Innenministerium zu Abschiebehaft: Seehofers fragwürdige Asylpläne
Richter umgehen, Flüchtlinge in gewöhnlichen Knästen: Ein Papier zählt zum Teil illegale Pläne aus dem Innenministerium auf.
Unter anderem denkt das Ministerium darüber nach, dass künftig kein Richter mehr der Haft zustimmen muss. Unter dem Punkt „Fortentwicklung des Ausreisegewahrsam“ haben Seehofers Beamte „Verzichtbarkeit des Richtervorbehalts?“ notiert. Das sei die „Traumvorstellung eines autoritären Staates“, sagt dazu der Rechtsanwalt Peter Fahlbusch aus Hannover, der auf Abschiebehaft spezialisiert ist. Haft ohne Richter sei „glatt verfassungswidrig“.
Dem Mangel an Haftplätzen für Abschiebungen will Seehofer dadurch begegnen, dass Abschiebungshäftlinge künftig in normalen Gefängnissen zusammen mit Strafhäftlingen eingesperrt werden können. Das verbietet die 2010 eingeführte Rückführungsrichtlinie der EU. Der Europäische Gerichtshof hat dieses Verbot 2014 bestätigt. Einige deutsche Bundesländer mussten Abschiebhäftlinge daraufhin freilassen.
Nur in Krisensituationen, in denen eine „außergewöhnlich große Zahl“ von Asylanträgen zu einer „unvorhersehbaren Überlastung“ führt, darf von dieser Regel vorübergehend abgewichen werden. „Eine solche Notlage haben wir aber nicht“, sagt Fahlbusch, „und die kann man sich nicht selber schaffen.“ Das Vorhaben sei deshalb rechtswidrig und „reine Show für die Öffentlichkeit“.
Das gilt wohl auch für den Punkt, dass Ausländer, die nicht mithelfen, Papiere für ihre Abschiebung zu beschaffen, „Konsequenzen für staatliche Erlaubnisse und Leistungen“ zu spüren bekommen sollen. Genau das nämlich ist schon lange im Aufenthaltsgesetz vorgesehen. Das sieht vor, dass in solchen Fällen Leistungen gestrichen und ein Aufenthaltsrecht verweigert werden können. Künftig allerdings will Seehofer Ausländer auch in Haft nehmen, wenn sie nicht dabei helfen, einen Pass zu beschaffen.
Das meiste gibt es, der Rest ist illegal
Schließlich möchte das Innenministerium die „formalen Voraussetzungen“ für die Abschiebungshaft senken. Das soll den „Verwaltungsaufwand bei den Ausländerbehörden“ senken. Damit dürfte gemeint sein, dass die Ausländerbehörden die bis zu 30 Tage mögliche Haft anordnen können, ohne konkret begründen zu müssen, warum diese zur Durchsetzung der Ausreisepflicht unerlässlich ist.
„Das Allermeiste, was auf der Liste steht, gibt es schon, der Rest ist grundgesetzwidrig“, sagt Fahlbusch.
Auch die Grünen-Abgeordnete Filiz Polat kritisiert die Pläne. „Das Innenministerium zerrt mal wieder mit aller Kraft an den europäischen und völkerrechtlichen Regeln“, sagt sie. Die Politik der Abschreckung widerspreche erneut eindeutig der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs. Menschen in Abschiebungshaft sind weder verurteilte Straftäter*innen noch werden sie einer Straftat verdächtigt, dennoch sollen sie bis zu 18 Monate eingesperrt werden. Der Verdacht, sich einer bevorstehenden Abschiebung entziehen zu können, rechtfertige keinen Freiheitsentzug. „Justizvollzugsanstalten sind für den Vollzug des Strafrechts vorgesehen und nicht zur Durchsetzung der Abschiebepolitik des Bundesinnenministers.“
Der Pro-Asyl-Geschäftsführer Günter Burkhardt spricht von „struktureller Entrechtung“. Abschiebungen scheiterten oft an den Zuständen in Afghanistan und anderen Krisenregionen oder den menschenunwürdigen Zuständen in EU-Ersteinreisestaaten, und nicht an fehlenden Abschiebeinstrumentarien, so Burkhardt. „Seehofer will ein rechtsstaatliches Schutzsystem aus den Angeln heben.“
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