Intervention in Mali: Befreit, aber nicht befriedet
Die Islamisten sind aus Diabali vertrieben, aber Misstrauen bleibt. Menschenrechtsverletzungen soll es gegeben haben - von der malischen Armee.
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Das Garnisonsstädtchen Diabali mit 1.500 Einwohnern liegt ungefähr 250 Kilometer nordöstlich von Malis Hauptstadt Bamako. Es war bis zum Wochenende der südlichste Ort in Mali unter Islamistenkontrolle. Jetzt ist es der erste Ort, den Malis Armee zusammen mit den Eingreiftruppen aus Frankreich wieder zurückerobert hat.
Geflohene Einwohner kommen nach Hause, es gibt wieder Waren auf dem Markt. Die Basis der Armee, wo die Rebellen ihr Quartier hatten, ist durch französische Raketen zerstört worden. Verwüstet ist auch die kleine katholische Kirche für das halb Dutzend Christen im Ort: Das steinerne Kreuz ist vom Dach gestoßen worden, drinnen liegt eine heilige Maria aus Porzellan in Stücken, der hölzerne Jesus ist in drei Teile zerbrochen.
„Die Rebellen sind gegen uns Christen“, erzählt François Coulibaly und schaut sich betreten um. „Ich bin katholisch, ich bin hier geboren und hatte nie Probleme mit meinen muslimischen Brüdern. Aber während die Extremisten hier waren, hat sich keiner getraut, in der Kirche zu beten.“
Der junge Bauer glaubt noch nicht an den Frieden. Er fürchtet die Sympathisanten der Rebellen. Er zeigt den Weg zur Moschee der Wahhabiten, eine saudisch beeinflusste fundamentalistische Strömung des Islam. Wie alle Gebäude in Diabali ist die kleine Moschee aus Lehm, bedeckt mit weißem Staub. Auf dem Dach sind zwei große Megafone.
Geflohen über die Felder
Seida Keita, der Imam, wohnt auf der anderen Straßenseite. Auf seinem Hof wimmelt es von Kindern. „Alles Lügen!“ sagt er wütend auf die Frage, ob er die bewaffneten Islamisten unterstützt habe. „Die Menschen sagen, dass wir die Rebellen mit einem geschlachteten Kamel willkommen hießen.
Wir sind arme Fischer, wir können uns kaum selber ernähren, von was hätten wir ein teures Kamel kaufen sollen?“ Die Rebellen hätten nicht einmal in seiner Moschee gebetet. „Als sie hier schießend hereinkamen, sind wir in die Felder geflohen, wie alle anderen.“
Die Mehrheit aber traut Imam Keita und seinen Anhängern nicht. Bürgermeister Oumar Kiakite hofft nun, das es nicht zu Racheakten kommt. Er empfängt seine Gäste vor seinem kleinen Rathaus – drinnen haben die Rebellen das meiste zerstört. „Wir leben vom Reisanbau“, führt er aus. „Das zieht Menschen aus allen Landesteilen an. Wir haben hier viele verschiedene Völker und Kulturen. Und Fundamentalisten. Aber Fundamentalisten sind nicht immer Rebellen.“
Doch jetzt herrscht erst einmal Krieg, und Malis Regierungssoldaten benehmen sich noch genauso wie früher. Bei einer Sperre auf der Straße nach Diabali, die neben einem Kanal verläuft, wird Balan Nimaga angehalten. Der Bauer war mit seinen zwei Frauen und sieben Kindern vor den Islamisten geflohen – jetzt muss er den Soldaten Schmiergeld zahlen, damit er wieder nach Hause kann. „Ich habe nicht nur vor den Rebellen Angst, sondern auch vor den eigenen Soldaten. Die benehmen sich immer schlecht, und wenn es so viele in Diabali gibt, muss man aufpassen.“
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