Internationaler Kernwaffenverbotsantrag: Deutschland lehnt Verhandlungen ab
Beim Ringen um eine Welt ohne Atomwaffen gehört die Bundesregierung zum „Lager der Bremser und Blockierer“, kritisieren die Grünen.
Die Resolution eingebracht haben die atomwaffenfreien Staaten Österreich, Irland, Mexiko, Brasilien, Südafrika und Nigeria. Sie basiert auf einer Empfehlung der „Ergebnisoffenen Arbeitsgruppe zur nuklearen Abrüstung“ (Open-Ended Working Group/OEWG), die die UN 2015 eingesetzt hatte. An ihr nahmen 104 Staaten teil, darunter die Bundesrepublik. Auf ihrem letzten Treffen sprach sie sich im August in Genf mit Zweidrittelmehrheit für die Aufnahme von internationalen Verhandlungen zur Ächtung von Nuklearwaffen aus – gegen die Stimmen der meisten Nato-Staaten, auch die Deutschlands.
Das verwundert auf den ersten Blick. Denn in Sonntagsreden, aber auch in ihrem Koalitionsvertrag versucht die schwarz-rote Bundesregierung stets den Eindruck zu vermitteln, dass ihr die atomare Abrüstung am Herzen liegt. Selbstverständlich fehlt auch im aktuellen Weißbuch zur Sicherheitspolitik und zur Zukunft der Bundeswehr vom Juli diesen Jahres nicht das „Bekenntnis Deutschlands zu dem Ziel, die Bedingungen für eine nuklearwaffenfreie Welt zu schaffen“.
Nur wenige Tage vor dem Genfer OEWG-Treffen beteuerte die Sprecherin des Außenministeriums in der Bundespressekonferenz auf eine konkrete Frage zur bevorstehenden Abstimmung: „Die Bundesregierung steht für eine atomfreie Welt und wird sich in allen Foren, die es dazu gibt, in denen das Thema debattiert wird, dementsprechend positionieren und sich dafür einsetzen.“
Begründung: taktisch-strategisch
Und dann stimmt Deutschland gegen Verhandlungen über ein Atomwaffenverbot? In ihrer schriftlichen Antwort auf eine Kleine Anfrage der Grünen begründet die Bundesregierung ihre Ablehnung taktisch-strategisch. Sie vertrete „einen schrittweisen und pragmatischen Ansatz hin zu einer Welt ohne Nuklearwaffen“, ist da zu lesen. Demgegenüber seien in der Schlussphase der Verhandlungen der OEWG „Empfehlungen hin zu einem sofortigen Verbot von Atomwaffen in den Vordergrund“ getreten.
Einen solchen Druck auf die Atommächte – die kollektiv die UN-Arbeitsgruppe boykottiert hatten – will die Bundesregierung aber nicht aufbauen. „Grund sind vor allem Deutschlands Verpflichtungen als Nato-Bündnispartner, die die nukleare Teilhabe einschließt, aber auch deutsche Sicherheitsinteressen“, heißt es in dem Schreiben, das der taz vorliegt.
Agnieszka Brugger, Grüne
Das Problem ist nur, dass der von Deutschland präferierte Ansatz keinerlei Ergebnisse zeitigt, kritisiert die Sprecherin für Sicherheitspolitik und Abrüstung der grünen Bundestagsfraktion, Agnieszka Brugger. „Was als progressive und pragmatische Strategie verkauft wird, ist in Wahrheit eine beschämende Politik des Stillstandes“, sagte Brugger zur taz. „Mit ihrer Haltung verspielt die Bundesregierung viel Glaubwürdigkeit.“ Anstatt entschlossen „gemeinsam mit der großen Mehrheit der Staaten für eine atomwaffenfreie Welt zu stehen“, verharre sie „im Lager der Bremser und Blockierer“.
Mehr als 16.000 Atomwaffen gibt es derzeit weltweit – genug, um die Erde gleich mehrfach unbewohnbar zu machen. 90 Prozent des Arsenals befinden sich in den Händen der USA und Russlands, die angesichts der dramatischen Verschlechterung ihrer Beziehungen längst kein Interesse mehr an einer Reduzierung haben, sondern stattdessen auf die Modernisierung ihres nuklearen Zerstörungspotenzials setzen. Entsprechend stocken seit Jahren sämtliche globale Abrüstungsbemühungen.
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