Internet-Journalismus: Ein Gütesiegel muss her
Um Qualität im Netzjournalismus sicherzustellen, überlegt der Presserat, seinen Zeitungs-Kodex auf das Netz auszuweiten. Dabei ist das Internet zu schnell für das behäbige Gremium.
Was schwarz auf weiß gedruckt ist, kann man in der Regel glauben. Hinter solchen Publikationen stehen Journalisten, die sich einem Berufsethos verpflichtet fühlen und über die Chefredakteure wachen. So ist die Qualität von Berichterstattung und Analyse sicher gestellt. Im Internet weiß man oft nicht genau, ob die veröffentlichten Artikel wirklich stimmen. Oft ist sogar völlig unklar, wer die Quellen sind, weil sich die Autoren hinter Pseudonymen verstecken. Das Publikum differenziert meist nicht zwischen Gedrucktem und Vernetztem. Folglich gerät die Glaubwürdigkeit des Journalismus in Gefahr.
Im www-Wirrwarr der Leserfotos, Blogeinträge und PR-Botschaften muss man manchmal intensiv suchen, um Seriöses zu finden. Das liegt auch daran, dass es keine wirkliche Aufsicht über das Internet gibt - im Gegensatz zu den anderen Medien. Der Presserat wacht über die Printmedien, die Landesrundfunkanstalten über die Radio- und TV-Programme der Privatsender. Die Öffentlich-Rechtlichen kontrollieren sich über ihre Rundfunk- und Fernsehräte selbst. Das Internet ist dagegen bisher ein Raum weitgehend kontrollfreier Anarchie. Beim Deutschen Presserat wird deshalb erwogen, den freiwilligen Zeitungs-Kodex auf das Netz auszudehnen.
In der jetzigen Konzeption würde der Presserat dieser Herausforderung aber kaum gerecht. Das Internet ist viel zu schnell für das langsame Gremium. In der virtuellen Welt muss ein Gütesiegel her, das die Einhaltung journalistischer Regeln garantiert. Ähnlich wie beim Spendensiegel für soziale Organisationen könnten die Macher glaubwürdiger Netzseiten damit werben, und wenn sie gegen die Standards verstoßen, würde es ihnen entzogen. Das würde dem Publikum die Orientierung erleichtern und überhaupt mehr Diskussionen über Qualität in den Medien befördern.
Qualitätsjournalismus kostet freilich Geld. Da liegt es nahe, dass Betreiber von Internetseiten ihre Inhalte gerne auch von einfachen Usern füllen lassen. Prinzipiell liegt darin eine gesellschaftliche Chance, weil es die Schwelle zur persönlichen Beteiligung am medialen Geschehen herab setzt. Journalismus muss sich aber von diesen Formen abgrenzen, muss Diskussionen strukturieren und so beweisen, dass er zur öffentlichen Informationsvermittlung in besonderer Weise nötig ist: Medien muss man vertrauen können.
Durch das schleichende Zusammenwachsen von Schrift, Wort, Foto und Bewegtbild im Internet ist es ohnehin anachronistisch, wenn die einen Medien professionell überwacht werden, die anderen aber nicht. Die Konsumenten können den virtuellen Informationsdschungel eben kaum noch überschauen. Sie brauchen Journalisten als Wegweiser in der digitalen Medienwelt. Das sind wir nicht nur die Qualität der Presse, sondern auch unserer Demokratie schuldig. Nur wenn die Basis öffentlicher Information frei von allzu großen Manipulationen funktioniert, ist ein aufrichtiger politischer Diskurs möglich.
Der Autor hat am Forschungsprojekt "Zukunft des Journalismus" der Friedrich-Ebert-Stiftung mitgewirkt, dessen Ergebnisse heute in Berlin vorgestellt werden.
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