Inklusive Olympische Spiele: In nur einer Woche Olympia-Fachfrau
Bei den Olympischen Spielen werden alle zu Expertinnen und Experten. Sogar Alice Schwarzer wird zur Nahkampf-Spezialistin.
U nglaublich, was wir alles allein in dieser ersten Olympiawoche im öffentlich-rechtlichen Fernsehen gelernt haben! Vor allem über Lukas Märtens, tagelang Deutschlands einziger Medaillengewinner, wissen wir nun bestens Bescheid. Zum Glück ist er täglich ins Becken gesprungen, sodass sich das Wissen einschleifen konnte. Zur Rekapitulation: Das mit der Nasennebenhöhlenentzündung vor Olympia war echt fies für den Fan vom 1. FC Magdeburg, dem auch die ganze Familie die Daumen drückt.
Dazu dann noch die zerbrochene Beziehung mit dieser anderen deutschen Schwimmerin, mit der sich der 22-Jährige, der ja so verschusselt und verträumt ist und nicht immer das macht, was sein Trainer sagt, zum Glück immer noch gut versteht und die am Tag von Märtens Goldmedaille auch noch so einen deutschen Rekord aufgestellt hat, aber weinen musste, als sie direkt danach von den TV-Reportern zur Leistung ihres Ex befragt wurde, weil der im Training so hart arbeitet „und verrückte Dinge macht“ und sich das so verdient hat. Diese Gosens, die später dann Bronze über diese lange Strecke geholt hat. Ach Quatsch, Isabel Gose heißt sie. Gosens war ja der Fußballer.
Dass die Australierin Jessica Fox ganz gut Einerkajak und Einerkanu fahren kann, das hat bei manchen wegen der Olympischen Spiele in Tokio, Rio de Janeiro und London vielleicht Spuren im Langzeitgedächtnis hinterlassen. Aber dass sie zugleich ein ganz toller Mensch ist und richtig beliebt unter den Kolleginnen, das haben gewiss manche wieder vergessen. Zum Glück ist auch sie so häufig im Kanal.
80 Millionen Olympiakenner
Aber wir haben uns dazu richtiges Expertenwissen angeeignet. „Schauen sie mal ganz nach unten“, hat der ZDF-Moderator euphorisch gerufen, nachdem Simone Biles unübertrefflich schön geturnt hatte und das Tableau zu sehen war. Stimmt, auf dem achten Platz war die erst 16-jährige Deutsche Helen Kevric notiert. Deren Name war bislang nur Fachleuten vertraut. Aber Experten sind wir nun alle. Ja, aus dieser Kevric könnte was werden. In nur wenigen Wochen sind die etwa 80 Millionen Fußballbundestrainer echte Olympiakenner geworden.
Und die Olympischen Spiele sind ja inklusiv. Zumindest als Expertinnen dürfen alle mitmachen. Selbst diejenigen, die sich nur übers Hörensagen informieren. So äußerte sich die neue Boxexpertin Alice Schwarzer, nebenbei Herausgeberin der Frauenzeitschrift Emma, zum Kampf zwischen der Algerierin Imane Khelif und der Italienerin Angela Carini, der nur im Pay-TV zu sehen war. Der Kampf, erklärte sie, habe bewiesen, wie grotesk es sei, zu behaupten, dass ein als Mann geborener Mensch durch Hormone und Operationen einen Körper wie eine Frau haben könne.
Es liegen zwar keinerlei Hinweise vor, dass Khelif sich Operationen unterzogen hätte oder Hormone genommen hat, aber so hatte selbst Schwarzer mal was zu den Olympischen Spielen gesagt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Pistorius lässt Scholz den Vortritt
Der beschädigte Kandidat
Böllerverbot für Mensch und Tier
Verbände gegen KrachZischBumm
Utøya-Attentäter vor Gericht
Breivik beantragt Entlassung
Haftbefehl gegen Netanjahu
Begründeter Verdacht für Kriegsverbrechen
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin