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Karsten WildbergerNeuer Digitalminister gibt Lobbyposten ab

Karsten Wildberger ist nicht mehr Vizepräsident des Handelsverbandes HDE und des CDU-nahen Wirtschaftsrats. Trotzdem Kritik an Interessenkollisionen.

Kann er auch Bür­ge­r*in­nen­in­ter­es­sen vertreten? Karsten Wildberger Foto: Florian Gaertner/imago

Berlin taz | Einen Job hat der einstige Chef der Mediamarktsaturn-Mutter Ceconomy gewonnen: Karsten Wildberger ist neuer Minister für Digitales und Staatsmodernisierung im Kabinett von Friedrich Merz. Vor wenigen Tagen trat der promovierte Physiker sogar der CDU bei. Einige Posten hat der einstige Top­lobbyist Wildberger aber aufgeben müssen, um sich weniger angreifbar zu machen: Seit Kurzem ist er nicht mehr Vizepräsident des Handelsverbandes HDE, am Montag trat er von derselben Position im umstrittenen CDU-nahen Wirtschaftsrat zurück.

Kurz zuvor hatte die wirtschaftskritische Organisation Lobbycontrol den Rückzug Wildbergers gefordert, „um Interessenskonflikte zu vermeiden“. Es sei „schön, dass der Wirtschaftsrat anerkennt, dass ein Minister nicht gleichzeitig eine leitende Funktion in einer Lobbyvereinigung inne haben kann“, sagte Lobbycontrol-Sprecherin Christina Deckwirth zur taz.

„Um so problematischer“ sei es, dass Wildberger weiter Mitglied im 16-köpfigen Präsidium des Wirtschaftsrats bleiben will. Kritisch sieht Deckwirth auch, dass die neue Wirtschaftsministerin Katherina Reiche und der neue Chef des Verkehrsressorts, Patrick Schnieder, weiter Funktionen in Landes-Fachkommissionen des Wirtschaftsrats haben.

Der „Wirtschaftsrat der CDU“ ist eine Art Vororganisation und Brutkasten für Führungskräfte der Union. Kanzler Merz war hier Vorgänger von Wildberger als Vizepräsident, bevor er im Februar 2022 CDU-Chef wurde. Die Vereinigung vertritt 12.000 Un­ter­neh­me­r*in­nen und sieht sich selbst als „Stimme der sozialen Marktwirtschaft“. Unter dem Titel „Kurswechsel für Deutschland“ feierte man am Montag und Dienstag den „Wirtschaftstag“ in Berlin, natürlich mit Merz als Gastredner.

Wirtschaftsrat ist keine Parteiorganisation

Anders als der Name suggeriert, ist der Wirtschaftsrat keine Parteiorganisation. Seine Präsidentin Astrid Hamker gehört dennoch qua Amt dem CDU-Bundesvorstand als Gast an. Sie nimmt an dessen Sitzungen teil, hat zwar kein Stimm-, aber Rederecht – und kann die Partei so direkt beeinflussen. Eine von Lobbycontrol unterstützte Klage gegen diese Konstruktion scheiterte Ende vergangenen Jahres vor dem Landgericht Berlin.

Mit Ausgaben in Höhe von mehr als fünf Millionen Euro zähle der Wirtschaftsrat „zu den größten Lobbyverbänden in Deutschland“, so Lobbycontrol. Dennoch sei er „Dauergast im Parteivorstand und sitzt durch die neuen Bundesministerinnen Wildberger, Reiche und Schnieder jetzt sogar mit am Kabinettstisch“.

Merz habe sich bei der Auswahl seiner Kabinettsmitglieder „einseitig Wirtschaftsinteressen bedient“. Trotz seiner Nähe zur CDU müsse der Verein seine Finanzierung nicht offenlegen. Damit sei er „ein Einfallstor für intransparente Geldflüsse“ im Umfeld der Partei.

„Brisant“ sei auch, dass Wildbergers vorherige Arbeitsstätte Mediamarktsaturn einer der fünf Hauptsponsoren des Wirtschaftsrats ist. „Das macht deutlich, wie sich Konzerne über den Wirtschaftsrat privilegierte Zugänge zu CDU-Personal kaufen können.“

Der Wirtschaftsrat sieht kein Problem. „Unsere Positionierungen erfolgen stets aus der volkswirtschaftlichen Perspektive“, sagt ein Sprecher zur taz. Deshalb schlössen „sich ein aktiver politischer Posten sowie eine Tätigkeit in unserem Präsidium nicht aus, sondern dies kann – im Gegenteil – den angestrebten Perspektivaustausch zwischen Politik und Wirtschaft befördern“.

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2 Kommentare

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  • Entweder die Minister sind zu fachfremd, oder zu wenig in Verwaltung geübt oder nicht politisch genug oder in einem Wirtwchaftsrat, der Fachwissen und Politik verbindet. Aber das ist dann auch doof weil sie von der CDU kommen.



    Ich mag die CDU auch nicht und wähle daher andere Parteien aber man muss deswegen nicht überall Probleme suchen wo keine sind.



    Meiner Ansicht macht die neue Regierung die Politik die sie angekündigt haben (abgesehen von den Schulden), das kann man im Detail falsch finden, ist aber ihr Job.

  • "Lobby" sind immer die Anderen.

    Die DGB-Vorsitzende ist auch in der SPD. Keine Lobby, nein! Sie trat mit Scholz auf. Wenn das kein privilegierter Zugang ist.