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Insekten als „alternative Proteinquellen“Knabberspaß Schwarzkäferlarve

Dank neuer EU-Regeln können Insekten auch in Deutschland leichter als Lebensmittel vermarktet werden. Das nutzen Anbieter.

Hier mundet eine gegrillte Gottesanbeterin, lecker mit Knoblauch und Basilikum-Essig Foto: ap

„Knusprig und ein bisschen salzig“, sagt Tobias, nachdem er sich die geröstete Schwarzkäferlarve in den Mund geschoben hat. Die gab es in der vergangen Woche am Stand des Bundesentwicklungsministeriums (BMZ) auf der „Grünen Woche“, den der Berliner Schüler mit seiner Klasse besucht hat. Die international wichtigste Messe für Ernährungswirtschaft, Landwirtschaft und Gartenbau ist am Sonntag zu Ende gegangen.

Aus Hunger isst auf der Grünen Woche wohl niemand Insekten – eher schon, um Mut zu beweisen. Doch das könnte sich hierzulande bald ändern. Seit Anfang des Jahres gilt in der Europäischen Union eine aktualisierte Version der Verordnung zu „neuartigen Lebensmitteln“. Mit ihr wird auch in Deutschland die Zulassung von Lebensmitteln auf Basis von Insekten vereinfacht.

Im April will ein Start-up aus Osnabrück den ersten Burger-Patty aus Buffalowürmern auf den Markt bringen. Aus ökologischer Sicht müsse der Fleischkonsum ohnehin reduziert werden, sagt die Lebensmittelwissenschaftlerin Birgit Rumpold. Dann brauche es „alternative Proteinquellen“.

Die Ernährungsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) schwärmt bereits seit einigen Jahren von den ökologischen Vorteilen der Insektenzucht gegenüber der konventionellen Tierhaltung. Insekten produzieren weniger Treibhausgase als Schweine oder Rinder und verbrauchen einen Bruchteil des Wassers. Außerdem sind sie effiziente Esser: Um ein Kilo Körpermasse zuzulegen, brauchen Insekten im Schnitt nur zwei Kilo Futter. Rinder müssen für einen solchen Gewichtszuwachs acht Kilo Futter essen.

Insekten könnten Marktnische erobern

Insekten stehen nach FAO-Angaben derzeit bei über zwei Milliarden Menschen auf dem Speiseplan, vor allem in Teilen von Asien, Afrika und Lateinamerika. Auch in den Niederlanden und Belgien stehen bereits Nudeln mit Insektenanteil in den Supermarktregalen.

Selbst in Deutschland gibt es vereinzelt Restaurants, die auch Insekten anbieten. Wer möchte, kann sich im Internet Lutscher mit Ameisen bestellen. Laut einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov kann sich jeder siebte Bundesbürger vorstellen, Insekten zu essen. Ob sich das auf Knabbereien am Wochenende oder das tägliche Käfermüsli bezieht, ist unklar.

„In unserer Kultur haben Insekten auf dem Teller noch etwas Exotisches“, sagt Stefan Schmitz, Beauftragter der BMZ-Sonderinitiative „Eine Welt ohne Hunger“. Aber: „Ich bin sicher, das wird sich ändern.“

Dass Insekten hierzulande in den nächsten zehn Jahren zu einer Hauptnahrungsquelle werden, glaubt Lebensmittel-Expertin Rumpold nicht. Aber sie könnten eine Marktnische erobern. Vor allem für Menschen, die sich nachhaltig ernähren wollen, seien sie interessant. Und wenn der Ekel überwunden sei, „könnten Insekten-Lebensmittel, ähnlich wie Sushi, auch in Deutschland ein Trend werden“.

Immerhin: Als Snack beim Fernsehen könnten sich auch Tobias und seine Schulfreunde die gerösteten Krabbeltiere vorstellen. Falls die Chips alle sind.

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8 Kommentare

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  • Man kann die Sache auch boshaft bewerten:

     

    Wenn in manchen Betrieben das Ungeziefer überhand nimmt, dann wird es eben als Nahrungsmittel verkauft. Vorteil: Es muß nicht erst teuer angeliefert werden.

  • Solange ein Kilo Mehlwürmer ein Vielfaches mehr kostet als ein Kilo Dönerfleisch, wird das nichts. Wer soll sich das leisten?

     

    Insekten sind was für Besserverdiener. Und die sollten nicht gegen unser Fleisch hetzen!

  • Der Mund knabbert an einer Heuschrecke, nicht an einer religiösen Fangschrecke.

  • Ich kann mir kaum vorstellen, dass das mehr als eine Marktlücke im exotischen Bereich füllt, zumal das garantiert kein billiges Vergnügen ist. Wer Fleisch essen will, der will meist ein Stück Tier essen und keine Maden, Würmer oder sonstigen Knabberkram. Und wer das nicht will, der kann billiger und mit besserem Gewissen Pflanzen essen. Denn dass man da keine Proteine findet, sollte inzwischen als die Legende erkannt worden sein, die es schon immer war.

     

    Für mich (Allesfresser mit gedrosseltem Fleischkonsum) jedenfalls ist das völlig uninteressant, außer eben ein wenig kulinarischer Neugier. Nicht dass ich mich zum Maßstab für alle erklären wollte, aber da müsste schon McDonalds oder so mit billigen Wurmburgern kommen, wenn das in der Masse auch nur minimal den Konsum an Fleisch anderer Tiere verringern sollte.

     

    Naja, wer weiß.

  • 4G
    4932 (Profil gelöscht)

    Und kleine Anmerkung:

    Geröstete Bienen, Hummeln und Schmetterlinge. Obgleich diese ein Vielfaches der feinsten Kaviarsorten kosten, weil sie so exzellent munden aber in der Natur praktisch nicht mehr zu finden sind, kam ein findiger Lebensmittelentwickler auf die Idee, sie zum Abnehmen zu empfehlen. Da kommen 2 Dinge zusammen, die zusammenpassen: Bienen gibt es nicht mehr und Abnehmen sollte fast jeder. Also los Leute, kauft Euch eine leere Tüte Bienen und nehmt damit gleichzeitig ab.

    • 8G
      81331 (Profil gelöscht)
      @4932 (Profil gelöscht):

      ...ist sicher was für die grüne Mittelschicht. Am Wochenende, mit dem SUV-Diesel, DER Übergangstechnologie, auf'n Bauernmarkt düsen und sich eine leere Tüte Bio-Bienen kaufen.

      Gibt's dazu auch eine Weinempfehlung?

      • 4G
        4932 (Profil gelöscht)
        @81331 (Profil gelöscht):

        Nun haben Sie mich wieder mit meinem Halbwissen erwischt.

        Aber da Christian Schmidt, der putzmuntere Minister für Ernährung und Landwirtschaft und jetzt auch noch für Verkehr und die Digitalisierung der Insekten ist (er setzte für die Insekten die beiden digitalen Werte 0 oder 1 an, die Bauern wollten aber die 1 nicht), dieser Herr Schmidt müsste zumindest über die famosen SUVs und den berühmten und feinen Tropfen 'Gold-Glypho' aus Neustadt an der Aisch Bescheid wissen. Beeilen Sie sich mit einer Nachfrage, nicht daß der Mann ins Umweltministerium wechselt und nichts mehr darüber weiß.

  • Karl der Käfer wurde nicht gefragt,

    er wurde einfach

    weggenascht.

     

    Neuer Text zum alten Lied...