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Internationaler KernwaffenverbotsantragDeutschland lehnt Verhandlungen ab

Beim Ringen um eine Welt ohne Atomwaffen gehört die Bundesregierung zum „Lager der Bremser und Blockierer“, kritisieren die Grünen.

Verbot von Atomwaffen? Deutschlands Stimme wird jedenfalls nicht dabei sein Foto: dpa

BERLIN taz | Auf der UN-Generalversammlung in New York wird wohl noch in diesem Monat über eine bemerkenswerte Resolution beraten. Sie enthält den Vorschlag, dass die Vereinten Nationen im nächsten Jahr eine Konferenz „zur Aushandlung eines rechtsverbindlichen Instruments zum Verbot von Atomwaffen“ abhalten. Falls es zur Abstimmung kommt, dürfte eine große Mehrheit der Staaten dafür votieren. Deutschlands Stimme wird nicht dabei sein.

Die Resolution eingebracht haben die atomwaffenfreien Staaten Österreich, Irland, Mexiko, Brasilien, Südafrika und Nigeria. Sie basiert auf einer Empfehlung der „Ergebnisoffenen Arbeitsgruppe zur nuklearen Abrüstung“ (Open-Ended Working Group/OEWG), die die UN 2015 eingesetzt hatte. An ihr nahmen 104 Staaten teil, darunter die Bundesrepublik. Auf ihrem letzten Treffen sprach sie sich im August in Genf mit Zweidrittelmehrheit für die Aufnahme von internationalen Verhandlungen zur Ächtung von Nuklearwaffen aus – gegen die Stimmen der meisten Nato-Staaten, auch die Deutschlands.

Das verwundert auf den ersten Blick. Denn in Sonntagsreden, aber auch in ihrem Koalitionsvertrag versucht die schwarz-rote Bundesregierung stets den Eindruck zu vermitteln, dass ihr die atomare Abrüstung am Herzen liegt. Selbstverständlich fehlt auch im aktuellen Weißbuch zur Sicherheitspolitik und zur Zukunft der Bundeswehr vom Juli diesen Jahres nicht das „Bekenntnis Deutschlands zu dem Ziel, die Bedingungen für eine nuklearwaffenfreie Welt zu schaffen“.

Nur wenige Tage vor dem Genfer OEWG-Treffen beteuerte die Sprecherin des Außenministeriums in der Bundespressekonferenz auf eine konkrete Frage zur bevorstehenden Abstimmung: „Die Bundesregierung steht für eine atomfreie Welt und wird sich in allen Foren, die es dazu gibt, in denen das Thema debattiert wird, dementsprechend positionieren und sich dafür einsetzen.“

Begründung: taktisch-strategisch

Und dann stimmt Deutschland gegen Verhandlungen über ein Atomwaffenverbot? In ihrer schriftlichen Antwort auf eine Kleine Anfrage der Grünen begründet die Bundesregierung ihre Ablehnung taktisch-strategisch. Sie vertrete „einen schrittweisen und pragmatischen Ansatz hin zu einer Welt ohne Nuklearwaffen“, ist da zu lesen. Demgegenüber seien in der Schlussphase der Verhandlungen der OEWG „Empfehlungen hin zu einem sofortigen Verbot von Atomwaffen in den Vordergrund“ getreten.

Einen solchen Druck auf die Atommächte – die kollektiv die UN-Arbeitsgruppe boykottiert hatten – will die Bundesregierung aber nicht aufbauen. „Grund sind vor allem Deutschlands Verpflichtungen als Nato-Bündnispartner, die die nukleare Teilhabe einschließt, aber auch deutsche Sicherheitsinteressen“, heißt es in dem Schreiben, das der taz vorliegt.

Die Bundesregierung verspielt viel Glaubwürdigkeit

Agnieszka Brugger, Grüne

Das Problem ist nur, dass der von Deutschland präferierte Ansatz keinerlei Ergebnisse zeitigt, kritisiert die Sprecherin für Sicherheitspolitik und Abrüstung der grünen Bundestagsfraktion, Agnieszka Brugger. „Was als progressive und pragmatische Strategie verkauft wird, ist in Wahrheit eine beschämende Politik des Stillstandes“, sagte Brugger zur taz. „Mit ihrer Haltung verspielt die Bundesregierung viel Glaubwürdigkeit.“ Anstatt entschlossen „gemeinsam mit der großen Mehrheit der Staaten für eine atomwaffenfreie Welt zu stehen“, verharre sie „im Lager der Bremser und Blockierer“.

Mehr als 16.000 Atomwaffen gibt es derzeit weltweit – genug, um die Erde gleich mehrfach unbewohnbar zu machen. 90 Prozent des Arsenals befinden sich in den Händen der USA und Russlands, die angesichts der dramatischen Verschlechterung ihrer Beziehungen längst kein Interesse mehr an einer Reduzierung haben, sondern stattdessen auf die Modernisierung ihres nuklearen Zerstörungspotenzials setzen. Entsprechend stocken seit Jahren sämtliche globale Abrüstungsbemühungen.

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6 Kommentare

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  • "Sonntagsreden" - selten hat diese Formulierung besser gepasst

  • Der Atomwaffensperrvertrag besteht aus zwei Teilen:

    a) Staaten, die keine Atomwaffen haben, werden sich keine Atomwaffen anschaffen.

    b) Staaten, die Atomwaffen haben, reduzieren sie schrittweise und schaffen schließlich ab.

    Nur in dieser Kombination kann man Nicht-Atomwaffenstaaten sagen, dass sie keine Atomwaffen entwickeln sollen.

    So aber drückt sich damit die Herrschaft der Atomwaffenstaaten über die anderen Staaten aus und erzeugt damit eine Situation, in der jeder (sich selbst oder durch andere) ausgegrenzte Staat zur eigenen Existenzsicherung Atomwaffen entwickeln will.

    Aber genau diese Herrschaft der Atomwaffenstaaten über den Rest der Welt will die Bundesregierung nicht antasten.

  • Was bringen solche Forderungen eigentlich? Die Staaten mit Atomwaffen machen bei dem ganzen nicht mit, die anderen Staaten kriegen das nicht durch den Sicherheitsrat. Also wozu das ganze?

     

    Es ist im Endeffekt scheiß egal wie sich die Bundesregierung verhält, wenns nur um die Atomwaffe an sich geht, abgeschafft werden sie dadurch nicht.

    Also kann man die Unterstüzung auch sein lassen und sich lieber an USA, Rußland, Indien und co dranhängen.

  • Tja - bei Ol Conny Adenauer lernen -

    Heißt - immer nen Finger am Abzug behalten.

    Nach außen aber auf dufte & Weiße Weste!

     

    Am 3. Oktober 1954 gab Bundeskanzler Konrad Adenauer bei der Londoner Akte die Verpflichtung ab, dass die Bundesrepublik Deutschland auf die Herstellung von ABC-Waffen auf ihrem Staatsgebiet verzichtet.[4] Im Jahr 1957 wurde ein Vertrag mit Frankreich und Italien zur Entwicklung von eigenen Atomwaffen unterzeichnet.[5]

     

    Von den Vereinigten Staaten wurden erstmals im Jahr 1953 Geschütze (sogenannte Atomic Annie) mit Atomgranaten bei der 42nd Field Artillery Group der 7. US-Armee in Westdeutschland stationiert.[6] Als die Öffentlichkeit von der nuklearen Aufrüstung durch ein Interview mit Bundeskanzler Adenauer am 5. April 1957 erfuhr, kam es zum Göttinger Appell.[7] Im Zeitraum bis August 1958 protestierte die Initiative Kampf dem Atomtod gegen Atomwaffen. Am 25. März 1958 billigte der Deutsche Bundestag jedoch mit der Stimmenmehrheit der CDU/CSU-Fraktion die Stationierung. https://de.wikipedia.org/wiki/Nuklearwaffen_in_Deutschland

     

    (& mal bei den Publikationen Dr. Dieter Deiseroths -

    Nachbuddeln - zu Ol Connys klandestinen Zusatzerklärungen!;(

    Mit der Rechten schwören - mit der Linken ableiten!

    Rein tonn katolsch warrn!

  • Na' denne... Anti- kosmopolitisch, eben ein ZURÜCK auf Positionen von vor 1989/90!!! Und warum?Eigentlich doch nur um der Kriegspropanda gerecht zu werden.. ZURÜCK zum provinziellem Denken des Kalten Kriges.. Was sagt Mensch dazu?

  • Wozu eine Konferenz an der die hauptsächlichen Atombombenbesitzer (+Nordkorea) gar kein Interesse haben?