Internationale Pressestimmen zu Köln: „In Horden jagten sie die Damen”
Die Vorfälle der Kölner Silvesternacht wurden von Medien europaweit thematisiert – teils hämisch, teils sachlich. Kritisiert wird auch die deutsche Presse.
Großbritannien
Die britischen Medien haben sehr ausführlich über die Ereignisse in Köln berichtet – überwiegend sachlich. Selbst das Boulevardblatt Express beschränkt sich trotz der reißerischen Überschrift „Migrant sex crime shock“ auf die Fakten. Rosamund Urwin schreibt im Evening Standard über die Äußerungen der Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker sarkastisch: „Wir haben die Pflicht, alles Erdenkliche in unserem Leben zu verändern, damit kein Perversling seine Lust über unsere körperliche Autonomie stellen kann.“
Auf die Sun ist allerdings Verlass. Rod Liddle fragt dort scheinheilig: „Sind die deutschen Männer verrückt geworden?“ Der BBC-Reporter habe kein Interesse daran gehabt, herauszufinden, wer die Täter waren. Aber Liddle weiß es: „Es waren alles nordafrikanische oder arabische Immigranten. Und zwar alle, sagt die Polizei. Jeder Einzelne.“ Man sage „den Ureinwohnern“ jedoch nicht die Wahrheit, weil das zu einem schlimmeren Verbrechen führen könnte: „Islamophobia.“ Genauso verhalte sich die britische liberale Elite, wenn es um die sexuellen Übergriffe lüsterner muslimischer Banden gegen minderjährige Mädchen im ganzen Land gehe. RASO
Tschechien
Die tschechischen Medien lassen sich oft und gern von der deutschen Presse zeitnah inspirieren und beobachten diese dementsprechend genau. Umso verwunderlicher war es, dass der erste Agenturbericht zu den Ereignissen in Köln am Montagabend auf der Seite eines Nachrichtenportals erschien. Der mag dann für einen mittleren Schneesturm in der Prager Medienlandschaft gesorgt haben, der für Tschechien wichtigere Themen überdeckte.
Seitdem bemühen sich die Medien in Zurückhaltung, sie berichten. Das Eis in Tschechien ist dünn. Die Migrationsdebatte hat die Gesellschaft gespalten, auch wenn vergangenen Jahr etwas über 100 Flüchtlinge aus dem Nahen Osten aufgenommen wurden. In Tschechien wird die Diskussion durch das Prisma der Migrationsdebatte gesehen. Und könnte unnötig hochkochen. Daher ist die größtenteils faktische Berichterstattung durchaus angemessen. MOST
Schweden und Dänemark
Für die den rassistischen „Schwedendemokraten“ nahestehende Nyheter idag war alles klar: „Hier fliehen Frauen vor dem sexuellen Massenübergriff durch Flüchtlinge.“ Ein Deutschland, das sich im letzten Jahr für 1,1 Million Flüchtlinge geöffnet habe, sei nun „im Schock über die neue Wirklichkeit“. Doch auch seriöse Blätter wie Dänemarks konservative Berlingske Tidende titelten vom „Sexübergriff durch Einwanderergruppen“. Das Blatt zitierte „kritische Stimmen“, welche „andeuten“, das Nichteingreifen der Polizei und das Schweigen der Medien sei auf „politische Korrektheit“ zurückzuführen.
Wie in nahezu allen dänischen und schwedischen Blättern wird aber in späteren Texten auch hier eher der kriminelle Hintergrund der Taten betont. Anschuldigungen, man habe erst mit Verzögerung auf die Vorgänge reagiert, also etwas verdunkeln wollen, weist etwa Metro zurück: „Im Gegensatz zu rechtsextremen Propagandaorganen können seriöse Medien Informationen nicht ohne Bestätigung verbreiten.“ WOLFF
Türkei
In den türkischen Medien wird der Vorfall der Kölner Silvesternacht größtenteils in Form von Tickermeldungen als „Kollektive Belästigung“ vermeldet.
Allein in der regierungsnahen türkischen Tageszeitung Sabah werden in einem aufgebrachten Kommentar die mutmaßlichen Täter beschuldigt, verstärkten Rassismus gegen Flüchtlinge provoziert zu haben: „Leider sind diese Kriminellen zu asozial, um die Medien zu verfolgen und sich dem Aufruhr, den sie verursacht haben, überhaupt bewusst zu sein. Die emotionalen Reaktionen der Gesellschaft, die sich eigentlich gegen diese Machos richtet, werden zusätzlichen Druck für die männlichen muslimischen Flüchtlinge bedeuten, die im Alltag sowieso schon mit Vorurteilen zu kämpfen haben.“
Die Tageszeitung Hürriyet dagegen vermutet noch, dass es sich bei den Tätern um Flüchtlinge handeln könnte: „Man kann weder verstehen, noch akzeptieren, dass jene, die aus Lebensgefahr nach Deutschland geflohen sind, nun die dortige Freiheit und Sicherheit bedrohen. In Deutschland, wo die freie Entfaltung der Persönlichkeit ein Grundrecht darstellt, könnte nach dieser Art von Vorfällen die Empathie gegenüber Flüchtlingen sehr schnell in Unmut umschlagen.“ FAY
Ungarn
„Fassungslosigkeit in Deutschland: In Horden jagten sie die Damen“, berichtete das ungarische staatliche Fernsehen über die Vorkommnisse von Köln. Immer wurde betont: „Die mutmaßlichen Täter seien dem Aussehen nach größtenteils nordafrikanischer oder arabischer Herkunft.“ Vor allem die deutsche Presse wurde kritisiert, weil sie angeblich zu spät reagiert hätte.
Besonders rechte Medien aus Ungarn schreiben, Bundeskanzlerin Angela Merkel – und mir ihr ganz Deutschland – müsse jetzt nachdenken, wie viele Probleme die „Willkommenskultur“ Europa noch bringen werde.
Die rechte Wochenzeitung Magyar Demokrata schreibt von „den Horden ohne Gehirn“. In ihrem Vaterland hätten die Polizisten nicht so gemütlich gehandelt wie in Deutschland, sondern hätten sie mit Salven aufgelöst. TIR
Frankreich
Aufgrund des Täterprofils in Köln fühlt sich der rechtsextreme Front National (FN) in Frankreich sogleich berechtigt, einen Einwanderungsstopp zu fordern. Auf Twitter schreibt Stéphane Ravier, FN-Senator und Bezirksbürgermeister in Marseille: „Massive sexuelle Aggressionen in Köln und Hamburg durch Migranten. Horror. Stoppen wir die Aufnahme von Migranten in Europa!“
Die Gleichsetzung von „arabisch aussehend“ mit Migranten oder Flüchtlingen ist für die FN-Propaganda so evident, dass sie bei den Lesern vorausgesetzt wird.
In den französischen Medien, die sich sonst mit Angaben zur Herkunft nicht exakt identifizierter mutmaßlicher Täter zurückhalten, ist dieses Mal von einer solchen antirassistischen Vorsicht fast nichts zu sehen. Le Monde befürchtet, dass „die Ereignisse von Köln zum Markstein in der Debatte über die Aufnahme von Flüchtlingen werden“ – und dies womöglich über Deutschland hinaus. RB
Italien
Italiens Medien räumen den Übergriffen von Köln breiten Raum ein. Kaum ein Blatt, das Köln nicht wenigstens eine Seite widmete. Während sich die linksliberale La Repubblica oder der ebenfalls links der Mitte einzuordnende Fatto Quotidiano auf die Berichterstattung konzentrieren, sieht der Corriere della Sera in der Kölner Neujahrsnacht eher ein politisches als ein rein kriminelles Ereignis: Den Tätern sei es darum gegangen, „das, was wir heute gemeinhin einen „Lebensstil“ nennen, zu treffen“, es handle sich da „um einen Akt der kulturellen Unterwerfung, nicht der animalischen Grausamkeit“, der in einer Reihe mit dem Attentat auf Charlie Hebdo stehe.
Rundheraus gegen „die Immigration“ dreht die rechte Tageszeitung Il Giornale die Kölner Übergriffe. Umstandslos heißt es dort: „Vielleicht ist es ein wenig zu spät, um die Risiken zu bemerken, die die Immigration mit sich bringt.“ MB
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Bundestag bewilligt Rüstungsprojekte
Fürs Militär ist Kohle da
Stockender Absatz von E-Autos
Woran liegt es?
Kürzungen im Berliner Haushalt
Kultur vor dem Aus
Grüne über das Gezerre um Paragraf 218
„Absolut unüblich und respektlos“
BSW-Chefin im ZDF
Wagenknecht räumt Irrtum vor russischem Angriff ein
Erfolg gegen Eigenbedarfskündigungen
Gericht ebnet neue Wege für Mieter, sich zu wehren