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Institut für MinderheitenfragenKooperation statt Konfrontation

Das Europäische Zentrum für Minderheitenfragen hat seinen Sitz in Flensburg. Es befasst sich mit nationalen und ethnischen Minoritäten in Deutschland.

Kompagnietor in Flensburg: Hier residiert das Europäische Zentrum für Minderheitenfragen Foto: imago

Hamburg taz | Nicht zufällig liegt das European Centre for Minority Issues (ECMI), das europäische Zentrum für Minderheitenfragen, mitten in Flensburg, in einer Stadt mit starker dänischer Minderheit. Die Gründung 1996 war auch ein Reflex auf den Zerfall Jugoslawiens und zugleich ein politisches Signal, Konfliktursachen frühzeitig zu verstehen und Vermittlungsmöglichkeiten zu erarbeiten.

Der Politologe Vello Pettai leitet das ECMI und kennt die Minderheiten-Erfahrung nur zu gut: „Ich bin in den USA geboren, doch stammt meine Familie aus Estland, aus Tartu. Ich fühle estnisch, bin dem Baltikum sehr verbunden, und die Demokratisierung der baltischen Staaten hat mein Leben sehr geprägt.“

Der Begriff „Minderheit“ sei schwammig, sagt Pettai: „Es gibt keine klare Definition dessen, was eine Minorität ist.“ Sie sei eine Gruppe von Menschen mit kulturellen sowie religiösen Prägungen und Eigenheiten. „Minoritäten bewegen sich immer in einem Spannungsfeld, das lässt sich an Städten wie Cottbus und Köln zeigen. In Cottbus sind die Sorben eine Minorität, in Köln die Syrer.

Doch ihre jeweilige Situation könnte unterschiedlicher nicht sein. Aus diesem Grund bezeichnen viele Menschen die erste Gruppe als nationale Minderheit und die zweite Gruppe als Einwandererminderheit. Aber beide sind gleichermaßen daran interessiert, ihre Identitäten zu bewahren.“

Die Diskriminierung wandert ins Netz

Das ECMI befasst sich mit Minderheiten in der Bundesrepublik – den Sorben und Friesen als autochthone Minderheit, den Roma und Sinti sowie den Dänen. So erstellte es für die Schleswig-Holsteinische Staatskanzlei Handlungsempfehlungen zum Friesischen, also zur Sprachenpolitik. Doch der Fokus ist vor allem auf die zahlreichen nationalen und ethnischen Minoritäten in Europa gerichtet.

Das 20-köpfige ECMI-Team arbeitet zu den sechs Schwerpunkten Kultur und Diversität, Konflikt und Sicherheit, Recht und Governance, Politik und Zivilgesellschaft, Gleichheit und Inklusion sowie Deutsch-Dänische Minderheitenfragen. Die Spannweite ist also riesig. „Nationale Minoritäten nehmen zu, gerade seit der historischen Zäsur 1989.“ Pettai weiß: „Inzwischen sind diese Minderheiten viel dynamischer, mobiler, vernetzter, selbstbewusster. Das erfordert eben auch mehr Aushandlungen im Umgang mit Minoritäten-Fragen.“

Gerade ist die Summer School des ECMI für junge Forschende Ende August in Bratislava, Slowakei, ausgeschrieben mit dem sprechenden Titel: „Ungehörte Stimmen: Die Zukunft der Sprachrechte von Minderheiten“. Wie Minderheiten gezielt stumm gemacht und ausgegrenzt werden, beschäftigt Kyriaki Topidi. Die Juristin leitet das Forschungscluster „Culture and Diversity“.

Sie beobachtet, dass die Diskriminierung von Minderheiten zunehmend ins Netz wandert: „Die digitale Sphäre eröffnet ein neues Feld der Minoritäten-Forschung. Es geht um Hass online, der neue Widerstands-Politiken erfordert. Was passiert beispielsweise im Netz mit Frauen, die Minderheiten angehören, wie können sie sich effektiv wehren? Ist da Regulierung hilfreich, oder welche Widerstands-Mechanismen können wirksam sein?“ Topidi untersucht aktuell Islamophobie online, besonders die Strukturen der Abwertung muslimischer Frauen.

Konstruktives Konflikt-Management

Vorschläge für konstruktives Konfliktmanagement zu entwickeln, eine der Aufgaben des ECMI, wird immer wichtiger. Denn das Prinzip Diversität gerät politisch unter Druck. Liefert die deutsch-dänische Situation in Flensburg da ein gelungenes Beispiel, auch das ECMI selbst? Dänemark und Deutschland finanzieren den Jahresetat (1,6 Mio. Euro) zu gleichen Teilen, auf deutscher Seite trägt der Bund 27 Prozent und Schleswig-Holstein 23 Prozent.

Die 3.000 Bände der ECMI-Fachbibliothek sind in der dänischen Zentralbibliothek für Süd­schleswig in Flensburg zugänglich. Pettai gießt Wasser in den Wein: Bei Deutschen und Dänen handle es sich umbeiderseitigeMinderheiten in einer Grenzregion, deshalb sei die Situation so gedeihlich. Eines aber beweist das ECMI mit seiner über 25 Jahre gewachsenen Minderheiten-Expertise im deutsch-dänischen Norden – Kooperation ist besser als Konfrontation.

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