Internationaler Strafgerichtshof: Freispruch für Laurent Gbagbo
Die Den Haager Richter urteilen zugunsten des Expräsidenten der Elfenbeinküste. Wieder ist eine hochkarätige Anklage geplatzt.
Sie bleiben aber in Haft in Erwartung eines Einspruchs der Anklagebehörde. Dieser soll am Mittwoch eingereicht werden.
Gbagbo hatte Ende 2010 nach zehn Jahren an der Macht seine Niederlage in der Präsidentschaftswahl der Elfenbeinküste nicht anerkannt und monatelang mithilfe seiner Armee und Milizen den in einem Hotel belagerten Wahlsieger Alassane Ouattara bekämpft – am Ende, als Ouattara-treue Rebellen im April 2011 mithilfe Frankreichs vorrückten und Gbagbo schließlich festnahmen, auch mit Massakern. Insgesamt starben in dieser Nachwahlkrise über 3.000 Menschen.
Gbagbo kam nach seinem Sturz in Haft und wurde im November 2011 an den Strafgerichtshof überstellt; Blé Goudé folgte im Jahr 2014. Der Prozess in Den Haag gegen Gbabgo und Blé Goudé begann Anfang 2016.
Die Anklage lautete auf Mord, Vergewaltigung, Verfolgung und unmenschliche Behandlung im Rahmen eines ausgedehnten oder systematischen Angriffs auf Zivilisten – also als Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Es gab 231 Verhandlungstage, die Anklage bot 81 Zeugen auf und Tausende Seiten von Dokumenten wurden geprüft, um zu klären, ob Gbagbo als Präsident Verbrechen angeordnet hatte.
Der Richter sprach nur wenige Minuten
Der Freispruch nun war kurios, denn während laut Rom-Statut des Strafgerichtshofs Schuld- oder Unschuldsprüche schriftlich und vollumfänglich begründet ergehen müssen, begnügte sich der Vorsitzende Richter Cuno Tarfusser jetzt mit einer nur wenige Minuten dauernden, unkonzentriert vorgetragenen mündlichen Zusammenfassung und sagte, die Urteilsbegründung werde „so bald wie möglich“ nachgereicht.
Laut Tarfusser präsentierten die Ankläger keine ausreichenden Beweise für einen „gemeinsamen Plan“ der Angeklagten, für eine bewusste Politik des Angriffs auf Zivilisten oder für irgendwelche Taten, die diese Angriffe befördert hätten. Aber zu Details der Anklage äußerte er sich in seinem kurzen Statement nicht.
Es klang eher wie die Begründung für eine Verfahrenseinstellung als die für einen Freispruch. Die Verteidiger hatten im September 2018 vorsorglich beides beantragt.
Schriftlich wurde nur die abweichende Minderheitsmeinung eines der drei Richter veröffentlicht. Er äußerte scharfe Kritik an der Nichtvorlage eine schriftlichen Urteils: Dies widerspreche nicht nur dem Statut des Gerichts, es sei auch unbegründet, denn die Beweisaufnahme sei bereits im Januar 2018 geschlossen worden und die Kammer hätte genug Zeit gehabt, ihr Urteil zu schreiben.
Auch die Auffassung, die Beweise reichten nicht für eine Verurteilung aus, kritisiert Richter Herrera Carbuccia.
Die ivorische Politik wird aufgemischt
Diese Formalien aber sind den Gbagbo-Anhängern in der Elfenbeinküste egal. Es kam zu Jubelszenen in seiner Heimatstadt Gagnoa. Für Gbagbos Getreue ist er immer nur Opfer einer Siegerjustiz gewesen. Sie feiern ihn jetzt erst recht als unschuldigen Helden.
Auf jeden Fall mischt der Den Haager Richterspruch die Politik der Elfenbeinküste kräftig auf. Seit Gbagbos Sturz 2011 war sein politisches Lager praktisch aus de öffentlichen Debatte des Lanes verschwunden. Die letzten Wahlen 2015, als Ouattara wiedergewählt wurde, hatte Gbagbos Partei FPI (Ivorische Volksfront) boykottiert.
Sollte jetzt nicht ein langwieriges Berufungsverfahren folgen, das durchaus mit einem Schuldspruch enden könnte, dann könnte Gbagbo pünktlich zu den nächsten Wahlen 2020 – bei denen Ouattara nicht wieder kandidieren darf – auf die politische Bühne zurückkehren. Das würde für turbulente Zeiten sorgen.
Für die Den Haager Ankläger ist der Freispruch allerdings ein Debakel. Wie schon 2018 beim Freispruch für Kongos Ex-Vizepräsident Jean-Pierre Bemba in der Berufung ist jetzt bei Laurent Gbagbo erneut der Versuch gescheitert, das Prinzip der Vorgesetztenverantwortung auf hochrangige Verantwortliche in einem Kriegsverbrecherprozess anzuwenden.
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