Influencer und ihr Image: Macher-Männer braucht kein Mensch
Machen tun hauptsächlich andere. In einer komplexen, arbeitsteiligen Gesellschaft kann es gar keine einzelnen „Macher“ geben.
K risen sind oft die Momente charismatischer Macher-Männer. Sie wissen schon, diese „Wir müssen jetzt sofort und unbürokratisch …“-Typen in der Talkshow. Oft sind es CEOs von Unternehmen. Oft sind sie aufgrund von Kohle und Vitamin B in Krisen tatsächlich schnell handlungsfähig.
Vor Kurzem hat das „ZDF Magazin Royale“ Dokumente veröffentlicht, laut denen der Influencer und Unternehmer Fynn Kliemann im ersten Pandemiejahr beim Handel mit Masken geschummelt habe. Kliemann, bis dahin Youtuber mit Fair-Fashion-Label, hatte 2020 verkündet, sein Unternehmen auf „faire Masken aus Europa“ umzustellen.
Das war zu Beginn der Krise, als uns diese Form des Nicht-lange-Fackelns noch Tränen in die Augen trieb. Kliemanns Masken kamen schnell und waren erstaunlich günstig. Er erhielt eine Auszeichnung für Nachhaltigkeit. Der taz sagte er mal über sich im Interview, er könne alles. Und deutete an, wer nicht alles könne, habe bloß Selbstzweifel. Boah. Wattne Charisma.
Recherchen des „ZDF Magazin Royale“ zeigen, dass Kliemann und sein Geschäftspartner Tom Illbruck bloß einen Teil der Masken aus europäischen Fabriken bezogen. Parallel ließen sie laut ZDF Millionen Masken in Bangladesch und Vietnam herstellen, der Textilproduzent Global Tactics verkaufte diese an Großkunden. Kliemann gibt in einem Statement nun zu, er habe nicht transparent kommuniziert, weist aber den Täuschungsvorwurf zurück.
Schnell, fair und billig – warum hat eigentlich niemand früher Verdacht geschöpft? Vielleicht, weil man die realen Kosten der Krise nicht sehen wollte. Sicher aber, weil Kliemann dieses gewisse Charisma des „Anpackers“ hat. Davon lassen wir uns gerne verzaubern. So wie bei Smudo, der uns die Luca-App mit einem „Wir machen jetzt endlich mal“-Gestus verkaufte. Kostete am Ende eine Menge, brachte nix und fiel durch beim Datenschutz.
Der Charismatiker, das sagt Max Weber in seiner Herrschaftssoziologie in etwa, ist ein Absolutist. Er scheißt auf Regeln, etablierte Verfahren, Kontrollen. Der Charismatiker ist zutiefst undemokratisch. „Unbürokratisch“ eben. Der „grüne Unternehmer“ Elon Musk findet, dass für ihn die Regeln der gewerkschaftlichen Selbstorganisation von Arbeiter*innen nicht gelten. Anpacker-Bürgermeister Boris Palmer findet, dass für ihn die Umgangsformen nicht gelten.
Macher-Männer tun oft wirklich Gutes. Ich glaube ihnen sogar, dass sie es ein bisschen gut meinen. Aber sie – und wir – überschätzen den Anteil, den ihr individueller Genius hat. Macher-Männer sind oft zur rechten Zeit am rechten Ort (mit Macht und Geld) und agieren als Katalysatoren. Machen tun hauptsächlich andere. In einer komplexen, arbeitsteiligen Gesellschaft kann es gar keine einzelnen „Macher“ geben. Trotzdem belohnen wir sie mit Preisen, Porträts und Podien. Bis sich ihr Ego zu einer immensen Bubble aufgeblasen hat.
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