Bidens Team für die US-Außenpolitik: Sie sind wieder da
Die außenpolitische Personalwahl des kommenden US-Präsidenten Joe Biden steht für Multilateralismus – und knüpft an den Kurs Obamas und Clintons an.
Nach übereinstimmenden Medienberichten soll Antony Blinken Außenminister werden, Jake Sullivan wird Nationaler Sicherheitsberater und die prominente Schwarze Diplomatin Linda Thomas-Greenfield soll den Posten der UN-Botschafterin übernehmen. Alle drei verfügen über langjährige Erfahrung in der Außenpolitik.
Der 58jährige Antony Blinken ist mit Biden seit über zwei Jahrzehnten eng verbunden. Seine außen- und sicherheitspolitische Karriere begann in den 1990er-Jahren als Mitarbeiter im Nationalen Sicherheitsrat des damaligen Präsidenten Bill Clinton. Während der Amtszeit von George W. Bush diente er dem außenpolitischen Ausschuss des US-Senats, dessen damaliger Vorsitzender Joe Biden war.
Als Biden unter Barack Obama zum Vizepräsidenten gewählt wurde, stieg Blinken zum stellvertretenden Vorsitzenden des Nationalen Sicherheitsrates auf, später zum stellvertretenden Außenminister.
Architekt des Atomabkommens
Blinken gilt als überzeugter Multilateralist. Gemeinsam mit Sullivan war er einer der US-amerikanischen Architekten des Atomabkommens mit dem Iran, das Donald Trump einseitig aufkündigte und in das wieder einzutreten Joe Biden angekündigt hat.
Allerdings war er auch an den beiden außenpolitischen Entscheidungen beteiligt, die Obamas Präsidentschaft am stärksten auf die Probe gestellt haben: Er unterstützte die militärische Intervention in Libyen, die zum Sturz des früheren Diktators Muammar el-Gaddafi führte – und die Obama selbst später als den größten außenpolitischen Fehler seiner Präsidentschaft bezeichnete.
Und er war auch an dem Zickzack-Kurs Obamas in Bezug auf Syrien beteiligt: Obama hatte angekündigt, der Einsatz von Giftgas von Seiten des syrischen Regimes von Baschar al-Assad stelle für die US-Regierung eine rote Linie dar, deren Überschreitung ernste Konsequenzen haben würde.
Als genau das dann aber mehrfach geschah, wich Obama zurück, überließ die Entscheidung dem Kongress und war sichtlich erleichtert, als Assad mit russischer Vermittlung einer Auflösung der syrischen Giftgasbestände zustimmte – auch wenn das nicht zu einem Ende der Angriffe führte. Blinken soll damals für einen größeren militärischen Einsatz der USA plädiert haben, verteidigte dann aber öffentlich Obamas Vorgehen.
Prägende Jahre in Paris
Allgemein wird Blinken – ähnlich wie Obamas damaliger Beraterin und späteren UN-Botschafterin Semantha Power – eine Neigung zu militärischer Intervention nach dem Prinzip der Schutzverantwortung („responsability to protect“) nachgesagt.
Blinken gilt nicht als Ideologe, aber die enge Verbindung zu seinem damals in Paris lebenden Stiefvater, einem Anwalt und Holocaust-Überlebenden soll ihn sehr geprägt haben. Dieser hatte dem jungen Blinken viel über seine KZ-Haft erzählt, als Blinken mit seiner Mutter nach deren Scheidung in Paris beim neuen Partner der Mutter lebte.
Wie Blinken, sind auch Sullivan und Linda Thomas-Greenfield keine Quereinsteiger*innen, wie sie Donald Trumps Präsidentschaft auch in der Außenpolitik prägten, sondern lang gediente Außenpolitiker*innen.
Sie stehen für Bidens Vorhaben, die unter Trump in vollkommene Schieflage geratenen Beziehungen zu den US-Verbündeten in Europa und der Nato zu reparieren und den Ausstieg aus internationalen Institutionen und Abkommen rückgängig zu machen.
Aufatmen in Europa
Sie müssen ihre jeweiligen Counterparts nicht erst kennenlernen, haben die Abkommen zum Teil selbst verhandelt und verkörpern den langjährigen Mainstream US-amerikanischer Außenpolitik. Die diplomatischen Corps in Europa dürften nach der Unberechenbarkeit der Trump-Ära aufatmen.
Sullivan, der 2008 zunächst in Hillary Clintons Wahlkampfteam als Berater gedient hatte, als sie sich um die demokratische Präsidentschaftskandidatur bewarb, half dann Obama bei der Vorbereitung der Debatten gegen seinen damaligen Konkurrenten John McCain.
In der Regierung diente er als stellvertretender Stabschef für Außenministerin Clinton, dann als Nationaler Sicherheitsberater des Vize-Präsidenten Joe Biden. 2016 war er außenpolitischer Chefberater der Kandidatin Clinton – nach der verlorenen Wahl nahm er einen Lehrauftrag an der Yale University an.
Linda Thomas-Greenfield hat sich ebenfalls in der Obama-Regierung einen Namen als Diplomatin gemacht. Von 2008 bis 2012 war sie Obamas Botschafterin in Liberia, dann bis zum Ende von Obamas Präsidentschaft Staatssekretärin im Außenministerium für Afrika-Angelegenheiten. Sie gilt als eine der profiliertesten Schwarzen Diplomatinnen in Washington. Trump entließ sie kurz nach seiner Amtsübernahme.
Unter Biden soll dem Vernehmen nach der Posten der UN-Botschafterin auch wieder mit Kabinettsrang ausgestattet werden – diese Einstufung hatte Trump 2018 abgeschafft, als seine UN-Botschafterin Nikki Haley aus dem Amt schied.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Geschasste UN-Sonderberaterin
Sie weigerte sich, Israel „Genozid“ vorzuwerfen
Prognose zu Zielen für Verkehrswende
2030 werden vier Millionen E-Autos fehlen
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins
Mord an UnitedHealthcare-CEO in New York
Mörder-Model Mangione
Partei stellt Wahlprogramm vor
Linke will Lebenshaltungskosten für viele senken
Vertrauensfrage von Scholz
Der AfD ist nicht zu trauen