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Iran verstößt gegen AtomabkommenErnüchternde Signale aus Teheran

Führt Joe Biden die USA zurück ins Nuklearabkommen mit Iran? Neue Verstöße seitens Teheran machen dies immer unwahrscheinlicher.

IAEO-Chef Rafael Grossel mit Irans Außenminister Mohammed Dschawad im August in Teheran Foto: Vahid Salemi/ap

Berlin taz | Iran verstößt nach Darstellung der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEO) in Wien in verstärktem Maße gegen das Abkommen zur Beschränkung seines Nuklearprogramms auf zivile Zwecke, das Teheran 2015 mit den fünf ständigen Mitgliedstaaten des UNO-Sicherheitsrats und Deutschland vereinbart hatte. Das geht aus einem vertraulichen Bericht über das dritte Quartal 2020 hervor, den die IAEO Mitte dieser Woche an die Regierungen ihrer 143 Mitgliedstaaten übermittelt hat.

Damit sinken zunächst die Chancen, dass die USA dem Abkommen wieder beitreten, nachdem das Land 2018 unter Donald Trump ausgetreten war. Trumps Nachfolger Joe Biden hatte im Wahlkampf einen Wiedereintritt nicht ausgeschlossen.

Laut IAEO hat Iran während des dritten Quartals 2020 erstens fortgeschrittene Zentrifugen zur Anreicherung von Uran in der unterirdischen Nuklearanlage Natans installiert. Das Nuklearabkommen erlaubt jedoch nur die Installation älterer, weniger leistungsfähiger Zentrifungen in unterirdischen Anlagen.

Teheran hatte die IAEO im August über die geplante Verlagerung der leistungsfähigerer Zentrifugen aus einem überirdischen Werk in die Anlage in Natans informiert, die gegen Luftangriffe geschützt ist. Im Juli war eine überirdische Anlage niedergebrannt, was Teheran auf Sabotage zurückführte.

Obergrenzen nicht eingehalten

Zweitens hat Iran laut IAEO seine Vorräte an niedrig angereichertem Uran (bis 3,67 Prozent) im dritten Quartal 2020 um 337,5 Kilogramm auf 2.442,9 Kilogramm erhöht. Das ist mehr als das Zwölffache der im Abkommen erlaubten Menge von 202,8 Kilogramm.

Satellitenaufnahme der Nuklearanlage Natans Foto: Maxar Technologies/reuters

Drittens hat Teheran eine im IAEO-Bericht nicht genauer bezifferte Menge Uran über die erlaubte Grenze hinaus auf bis zu 4,5 Prozent angereichert. Die im Nuklearabkommen vereinbarte Obergrenze von 3,67 Prozent reicht aus für die Herstellung von Brennstäben für Atomkraftwerke zur Energieversorgung. Auf bis zu 20 Prozent angereichertes Uran wird für medizinische Zwecke benötigt. Um Spaltmaterial für Waffen zu erhalten, muss Uran auf rund 90 Prozent anreichert werden.

Auch die Verletzung der Obergrenzen für Anreicherung und Vorratsmenge hatte Teheran angekündigt, nachdem die Trump-Administration über ihren Austritt aus den Abkommen hinaus massive Wirtschaftssanktionen nicht nur gegen Iran verhängt hatte, sondern auch sogenannte Sekundärsanktionen gegen Unternehmen und Finanzinstitute in Drittländern.

Zugleich bekräftigt die iranische Führung bis heute ihr grundsätzliches Festhalten am Abkommen, pocht aber auf die Einhaltung der vertraglichen Zusagen für den unbeschränkten Zugang Irans zum Weltölmarkt sowie zu internationalen Finanzdienstleistungen.

Mit ihren kalkulierten und schrittweisen Verstößen wollte Teheran die anderen Vertragsstaaten – Frankreich, Großbritannien, Deutschland, Russland und China – bewegen, sich an die vertraglichen Zusagen zu halten und sie auch trotz des Drucks der USA umzusetzen. Dieses Kalkül ist aber nicht aufgegangen: Allein in den vergangenen fünf Monaten schrumpften die iranischen Ölexporte von 2,8 Millionen Barrel täglich auf unter 500.000.

Unterstützung für erweiterten Iran-Deal aus Berlin

US-Außenminister Mike Pompeo kündigte am Dienstag eine weitere Verschärfung der Sanktionen an, die auch über Bidens Amtseinführung hinaus „Bestand haben“ würde. Biden hatte eine Rückkehr zu dem Abkommen für möglich erklärt, unter der Bedingung, dass Teheran sich wieder an alle Bestimmungen hält.

Die Führung in Teheran forderte in einer Reaktion auf Bidens Wahlsieg hingegen, dass zunächst die USA sämtliche „illegalen“ Sanktionen aufheben und zu dem Abkommen zurückkehren. Zudem lehnt sie die Forderung der Trump-Administration ab, das Abkommen um ein Verbot konventioneller ballistischer Raketen zu erweitern. Für diese Forderung gibt es auch Unterstützung unter US-Demokraten. Auch Bundesaußenminister Heiko Maas hat sich „offen“ gezeigt für diese Forderung.

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9 Kommentare

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  • 8G
    83379 (Profil gelöscht)

    Hab meine Master-arbeit über den Deal geschrieben bin gespannt wie sich die Sache entwickelt.

  • Mal sehen, ob es den Europäern gelingt, trotz alledem, vielleicht wieder mithilfe eines Micky-Maus-Mechanismus Handel mit den Islamfaschisten zu treiben.

  • Es gibt aktuell de facto kein Atomabkommen, da die Partei USA es gekündigt hat und die anderen Parteien vor den Sanktionen der USA kuschen.

    Damit ist das Abkommen tot.

    • @J_CGN:

      Du hast recht! Was erwarten wir vom Iran, wenn der wichtigste Player aussteigt und das einzige mit was die Mullahs zu rechnen haben, ein Luftschlag der USA ist.

  • Der Iran hat das Atomabkommen als Reaktion auf den Ausstieg der USA verletzt. Dank der sehr harten US-Sanktionen gibt es für den Iran schlicht und ergreifend keinen Vorteil, wenn er sich an das Abkommen hält. Somit werden die USA den ersten Schritt gehen müssen, indem sie in das Abkommen wieder einsteigen, erst dann kann erwartet werden, dass der Iran sich an das Abkommen hält. Das Abkommen zeigt übrigens auch, wie politisch unwichtig die Europäer momentan in der Welt sind.

    • @Luftfahrer:

      Der Iran wird sich aber überlegen, ob er sich nochmal auf ein Abkommen einlässt. Schließlich kann in 4 Jahren wieder alles ganz anders sein...

  • Das Atomabkommen wurde von den USA gebrochen. Das kann man nicht rückgängig machen.

    • @warum_denkt_keiner_nach?:

      Eine (im Vertrag übrigens vorgesehene) Kündigung ist kein Bruch, und natürlich kann man das „rückgängig“ machen, in dem man den Vertrag wieder in Kraft setzt, bzw. die USA wieder beitreten - das erfordert allerdings auch, dass der Iran das Material, das nach (noch bestehendem Vertrag mit den Europäern) nicht erlaubt ist abgibt und wieder Inspektionen aller Anlagen zulässt. Tatsächlich befindet sich nur der Iran im tatsächlichen Bruch mit dem Abkommen.

      Das grundlegende Problem ist allerdings die fehlende Vertragstreue der USA über mehrer Administrationen hinweg, und dieses Vertrauen wird schwer wieder herzustellen sein - warum sollte überhaupt jemand langfristig mit den USA Verträge abschließen, wenn diese mit Regierungswechseln gekündigt werden? Das ist ein Problem, das weit über den Iran hinausweist, sie Pariser Abkommen, NATO, etc.



      Verlässlichkeit und Berechenbarkeit ist die Währung, die in und für die USA zusammengebrochen ist. So isoliert man sich - was Russland und China natürlich freut, weshalb deren Unterstützung für Trump auch leicht zu erklären ist.

      • @hup:

        Wenn die Kündigung mit Lügen begründet wird, kann man durchaus von einem Bruch sprechen. Und natürlich kann man das auch nicht rückgängig machen. Mit einem Land, dass alle 4 Jahre sagt, ob es noch Lust hat, einen Vertrag einzuhalten, will man keinen Vertrag haben.