worden. Wie der oppositionelle Internetdienst, der Karrubi nahesteht, berichtete, durfte der frühere Parlamentspräsident bis einschließlich Montag keine Besuche empfangen. Selbst seine Söhne seien am Betreten des Hauses gehindert worden.
Am Vorabend der Demonstrationen waren in Teheran und anderen Großstädten tausende Menschen auf die Dächer ihrer Häuser gestiegen und hatten bis in die späte Nacht hinein "Allahu akbar!" (Gott ist groß) und "Nieder mit der Diktatur!" gerufen. Die Aktion erinnert an die Anfänge der Revolution von 1979, die schließlich zum Sturz des Schahs führt. Auch bei den Unruhen nach der umstrittenen Präsidentenwahl im Juni 2009 wurde diese Aktion wochenlang wiederholt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Pelicot-Prozess und Rape Culture
Der Vergewaltiger sind wir
Rechtsextreme Demo in Friedrichshain
Antifa, da geht noch was
Trendvokabel 2024
Gelebte Demutkratie
Berliner Kultur von Kürzungen bedroht
Was wird aus Berlin, wenn der kulturelle Humus vertrocknet?
Argentiniens Präsident Javier Milei
Schnell zum Italiener gemacht
Bundestagswahlkampf der Berliner Grünen
Vorwürfe gegen Parlamentarier