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Innere Zweifel an Rot-Grün (4)Welche Medizin?

Barbara Dribbusch
Kommentar von Barbara Dribbusch

Mit der Einführung der Bürgerversicherung verschwände die Subkultur der Privatpatienten. Wird dann nicht alles gleich schlecht?

Nur der Pöbel muss im Wartezimmer warten. Bisher Bild: dpa

Z weiklassenmedizin. Privilegierte Privatpatienten. Schluss damit. Käme eine rot-grüne Regierung, käme auch die Bürgerversicherung. Einheitliche Honorare für die Ärzte. Einkommensabhängige Kassenbeiträge für alle. Wer Privatpatient ist, darf es zwar unter Rot-Grün erst mal noch bleiben, aber Menschen, die sich neu krankenversichern, könnten dann nur noch in die Bürgerversicherung eintreten. Hm.

Da verschwände eine ganze Subkultur: Keine Bevorzugungen der Privatversicherten mehr, keine Luxusärzte mehr in Berlin-Zehlendorf oder München-Bogenhausen mit Ledersesseln im Wartezimmer und HelferInnen, die schnelle Termine ermöglichen. Eine Kultur der Privilegien stirbt aus für die 10 Prozent Privatversicherten in der Bevölkerung, laut grünem Wahlprogramm „gut verdienende Angestellte, BeamtInnen, die meisten Selbständigen“.

Doch will man das wirklich, die Einheitsversicherung? Medizinsozialismus? Ärzte, die keinen Bock mehr haben, weil es kaum noch Privatpatienten gibt? Wird überhaupt irgendwas besser, wenn alle das Gleiche kriegen? Oder nicht alles einfach gleich schlecht?

Andererseits: Was soll noch schlechter werden für die 90 Prozent gesetzlich Versicherten? Die es gut kennen, wenn sie beim Orthopäden erst wieder einen Termin im nächsten Quartal kriegen, obwohl das laufende Quartal erst zur Hälfte abgelaufen ist? Die sich auch bei leichten Beschwerden am Telefon als Notfall ausgeben, damit sie zeitnah in die Praxis kommen können? Oder vielleicht gleich zur Ambulanz ins Krankenhaus gehen?

Privilegien bleiben

Und außerdem: Käufliche Privilegien wird es auch mit Bürgerversicherung geben. Auch dann darf man weiter privat zahlen für die Zahnwurzelbehandlung unter OP-Mikroskop, die Kügelchen vom Homöopathen und chinesischen Firlefanz beim Allgemeinarzt.

Noch ein Punkt, auch für Gutbetuchte: Wenn es ein einheitliches Honorarsystem gibt, lassen sich vielleicht auch wieder mehr Ärzte in den Dörfern nieder. Das hätte auch Vorteile, wenn man sich im Alter mal zurückziehen will. Auf den Landsitz mit Kamin und Streuobstwiese im Allgäu oder in der Mark.

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Barbara Dribbusch
Redakteurin für Soziales
Redakteurin für Sozialpolitik und Gesellschaft im Inlandsressort der taz. Schwerpunkte: Arbeit, soziale Sicherung, Psychologie, Alter. Bücher: "Schattwald", Roman (Piper, August 2016). "Können Falten Freunde sein?" (Goldmann 2015, Taschenbuch).
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4 Kommentare

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  • Langsam wird es aber wirklich Zeit dass der Wahltag kommt sonst lösen Sie sich noch komplett auf vor lauter Selbstzweifeln.

     

    Komisch, Selbstzweifel sind so eine linksliberale Marotte, lesen Sie mal die FAZ, da kennen die sowas gar nicht!

  • NM
    nur mal so bemerkt...

    Eines ist doch klar, absolute Gleichheit kann man nur mit Gewalt erzwingen - und damit sofort eine Gegenbewegung auslösen.

     

    Wer will denn dem - besser betuchten - Patienten verbieten, in eine Privatpraxis zu gehen? Oder dem Arzt zusätzliche Leistungen gegen Bares oder per Zusatzversicherung anzubieten.

     

    Will man all das gleich mit verbieten? Weil es sich auch nicht jeder leisten kann? Dann wird es einen regen Grenzverkehr geben (derzeit kommen die besser gestellten Franzosen bei uns über die Grenze und lassen sich in deutschen Privatpraxen behandeln). Also das auch verbieten, die Grenzen schließen?

     

    Es bleibt dabei, es wird auch weiterhin eine "Mehrklassenmedizin" geben. Egal ob mit oder ohne Bürgerversicherung.

  • G
    Gähn

    Ist der Artikel schlecht. Da hilft auch kein "einerseits" und "andererseits", wenn die Argumente nicht mal für die Stammtischbesucher einer Dorfkneipe ausreichen würden, weil es keine sind. Das ist schlichtweg langweilig.

  • H
    HÄ?

    Was haben denn Privatpatienten für eine Subkultur? Singen die im Wartezimmer?