Interview mit Umweltchef des Flughafens: "Grünkohl funktioniert wie eine technische Messanlage"

Die Umweltbelastungen durchs Fliegen lässt Jochen Heimberg von Bienen und Pflanzen testen. Zudem hofft der Umweltchef des Flughafens auf den technischen Fortschritt

Die Flughäfen können beeinflussen, ob bei ihnen eher laute oder eher leise Maschinen landen. Bild: apd/ap, Roberto Pfeil

41, leitet seit 2010 die Stabsstelle Umwelt des Flughafen Schönefeld. Zuvor war er Sprecher des Bundesamts für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit. Beim Bundesverband des Naturschutzbundes Nabu war Heimberg fünf Jahre zuständig für Öffentlichkeitsarbeit und Kampagnen. Der studierte Landschaftsarchitekt wohnt mit seiner Familie in Bohnsdorf.

taz: Herr Heimberg, früher haben Sie die Öffentlichkeitsarbeit für den Naturschutzbund Nabu gemanagt, heute leiten Sie die Umweltabteilung des Flughafens BER. Sind Sie vom Paulus zum Saulus geworden?

Jochen Heimberg: Das sehe ich nicht so. Der Flughafen ist eine große Infrastruktur-Einrichtung, die man wie andere Projekte gut oder weniger gut betreiben kann. Und mein Ziel ist natürlich, dass wir das hier sehr gut machen. Der Flughafen ist ja letztlich wie eine kleine Stadt, wir produzieren Energie, hier fällt Abfall an, es geht um Verkehrsmanagement. Umweltaspekte sollen hier möglichst optimal ablaufen, und dazu möchte ich beitragen.

Sie sind jetzt ein gutes Jahr dabei. Was haben Sie bewirkt?

Die letzten Monate standen im Zeichen des Baus. Wir haben mit dem Terminal einen energetisch sehr modernen Flughafen, wir haben ein eigenes Blockheizkraftwerk, das Strom erzeugt und auch Wärme beziehungsweise Kälte. Die Grundwärme und Kühlung des Terminals kommt aus der Erdwärme. Es ist also nicht so, dass ich hier ein unbestelltes Feld übernommen hätte.

Und was haben Sie angestoßen?

Zunächst haben wir uns auf die Luftgütemessung konzentriert. Wir haben eine Luftgütemessstelle am Ende der Nordbahn, die seit dem Sommer im Probebetrieb läuft. Wir machen zusätzlich Bienenmonitoring; wir untersuchen dabei Honig auf Rückstände, aber auch Waben und Pollen. Ein Stock steht am Ende der Nordbahn, in Waßmannsdorf, einer in Rangsdorf. Letzteren haben wir als Referenzstock, so weit fliegen die Bienen ja nicht.

Was kam bei dem Monitoring heraus?

Die Ergebnisse kommen im Frühjahr 2012. Wir haben das extra schon vor der Eröffnung des neuen Flughafens gemacht, um später Veränderungen dokumentieren zu können.

Leiden Bienen unter Fluglärm?

Das weiß ich nicht. Beim Bienenmonitoring geht es um Schadstoffe. Bei Vögeln gibt es Untersuchungen, sie gewöhnen sich wohl relativ schnell an Fluglärm.

Was hat es mit dem Grünkohlmonitoring auf sich?

Das ist ein standardisiertes Verfahren ebenfalls zur Schadstoffmessung. Grünkohl funktioniert wie eine technische Messanlage. Er wird angezogen auf Ständern, wir haben zehn Standorte im Umland. Grünkohl neigt dazu, Schadstoffe zu sammeln und zu speichern. Zum Messen ist das von Vorteil. Die Aussagekraft ist oft höher, als wenn ich eine technische Messanlage habe. Denn so weiß ich, welche Stoffe in dem Lebensmittel stecken, das ich später esse.

Was können Sie denn tun, wenn Sie überdurchschnittlich viele Schadstoffe im Honig und im Grünkohl finden?

Das müssten wir uns dann anschauen. Wir arbeiten an Regelungen, die die Nutzung von Hilfstriebwerken der Flugzeuge beschränken. Wo wir sicherlich noch Verbesserungen erreichen können, ist bei den Fahrzeugen und Generatoren, die hier auf der Baustelle und später auf dem Flughafen herumfahren. Das greift aber schon in den operativen Bereich des Flughafens, solche Maßnahmen verfolgen wir unabhängig von den Monitoring-Ergebnissen.

Gibt es überhaupt eine Möglichkeit für den Flughafen, positive ökologische Signale zu senden und nicht nur Negatives so weit wie möglich zu begrenzen?

Ein 0-Energie-Terminal ist leider sehr schwer vorstellbar, denn er benötigt sehr viel Strom und Wärme. Auch das Beheizen von Hangars ist kompliziert, da macht man einmal die Tore für ein Flugzeug auf, und schon ist die Wärme draußen. Aber ein bisschen heizen muss man eben doch, weil ja Menschen in den Hangars arbeiten. Denkbar ist zum Beispiel, dass die Gebäude für die zukünftigen Satellitenterminals mit modernen Energiesystmen ausgestattet werden.

Welche Satelliten?

Uns sind zwei weitere Terminals genehmigt worden, sollte die Kapazität des jetzt im Bau befindlichen Terminals nicht mehr ausreichen. Es wären zwei versetzte Gebäuderiegel westlich des Hauptterminals.

Was ist denn mit Kerosineinträgen im Boden?

Es gibt Altlasten aus DDR-Zeiten, die derzeit saniert werden. Für die Zukunft kann ich das ausschließen. Wir haben ganz neue Tankanlagen. In Tegel finden schon lange Altlasten- und Trinkwassermonitoring statt. Tegel ist ja ein sehr alter Standort, lange waren dort die Alliierten. Der Umgang mit den dort bekannten Altlasten ist mit dem Land Berlin geregelt worden.

Was hat es eigentlich mit der Diskussion über angeblichen Kerosin-Regen auf sich?

Das ist ein Ammenmärchen. Es gab in den vergangenen fünf Jahren einen einzigen Fall in Berlin/Brandenburg, in dem Kerosin in der Luft abgelassen werden musste, weil eine Maschine technische Schwierigkeiten hatte. Im Übrigen verflüchtigt sich Kerosin sehr schnell, es kommt also nicht auf dem Boden an. Von Kerosinregen oder Kerosinnebel kann nicht die Rede sein.

Woher kommt das Kerosin für die Maschinen?

Aus der Region. In Schwedt steht eine große Raffinerie, von dort kommt es mit Tankzügen.

Gehen Umweltstrategien so weit, Wohngebäude in der Nähe zu bauen für die erwarteten Arbeitskräfte?

Für die Klimabilanz wäre es natürlich positiv, wenn unsere Mitarbeiter und Dienstleister in der Umgebung wohnen. Wir werden ihnen aber nicht vorschreiben können, wo sie zu wohnen haben.

Wie kommen Sie zur Arbeit?

Ich fahre mit dem Rad aus Bohnsdorf, wann immer es möglich ist. Im Winter nehme ich auch mal das Auto.

Sie wohnen in Bohnsdorf im Prinzip in der Einflugschneise. Keine Angst vor übermäßigem Krach?

Ich höre die Flugzeuge schon. Angst habe ich nicht. Ich glaube, ich habe eine relativ realistische Einschätzung über die zu erwartenden Lautstärken.

Sie haben im Sommer Ihre Lärmmessungen ausgeweitet, etwa auf den Schwielowsee, wo die Menschen unerträgliche Lebensbedingungen befürchten. Was kam dabei heraus?

Es entsteht schon Lärm, aber einer, der sich sehr an den Umgebungslärm annähert. Man muss schon aufpassen, dass die Vögel dann nicht lauter sind als die Flugzeuge. Es ist nicht mit dem vergleichbar, was im Flughafenumfeld zu hören ist. Übrigens kann man in der Langzeitbeobachtung sehr gut verfolgen, dass Flugzeuge insgesamt leiser werden. Es gab in Tegel 2006 noch 1.746 Flugzeuge der Lärmklasse 5, die in der Luft so laut sind, wie wenn man am Straßenrand einer Hauptstraße steht. Im vergangenen Jahr waren es 27 Prozent weniger. In Schönefeld waren es gar 75 Prozent weniger in dieser Klasse. Die Tendenz ist also: Die Flugzeuge, die die Beschwerden verursachen, werden weniger - und das bei steigendem Verkehrsaufkommen. Denn die leiseren Flugzeuge, und das sage ich als Bohnsdorfer, die hören Sie zwar, sie stören aber nicht in dem Maße.

Was machen Sie eigentlich, wenn alles gemessen und in die Wege geleitet ist?

Oh, es gibt dann sicher neue Techniken, die es auszuprobieren gilt. Denken Sie an unseren Fuhrpark: Noch ist der nicht mit alternativen Antrieben wie Elektromotoren ausgestattet, aber da wollen wir vorne mit dabei sein.

Können Sie als Umweltvertreter des Flughafens einen Ausbau mittragen, wie er jetzt im Koalitionsvertrag zwischen SPD und CDU festgeschrieben werden soll?

Wenn der Bedarf da ist, viele Leute Berlin besuchen wollen, es der Stadt gut geht, dann wird auch die Zahl der Passagiere wachsen, und der Flughafen wird sich daran anpassen. Aber wir haben ja Kapazitäten, wir haben ein Terminal, das genehmigt ist, und zwei ebenfalls genehmigte Satelliten, damit können wir bis zu 45 Millionen Passagiere im Jahr abfertigen. Derzeit haben wir 22 Millionen! Wir freuen uns, wenn wir kontinuierlich wachsen, wir haben viel Luft nach oben.

Wie kritisch sehen Sie solches Wachstum?

Ich will niemandem vorschreiben, wie er zu reisen oder Dienstfahrten zu tätigen hat. Unsere Aufgabe ist es, den Flugbetrieb möglichst verträglich fürs Umland zu gestalten. Wir werden uns zum Beispiel die Lärmklassen für Flugzeuge noch einmal anschauen …

also die Gebührenordnungen für Flugzeuge je nachdem, wie laut sie sind …

… und wollen gegebenenfalls mehr Lärmklassen einführen. Wir wollen uns den Betrieb nach der Eröffnung anschauen und ganz laute Maschinen möglichst rausfiltern, immerhin sind wir ein stadtnaher Flughafen. Das geht natürlich nur im Dialog mit den Fluggesellschaften.

Spüren Sie bei Gesprächen mit den Unternehmen allgemein eine Bereitschaft, sich solcher Themen anzunehmen - oder rollen die beim Thema Umwelt nur mit den Augen? Ich denke da zum Beispiel an Billigflieger wie Ryanair.

Ich will gar nicht auf Ryanair schimpfen, weil gerade die Low-Cost-Carrier die sind, die sehr modernes Fluggerät einsetzen, das am meisten Kerosin spart. Das sind auch die Maschinen, die am leisesten sind. Ich glaube, die Umweltentwicklung wird von allen gesehen. Das ist so, wie wenn man heute ein Haus baut. Sie können gar kein Haus mehr bauen, das energetisch auf dem Stand von vor 20 Jahren wäre. Sie werden keinen mehr finden, der Ihnen das anbietet. Tatsächlich werden Flugzeuge seit Jahren immer leiser und verbrauchen immer weniger Kerosin. Uns muss gelingen, dass die positiven Entwicklungen des technischen Fortschritts nicht durch den Anstieg des Luftverkehrs insgesamt wieder aufgezehrt werden. Das wird die eigentliche Herausforderung der kommenden Jahre.

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