Intendant Berndt Schmidt über Kürzungen: „Manche empfinden das als Ohrfeige“
Der Friedrichstadt-Palast muss im nächsten Jahr noch mehr sparen als zunächst gedacht. Das sei fatal für die Motivation, so Intendant Berndt Schmidt.
taz: Herr Schmidt, sind Sie sauer angesichts des Sparszenariums? Der Friedrichstadt-Palast muss im nächsten Jahr mit 1,6 Millionen Euro weniger Fördermittel auskommen – hieß es anfangs. Doch nun bekommt das Revuetheater noch einmal 250.000 Euro weniger. Das macht zusammen ein Minus von 1,85 Millionen Euro. Macht Sie das wütend?
Berndt Schmidt: Ich bin überrascht. Bei vielen großen Theatern wurde die Sparsumme gesenkt, bei anderen blieb sie gleich. Wir waren die einzige Bühne, bei der die Sparsumme noch einmal deutlich erhöht wurde. Das führt im Haus zu einer großen Demotivation. Und manche empfinden das als Ohrfeige.
60, ist seit 2007 Intendant und alleiniger Geschäftsführer des Friedrichstadt-Palastes.
taz: Es gab kurz vor Bekanntgabe der neuen – sagen wir mal – Sparziele eine Runde von einigen Intendanten großer Berliner Theater mit dem Regierenden Bürgermeister Kai Wegner (CDU). Da waren Sie nicht eingeladen, nehme ich mal an?
Schmidt: Doch, da war ich dabei.
taz: Ach so. Können Sie davon berichten? Oder war Verschwiegenheit vereinbart?
Schmidt: Bei dem Gespräch ist Kai Wegner mit dem Thema offen umgegangen, und das weiß ich zu würdigen. Er hat gesagt, dass durch diesen Prozess, so wie er gelaufen ist, auch durch die Kurzfristigkeit und die Kommunikation, Vertrauen beschädigt wurde. Deswegen bringt er sich jetzt in den Prozess ein und will Gespräche führen, die bis Mitte des nächsten Jahres zu Entscheidungen über die Kultur in 2026 und den nachfolgenden Jahren führen können. Es soll nicht so sein wie dieses Mal, dass man immer erst in die Zeitung gucken muss, um zu erfahren, welche Entscheidung einem gerade betrifft. Er sieht das Problem. Ich rechne ihm hoch an, dass er die Kultur quasi unter seine Ägide nimmt. Das ist in meinen Augen vielversprechend.
taz: Dann noch mal nachgefragt. Nach diesem Gespräch wird jetzt bei den anderen Theatern weniger gespart – in Ihrem Haus aber mehr. Das ist doch gelinde gesagt irritierend?
Schmidt: Ich verstehe schon, dass der Senat und das Parlament schauen müssen, welche Häuser mit welchen Entscheidungen in existenzielle Not geraten. Da gab es ja in der ersten Sparliste durchaus Entscheidungen, die unbeeindruckt von Sachverstand waren. Insofern kam es zu Festlegungen, die nun im parlamentarischen Prozess korrigiert werden sollen. Demotivierend für mich und mein Team ist, dass ein Haus, das sich anstrengt und wirtschaftlich relativ gut dasteht, sozusagen zur Belohnung jetzt noch einmal eine Viertelmillion obendrauf gesetzt bekommt.
taz: Wie viel Subventionen bekommen Sie denn vom Senat im Jahr?
Schmidt: 17,3 Millionen Euro. Wenn wir davon ausgehen, dass der Kulturetat bei etwa einer Milliarde Euro liegt, dann sind das unter 2 Prozent. Und dass man bei uns immer noch etwas mehr herausquetscht, ist für die Motivation im Haus schwierig. Man muss aber sagen: Wir kriegen das schon irgendwie hin. Auch wenn es uns schwer trifft, geraten wir dadurch nicht in existenzielle Nöte. Wir müssen noch nicht an die Arbeitsplätze ran.
taz: Wo müssen Sie dann ran, wenn nicht ans Personal?
Schmidt: Wir haben das Glück, dass wir mit unserer aktuellen Grandshow „Falling in Love“ einen Hit gelandet haben. Wir haben daher außergewöhnlich gute Umsätze. Und das weiß man natürlich im Senat. Insofern ist das in Ordnung, dass wir deutlich belastet werden. Mein Punkt ist jedoch, dass in dieser zweiten Runde keinem anderen Theater mehr Einsparungen auferlegt wurden – außer uns. Aber wir werden das wohl leisten können aus der Rücklage, die wir durch den Gewinn in diesem Jahr bilden werden.
taz: Die Rücklagen sind sicher für etwas anderes gedacht, oder?
Schmidt: Diese Rücklagen bräuchten wir eigentlich für schwierigere Zeiten, die wir durch unseren Produktionsrhythmus regelmäßig haben. Alle zwei Jahre präsentieren wir eine Show, danach stehen drei Monate mit den Proben für die neue Show an. Und da gibt es keine Vorstellungen und damit keine Einnahmen, aber höhere Kosten. Rücklagen sind bei uns also eine gute Sache.
Der Friedrichstadt-Palast ist ein Revuetheater mit langer Geschichte. Etwa 200 Meter vom heutigen Standort in der Friedrichstraße entfernt gab es Am Zirkus (wo sich auch das Berliner Ensemble befindet) einen Theaterbau, der 1865 errichtet wurde. Anfangs standen Pferdedressuren, später Revuen, Lustspiele und Operetten auf dem Programm. Seit 1945 hieß das Haus Friedrichstadt-Palast.
Im alten Friedrichstadt-Palast entstanden ab 1972 DDR-Fernsehsendungen, auch die Unterhaltungsshow „Ein Kessel Buntes“. Konzerte von DDR- und Weltstars fanden hier statt. 1980 wurde das Gebäude nach der Besichtigung durch Bauexperten wegen starker Setzungen der verfaulten Fundamentpfeiler im Boden geschlossen. 1985 begann der Abriss des fast 120 Jahre alten Gebäudes.
Die Grundsteinlegung für den neuen Friedrichstadt-Palast fand 1980 statt. Das Haus wurde 1984 eingeweiht und ist seitdem mit modernster Bühnentechnik ausgestattet, unter anderem mit einem aus der Tiefe des Theaterkellers hervorschwebenden Wasserbassin und einer Eislauffläche. Mit seinen 1.895 Sitzplätzen handelt es sich um den größten Theaterbau in Berlin. Das Gebäude wurde 2020 unter Denkmalschutz gestellt. (heg)
taz: Wie hoch fällt der Gewinn 2024 aus?
Schmidt: Das Jahr läuft noch, das kann man schlecht sagen. Wir werden wohl bei einem Plus von rund 2,5 Millionen Euro landen. Da gehen noch Steuern runter und dann landet man schätzungsweise bei 1,6 Millionen – das entspricht in etwa der alten Einsparsumme.
taz: Damit ist das bei allem Unmut eine recht komfortable Lage. Aber wenn wir in die nächsten Jahre schauen: Wie blicken Sie in die Zukunft? Mit einem sicherlich stets ausverkauftem Haus?
Schmidt: Auch wir merken, dass die wirtschaftliche Situation, die reale und die gefühlte Verteuerung des Lebens, Auswirkungen hat, auch auf den Tourismus. Das Geld sitzt nicht mehr so locker und dass wir stets ausverkauft sind, ist daher nicht gesetzt. Deshalb setze ich große Hoffnungen auf die Gespräche, die Kai Wegner auf den Weg bringen will, um mit der Kultur zu reden, damit sie mitgenommen, damit unser Sachverstand gehört wird. Natürlich kann die Politik dann andere Entscheidungen treffen, aber so hat man immerhin die Möglichkeit, sich zu äußern, bevor entschieden wird.
taz: Dann wünsche ich Ihnen, dass Ihre Hoffnung nicht enttäuscht wird. Weil Sie es eben ansprachen, der Friedrichstadt-Palast ist ja ein Touristenmagnet. Wie setzt sich Ihr Publikum eigentlich zusammen?
Schmidt: Rund die Hälfte, oder leicht darüber, kommt aus der Stadt und der Region, der Rest aus ganz Deutschland, und rund 15 Prozent machen internationale Gäste aus.
taz: Gibt es noch Karten für die Feiertagsvorstellungen, falls unsere Leser:innen noch ein Geschenk suchen?
Schmidt: Es gibt noch Karten, aber die werden jetzt langsam weniger. Doch man findet noch in allen Preiskategorien etwas. Und mit einem Gutschein ist man ja auch immer gut beraten.
taz: Die Show „Falling in Love“ läuft noch wie lange?
Schmidt: Bis Anfang Juli nächsten Jahres.
taz: Dann kommen die drei Monate Schließzeit, während die neue Show einstudiert wird?
Schmidt: Ja, und ab Ende September 2025 beginnen die Previews und Anfang Oktober hat die neue Show „Blinded by Delight“ Premiere.
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