Investitionsstau bei Kliniken: „Alte Bauten sind des Teufels“

Der Kieler Landtag hat sich für ein Krankenhaus-Investitionsprogramm entschieden. Nur bei einer Frage waren die Abgeordneten uneins: Wer zahlt?

Wie die Helios-Klinik in Schleswig sollen auch andere Krankenhäuser saniert werden Foto: dpa

KIEL taz | In Kiel muss die baufällige Klinikwäscherei abgerissen werden, im nordfriesischen Niebüll bringen fehlende Investitionen das örtliche Krankenhaus in Schwierigkeiten und in Schleswig haben allein zwei Dutzend Ärzte gekündigt, weil ihnen die Arbeitsbelastung in dem altertümlichen Gebäude zu groß war. Seit Jahren klagen die Kliniken in Schleswig-Holstein, dass sie zu wenig Geld bekommen, um zu investieren. Die Summe aller offenen Anträge beläuft sich auf rund 554 Millionen Euro.

Am Donnerstag hat der Landtag in Kiel nun ein Gesetz beschlossen, um diesen Investitionsstau schnell aufzulösen. Gestritten wurde vor allem über eine Frage: Müssen Kreise und Städte genauso viel zahlen wie das Land?

Ja, sagt das Regierungslager aus SPD, Grünen und SSW. Und entsprechend beschloss die Landtagsmehrheit, dass sich die Kommunen am Investitionsprogramm „Impuls“ zur Hälfte beteiligen müssen. „Land, Kreise und Städte haben gemeinsam zu wenig in den Topf eingezahlt. Nun müssen alle die Last auch gemeinsam schultern“, sagte die Staatssekretärin im Gesundheitsministerium, Annette Langner (SPD), jüngst bei der Einweihungsfeier des neuen Krankenhauses in Schleswig. Und in der gestrigen Landtagsdebatte machte Ministerin Kristin Alheit (SDP) klar: „Krankenversorgung ist keine freiwillige Leistung, sondern eine kommunale Pflichtaufgabe.“

Widerspruch kommt von der Opposition und den kommunalen Gremien: „Es fehlt uns nicht an Willen, sondern an den Mitteln“, sagte der Landrat des Kreises Schleswig-Flensburg, Wolfgang Buschmann. „Es geht hier um ein Sonderprogramm. Und nur weil das Land sich das gerade leisten kann, können die Kommunen das noch lang nicht“, sagte Torge Schmidt (Piraten). Die Verpflichtung, die Hälfte aller Kosten zu tragen, sei „ein starker Eingriff in die kommunale Selbstverwaltung“.

An 113 Standorten in Schleswig-Holstein gibt es derzeit Krankenhäuser und Tageskliniken für die Basisversorgung, hinzu kommen Fachkrankenhäuser.

Im Bundesvergleich steht Schleswig-Holstein damit laut Angabe des Ersatzkassenverbandes VDEK an zweiter Stelle hinter Nordrhein-Westfalen und deutlich über dem Bundesschnitt, der bei unter 250 Krankenhäusern pro zehn Millionen Menschen liegt. Rechnerisch wären es in Schleswig-Holstein 291 Häuser. Niedersachsen liegt etwa beim Bundesschnitt.

Die Krankenhäuser ballen sich in Schleswig-Holstein um die Großstädte und am Hamburger Rand. Im ländlichen Nordfriesland wurde dagegen jüngst die Klinik in Tönning geschlossen.

Rund 45 Prozent der Häuser sind in privater, 19 in kommunaler und 37 in frei gemeinnütziger Trägerschaft. Allerdings sind die kommunalen Häuser größer: In ihnen stehen knapp 44 Prozent der Betten.

Die Erlöse aller Krankenhäuser im Land betrugen 2015 1,9 Milliarden Euro.

Die öffentlichen Investitionen sind seit 2008 kontinuierlich gesunken.

Der Betrieb eines Krankenhauses wird durch die Pauschalen gedeckt, die die Krankenkassen für die Behandlungen zahlen. Die Investitionen aber, seien es Neubauten oder die Renovierung von Operationssälen oder Patientenzimmern, trägt die öffentliche Hand. Das Verhältnis zwischen Land und Kommunen kann das Land gesetzlich regeln. Klinikbetreiber müssen nicht investieren, sie tun es aber meist freiwillig, um den Standard zu erhöhen.

Wie genau sich am Ende die Fördersumme aufteilt, „ist uns eigentlich völlig egal“, sagte Bernd Krämer, Geschäftsführer der Kranken­hausgesellschaft Schleswig-Holstein, der taz. „Hauptsache, das Geld fließt endlich.“ Für die Träger, egal ob private Medizinunternehmen oder Kommunen, seien die baulichen Maßnahmen von höchster Bedeutung: „Veraltete Bauten sind des Teufels, weil sie längere Wege, damit mehr Personal und höhere Kosten verursachen.“

Seit Jahren debattiert die Politik über marode Kliniken, seit Jahren sinkt die Förderung. 2008 betrug die Investitionsquote 5,5 Prozent des Gesamtumsatzes im Krankenhausbereich, 2015 waren es 3,5 Prozent. Durch das „Impuls“-Programm, bei dem Land und Kommunen je 75 Millionen Euro in den Fördertopf werfen, stiege die Investitionsquote auf knapp 10 Prozent.

Armin Tank vom Ersatzkassenverband wünscht sich zwar eine Quote von zehn Prozent, dennoch ist die Aufstockung „ein Schritt in die richtige Richtung“. Denn zurzeit werden dringende Sanierungen aus den Krankenkassenmitteln bezahlt, die eigentlich für die Behandlung eingesetzt werden sollten. „Das ist Zweckentfremdung der Mittel“, sagte Florian Unger, Sprecher des Ersatzkassenverbandes.

Heiner Garg (FDP) wies auf ein grundsätzliches Problem hin: Das Versprechen einer „wohnortnahen Versorgung“, das die Regierungsfraktionen gaben, sei nicht zu halten. Wichtiger als „Dorfkrankenhäuser“ zu halten, sei, die Erreichbarkeit zu garantieren. Marret Bohn (Grüne) nannte das polemisch. Das Investitionsprogramm ermögliche, Standorte zu halten und Kliniken zu bauen.

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