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Interne Konflikte bei Deutscher WelleTeils hochproblematisch

Antisemitismus bei der Deutschen Welle? Ein Bericht spricht lediglich von Einzelfällen. Ein Problem hat der Sender trotzdem.

Steht unter politischem Druck: Deutsche Welle-Intendant Peter Limbourg Foto: Christoph Hardt/imago

Es bewegt sich etwas bei der Deutschen Welle. Der Auslandssender trennt sich von fünf Personen aus dem Umfeld der arabischen Sprachredaktion und der Deutsche Welle Akademie – wegen antisemitischer Aussagen. Das teilte Intendant Peter Limbourg am Montag mit, bei der Vorstellung eines Untersuchungsberichts zu Antisemitismus beim Sender.

Mit acht weiteren Personen, denen antisemitische Äußerungen „unterschiedlicher Intensität“ nachgewiesen wurden, wird das interne Gespräch gesucht. Der Leiter der arabischen Redaktion gibt auf eigenen Wunsch seinen Posten auf. Merkliche personelle Konsequenzen also im Antisemitismusskandal bei dem steuerfinanzierten Sender – wenngleich nur am unteren Ende und im mittleren Management.

Die Deutsche Welle, tradi­tio­nell Medium für die bundesdeutsche Perspektive im Ausland, ist gerade zeitgleich im Zentrum von zwei politischen Konflikten. Den Konflikt um die Schließung ihres Büros in Moskau durch die russische Regierung, in dem ihr viel Sympathie zuteilwird. Und der innere Konflikt um die israelfeindlichen Äußerungen und Holocaustleugnung einiger Beschäftigter – an dem zu zerbrechen die Welle offenbar eben noch mal verhindert hat.

Was den Russland-Konflikt angeht, ist die Sache recht klar. Das DW-Büro in Moskau musste schließen, nachdem deutsche Medienanstalten dem russischen Auslandssender RT DE das Senden via Satellit und Kabel in Deutschland untersagt hatten. Die russische Regierung begreift ihr Verhalten als „Vergeltungsmaßnahme“.

Eingeschränkte Pressefreiheit in Russland

Es handelt sich aber nicht um Aktion – Reaktion, wie die Lesart des Kreml nahelegt. RT DE wird in Deutschland zwar vorerst am Senden via Satellit und Kabel gehindert, nicht aber am Arbeiten. RT DE sendet wie gewohnt im Netz, seine Redaktion kann frei recherchieren. Und das, obwohl RT sich ganz unverblümt als „Informationswaffe“ begreift, wie RT-Chefin Margarita Simonjan 2012 der Zeitung Kommersant sagte.

Dazu kommt, dass Russland schon lange keine Steilvorlage aus Deutschland mehr braucht, um Pressefreiheit einzuschränken. Jour­na­lis­t:in­nen und unabhängigen Medien wird die Arbeit erschwert, indem sie etwa zu „ausländischen Agenten“ erklärt werden. Kor­re­spon­den­t:in­nen arbeiten in dem Wissen, dass jeder Tag der letzte im Land sein könnte.

Was den Russland-Konflikt angeht, kann Deutsche-Welle-Intendant Peter Limbourg also auf die Bedeutung freier Presse pochen und ansonsten auf anstehende Gespräche verweisen: Moskau-Studioleiter Juri Rescheto mit der russischen Regierungssprecherin am Mittwoch; Kanzler Scholz mit Präsident Putin kommende Woche.

Anders die Sache mit dem Antisemitismus. Hier muss der Intendant sich zerknirscht zeigen, Besserung loben und erklären, wie es überhaupt so weit kommen konnte. Zwei von drei dieser Dinge hat er am Montagabend ganz gut hingekriegt.

Antisemitische Äußerungen in Arabischen Redaktionen

Drei externe Personen hatten die Deutsche Welle, vielmehr den arabischsprachigen Zweig des Senders von Mitte Dezember bis Ende Januar auf strukturellen Antisemitismus untersucht: die ehemalige Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, der Psychologe Ahmad Mansour und die Politikberaterin und Expertin für Extremismusprävention, Beatrice Mansour.

Die drei sprachen bei der Vorstellung des Berichts am Montag die Deutsche Welle einerseits frei von „strukturellem Antisemitismus“, legten andererseits vieles offen, was beim Sender im Argen liegt. Und gaben Empfehlungen, die einfacher klingen, als sie sind.

Seit Herbst 2021 konfrontierten Medienberichte die Welle wiederholt mit antisemitischen Äußerungen von Mit­ar­bei­te­r*in­nen in der arabischsprachigen Redaktion, von Partnermedien im arabischen Raum und bei der Deutsche Welle Akademie, erst vor wenigen Tagen legte die Welt Fälle offen.

Der externe Untersuchungsbericht von Leutheusser-Schnarrenberger und den Mansours bestätigt nun in mehreren Fällen „klassische antisemitische Muster bis hin zu Holocaustleugnung“ – dazu gehören neben den bereits aufgedeckten Fällen acht weitere Personen, auf die man durch die Untersuchung aufmerksam wurde.

Der Bericht unterscheidet dabei deutlich zwischen Kritik am politischen Handeln der israelischen Regierung und Antisemitismus im Sinne von Aberkennen des Existenzrechts Israels, Holocaustleugnung sowie Antisemitismus gemäß der Arbeitsdefinition der International Holocaust Remembrance Alliance.

Der Bericht sieht zur merklichen Freude des Intendanten kein strukturelles Problem, weder in der arabischen Redaktion noch beim Sender insgesamt. „Wir reden von punktuellem Fehlverhalten und Fehlaussagen“, sagte Ahmad Mansour. „Ein struktureller Antisemitismus in der Redaktion ist nicht vorhanden.“ Dennoch legt der Bericht einiges offen, was hochproblematisch ist.

„Werte“ verbindlicher machen

„Einzelne Partner“ in der Region würden die Unterstützung der Welle nutzen, um antisemitische Propaganda zu verbreiten, hieß es. Die Welle ist zu ihrer Verbreitung auf Kooperation mit regionalen Medien angewiesen. Einige davon hatten sich als antiisraelisch herausgestellt. „Die arabische Redaktion ist zutiefst gespalten“, sagte Mansour weiter. Seit Jahren war bekannt, dass die arabische Redaktion unter ihrer Führung leidet (die taz berichtete). Dennoch war sie bisher nicht ausgewechselt worden.

Der arabischsprachige Zweig der Welle ist seit einigen Jahren äußerst erfolgreich, wird in der Region gut angenommen. Die redaktionelle Arbeit dagegen ist konfliktbehaftet. DW-Mitarbeiter*innen haben in den letzten Jahren immer wieder kritisiert, dass es der Senderführung vor allem um Reichweite gehe, weniger um Qualität. Das wird nun offenbar ernst genommen.

„Es darf nur mehr Reichweite geben, wenn auch die Inhalte passen“, sagte Sabine Leutheusser-Schnarrenberger in ihrem Fazit. Die Welle verspricht einen Zehn-Punkte-Plan, um ihre „Werte“ verbindlicher zu machen für Mit­ar­bei­te­r*in­nen und Partnermedien. Auch die Mit­arbeitergewinnung soll „wertebasiert“ werden.

Das alles ist so vorbildlich wie überfällig. Warum gab es kein wertebasiertes Recruiting bei einem Sender, der für Werte werben soll? Warum hat Limbourg so lange alle Vorwürfe abgebügelt, dass Kritik zu äußern im Sender schwierig sei? Warum hielt er an der Führung der arabischen Redaktion fest?

Nun ist Limbourg auf Bewährung – muss die versprochene Transparenz umsetzen. Darf den Sender nicht zurückfallen lassen in einen Modus des Abwiegelns und Beschweigens. Der Vertrauensvorschuss, den ein deutsches öffentlich-rechtliches Medium im Gegensatz zum russischen Regierungssender RT genießt, gilt nicht ewig.

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3 Kommentare

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  • Endlich mal ein nüchterner und sachlicher Beitrag zu der Causa DW.

    Was mir bei den meisten Berichten aber fehlt, ist die Tatsache, dass Intendant Limbourg nach einen Bericht u.a. des Handelsblattes die DW zu einem "Anti-Putin" Sender formieren wollte. Da wirkt es eben nicht mehr so glaubwürdig, wenn man sich als unabhängiger Sender und Opfer staatlicher Willkür darstellt. Eine journalistische Aufarbeitung würde mir bei der Einordnung helfen.

    www.handelsblatt.c...rden/10749874.html

    • @Konstantin Wosner:

      Was soll so schlimm daran sein, wenn sich ein Sender als demokratischer Diktatur-Gegner definiert?

  • Was ist "wertebasiertes Recruiting"? Die Frage ist ernst gemeint und zielt auf Bewertung eines eingereichten Lebenslaufs und das Interview ab.



    (Fragen wie bei einem US-Visum: Sind Sie Antisemit? oder "Mitglied bei Partei X"? oder "Frühere Autorenschaft bei (legaler!) Zeitung XY?) Wie AGG-konform kann das sein?