Irakkriegsfolgen in den USA: Die Veteranen
Danke. Das hören die US-amerikanischen Veteranen immer mal wieder. Doch jenseits dieser Privilegien sind sie mit sich und ihren Kriegstraumata allein.
WASHINGTON taz | „Thank you for your service.“ Dieses demonstrativ laut vorgetragene „Danke“, das Mitte des letzten Jahrzehnts in Mode kam, hören US-SoldatInnen in Uniform auch heute noch gelegentlich an der Heimatfront. Und VeteranInnen werden in den Flughäfen der USA weiterhin als Erste in der Maschine gehen – oder humpeln, wenn sie eine oder mehrere Extremitäten im „Krieg gegen den Terror“ gelassen haben.
Doch jenseits dieser Privilegien, sind die eine Million jungen US-AmerikanerInnen, die seit 2003 im Irak gekämpft haben und von denen viele zwei, drei und vier Mal zum Einsatz in dem Kriegsgebiet waren, mit sich und ihren Kriegstraumata allein.
„Mein Mann ist körperlich an einem Stück zurückgekommen“, sagt Tammara Rosenleaf. Nach Kriegsende musste ihr 34-jährigen Mann Sean Hefflin „nur“ mehrere Fußoperationen über sich ergehen lassen. Sein größtes Problem ist unsichtbar: Sein Kurzzeitgedächtnis hat Schaden genommen, er kann sich nicht erinnern, kann keine Entscheidungen fällen, kann keine komplizierten Aufgaben erledigen.
„Ich hatte einen Partner“, sagt Tammara Rosenleaf, „jetzt habe ich ein abhängiges Kind.“ Aber eine Diagnose und erst recht eine Entschädigung steht immer noch aus. Das „VA“ – wie diese zweitgrößte Abteilung der US-Regierung mit Krankenhäusern und Rentenbehörden überall im Land heißt – ist überfordert von der Wucht Hunderttausender von Anträgen. Die Wartezeiten betragen je nach Bundesstaat mehr als zwei Jahre. Die durch jahrelange Betreuung ihres Mannes erschöpfte Tammara Rosenleaf sagt bitter: „Er ist nicht ihr Problem. Er ist meines.“
33.183 US-Soldaten schwer verletzt
Wie schwer die Last der VeteranInnen ist, kristallisiert sich erst ganz allmählich heraus. Relativ offensichtlich ist, dass 33.183 US-SoldatInnen mit schweren Kriegsverletzungen aus dem Irak zurückkamen. Doch hinzu kommen mindestens 200.000 Irak-VeteranInnen, die schon jetzt nachweislich am Posttraumatischen Stresssyndrom (PTSD) leiden.
Die Dunkelziffer dieses Schädeltraumas dürfte nach Ansicht von ExpertInnen ein Vielfaches höher sein, denn die Krankheit bricht oft erst nach jahrelanger Latenz aus. Zunehmend drückt sich die Not der VeteranInnen in Selbstmorden aus. Schon in den Reihen der aktiven US-SoldatInnen liegt die Selbstmordrate bei rund einem pro Tag und ist damit höher als die Zahl jener, die bei Kampfhandlungen umkommen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Juso-Chef über Bundestagswahlkampf
„Das ist unsere Bedingung“
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestellerautor will in den Bundestag
Nukleare Drohungen
Angst ist ein lautes Gefühl
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Eine ganz normale Woche in Deutschland