Innenminister der Länder zu Flüchtlingen: Einzelfallprüfung auch für Syrer
Aus Sicherheitsgründen: Asylanträge von Syrern sollen wieder von Fall zu Fall entschieden werden. Afghanische Flüchtlinge sollen in „sichere Gebiete“ zurückkehren.
Seit Ende vergangenen Jahres mussten syrische Flüchtlinge ihren Anspruch auf Schutz in Deutschland nicht mehr im Rahmen einer Einzelfallprüfung nachweisen. Vielmehr reicht seither die Erklärung im Rahmen eines schriftlichen Verfahrens.
Innenminister de Maizière drängte bereits seit einiger Zeit auf eine Rückkehr zur Einzelfallprüfung. Er halte es für erforderlich, dass es diese bei allen Flüchtlingen gebe – „ganz gleich aus welchem Land sie kommen“, sagte er in Koblenz. Er freue sich, dass die Innenminister der Länder dies zur Kenntnis genommen hätten. Einen konkreten Termin für die Rückkehr zur Einzelfallprüfung nannte er nicht.
Der nordrhein-westfälische Innenminister Ralf Jäger (SPD) mahnte, dass die Einzelfallprüfung nicht zu einer Verlängerung der Verfahren führen dürfe. Die Migrationsbeauftragte der Bundesregierung, Aydan Özoguz (SPD), forderte, die Asylverfahren weiter zu beschleunigen. „Wir müssen bei der Identitätsprüfung auch von Asylbewerbern aus Syrien, Eritrea und Irak genauer hinschauen“, räumte sie ein. Die Praxis der schriftlichen Befragungen sei gleichwohl „eine gute Grundlage, um mündliche Anhörungen zielführend, kurz und strukturiert durchführen zu können“.
Günter Burkhardt, Pro-Asyl
Grünen-Chefin Simone Peter nannte eine Rückkehr zur Einzelfallprüfung für syrische Flüchtlinge „puren Aktionismus“, der die zuständigen Behörden weiter lähme und die Situation der wartenden Flüchtlinge im Land zunehmend verschärfen würde. Union und SPD entfernten sich mit jedem Tag mehr von ihrem Ziel, Asylverfahren zu beschleunigen.
Die Flüchtlingshilfsorganisation Pro Asyl kritisierte die Rückkehr zur Einzelfallprüfung scharf. „Das wird integrationspolitisch fatale Wirkungen haben“, sagte Pro-Asyl-Geschäftsführer Günter Burkhardt der Nachrichtenagentur AFP. Durch die zeitaufwändige Einzelfallprüfung würden die Betroffenen „in monatelange Warteschleifen“ gedrängt, ohne Arbeit aufnehmen und sich integrieren zu können.
Eine mögliche Begrenzung des Familiennachzugs auch bei syrischen Flüchtlingen war nach Angaben der Minister kein Thema auf der Innenministerkonferenz in Koblenz. Dieses Thema werde innerhalb der großen Koalition in Berlin im Rahmen des geplanten zweiten Asylpakets besprochen, sagte de Maizière. Die Frage der Einzelfallprüfung sei unabhängig davon. Auch Jäger verwies darauf, dass die Frage des Familiennachzugs in der großen Koalition zu entscheiden sei.
Die Innenminister berieten zudem über den Umgang mit Flüchtlingen aus Afghanistan. Sie seien sich einig, dass eine Rückführung von Flüchtlingen in sichere Gebiete dort „grundsätzlich“ erlaubt sei, sagte de Maizière. Gleichwohl werde immer eine Einzelfallprüfung vorgenommen. Pro-Asyl-Geschäftsführer Burkhardt nannte dies „unverantwortlich“: Es gebe in Afghanistan „keine auf Dauer sicheren Gebiete“, sagte Burkhardt. „Das ist ein Spiel um Menschenleben.“
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