Initiative „Schule gegen sexuelle Gewalt“: Die Tür aufmachen
„Signale erkennen und helfen“: Die Initiative „Schule gegen sexuelle Gewalt“ soll Schulen zu einem Schutzort für Betroffene machen.
Mit der Initiative „Schule gegen sexuelle Gewalt“, die am Dienstag in Berlin vorgestellt wurde, macht der Unabhängige Beauftragte für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs Johannes-Wilhelm Rörig auf ein heikles Thema aufmerksam: In jeder deutschen Schulklasse sitzen durchschnittlich ein bis zwei Kinder, die sexuellen Missbrauch erleiden.
Rund 12.000 Fälle von sexueller Gewalt an unter 14-Jährigen verzeichnete die Polizeiliche Kriminalitätsstatistik 2015 – und das sind nur die polizeibekannten Fälle. Meist findet Missbrauch in den Familien statt. Aber oft sind die Schulen selbst Tatorte: Übergriffe durch Gleichaltrige oder Pädagogen und, immer häufiger, in sozialen Medien.
„Wir wollen Schulen nicht unter Generalverdacht stellen“, betonte Rörig. Aber nur dort könne man alle Kinder und Jugendlichen erreichen. Zum Start der Initiative, die am 19. September in Nordrhein-Westfalen beginnt und bis Ende 2018 alle mehr als 30.000 Schulen im Bundesgebiet erreichen soll, formulierte Rörig gemeinsam mit VertreterInnen von Lehrergewerkschaften und dem Betroffenenrat ein Ziel: „In Deutschlands Schulen soll zu sexueller Gewalt nicht mehr geschwiegen werden.“ Schulen müssten zu Schutzorten für Betroffene werden.
250.000 Euro pro Jahr
Mithilfe der Kultusministerien in den Ländern sollen auf Regionalkonferenzen SchulleiterInnen und PädagogInnen mit Informationsmaterial versorgt und bei der Erstellung eines Schutzkonzeptes für ihre Einrichtung beraten werden. Das neue Fachportal www.schule-gegen-sexuelle-gewalt.de bündelt aktuelles Wissen und länderspezifische Angebote und Informationen.
250.000 Euro pro Jahr haben Rörig und seine Mitarbeiter für die Aktion zur Verfügung, kofinanziert vom Bundesfamilienministerium. Für die Finanzierung von Fortbildungen und Beratungsangeboten sind jedoch die jeweiligen Länder zuständig.
Dreierlei hindere LehrerInnen bisher daran, auf Missbrauch zu reagieren, sagte Udo Beckmann vom Verband Bildung und Erziehung (VBE): Angst vor Falschbeschuldigungen, mangelndes Wissen und fehlende Qualifikation. Um das zu ändern, müssten die Länder den Schulen mehr Zeit für Lehrerfortbildungen einräumen. Nach Ansicht von Marlis Tepe von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft sind rund 23 Millionen Euro nötig, um alle Schulen ausreichend mit PsychologInnen auszustatten.
Nur eine aufmerksame Person, „einer, der die Tür aufmacht“, hätte ihr als Schülerin geholfen, um den Missbrauch durch ihren Lehrer in den Pausen zu stoppen, sagte Catharina Beuster, die heute im Betroffenenrat sitzt. Sie betonte: „Signale erkennen und zu helfen, das ist die Verantwortung der Erwachsenen!“
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