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Infizierte in Augsburger WohnanlageEin Heim, das keines sein soll

Nach einem Corona-Ausbruch in einer Augsburger Seniorenwohnanlage sterben 14 Menschen. Pfleger und Besucher werden bis heute nicht getestet.

Durchhalten für Risikogruppen. Dafür wirbt die Stadt Augsburg Foto: Daniel Biskup

München taz | Trotz zahlreicher Coronafälle mit insgesamt 14 Toten setzt die Augsburger Seniorenwohnanlage „Albaretto“ nach wie vor keine strengeren Hygieneregeln um.

So müssen Besucher in dem Haus 4, in dem Pflegebedürftige untergebracht und betreut werden, nach wie vor weder einen negativen Covid-19-Test vor­weisen noch FFP2-Masken tragen, wie es die In­fektionsschutzmaß­nahmenverordnung für bayerische Pflegeheime vorschreibt. Angehörige von Verstorbenen haben gegenüber der taz bestätigt, dass auch das Pflegepersonal häufig keine FFP2-Masken getragen habe, obwohl auch dies seit dem 20. Januar für Pflegeheime Pflicht ist.

Zur Erinnerung: Anfang Februar wurde bekannt, dass sich 66 der einst 87 Bewohner sowie 19 Beschäftigte im Haus mit Covid-19 infiziert hatten. Ein anonymer Hinweisgeber hatte berichtet, dass verschiedene Regeln zum Schutz vor Infektionen nicht eingehalten worden seien. Nach Angaben der taz sind bis heute 14 Pflegebedürftige verstorben.

Dennoch könnte das alles ohne Folgen bleiben. Der Albaretto-Geschäftsführer Bernhard Spiegelberger schreibt der taz in einer Stellungnahme: „Das Albaretto ist vom Rechtlichen her eine Wohnungseigentümergemeinschaft.“ Haus 4 sei kein Pflegeheim. Deshalb ­würden auch die Vorschriften für Eigentümergemeinschaften gelten.

Personal wird nicht getestet

Die Betreuung wird ambulant von Pflegediensten übernommen. Pflegepersonal muss seit dem 15. Dezember 2020 laut Verordnung regelmäßig getestet werden. Der Geschäftsführer hingegen meint: „Das Albaretto ist kein Pflegeheim, und daher muss das Personal auch nicht getestet werden.“ Dass das Team „bis heute nicht getestet“ sei, liege laut Spiegelberger an der zuständigen Ärztin. Die habe die Zusammenarbeit aufgekündigt.

Die Stadt Augsburg, deren Gesundheitsamt für Pflegebedürftige zuständig ist, gibt Spiegelbergers Darstellung sogar teils recht. Gesundheitsreferent Reiner Erben sagt auf Anfrage: „Das Albaretto Haus 4 gilt nicht als Seniorenresidenz im Sinne der Verordnung“, vielmehr sei es „eine private Wohnanlage für seniorengerechtes Wohnen mit Gemeinschaftseinrichtungen“.

Alle, die mit dem Haus 4 zu tun haben, sehen das anders. Es sei genau wie ein Pflegeheim. Es gebe sogar eine eigene Etage für Demenzkranke, die abgesperrt ist, damit die Menschen nicht davonlaufen. So haben es Angehörige von Pflegebedürftigen gegenüber der taz geschildert.

Da die Stadt das Haus als „private Wohnanlage“ einstuft, kam dort bisher auch kein Impfteam vorbei, wie dies mittlerweile in fast allen Heimen in Bayern geschehen ist. Auch wird die Anlage nicht wie sonst üblich vom Medizinischen Dienst kontrolliert. Mittlerweile gibt es zwei Termine für Anfang März, die der Geschäftsführer nach eigenen Angaben selbst organisiert hat.

Pflegeexperte nicht verwundert

Es ist wie ein Pflegeheim und erfüllt auch exakt dessen Aufgaben – wird aber nicht als solches angesehen. Deswegen werden die Bewohner offenkundig weit höheren Risiken ausgesetzt. Kann das sein? Claus Fussek, bekannter Münchner Pflegeexperte und -kritiker, sagt zur taz: „Mich wundert das überhaupt nicht. Im Bereich der Pflege gibt es nichts, was es nicht gibt.“ Fussek fragt: „Wo sind da die Angehörigen, wo ist das Personal, das auf die Barrikaden steigt?“

Wie man es anders machen kann, erzählt Gerold Mück-Krell, Leiter einer Anlage des Roten Kreuzes im niederbayerischen Bad Füssing. Dort gibt es einen Pflegebereich, betreutes Wohnen sowie ambulante Pflege. Um Corona-Infektionen irgendmöglich zu verhindern, werden schon seit Längerem Bewohner und Personal täglich getestet. Besucher müssen am Eingang einen Coronaschnelltest machen.

Im gesamten Haus gilt FFP2-Maskenpflicht für das Personal und für Besucher, auch Bewohner sollen den Schutz nach Möglichkeit tragen. Über die Impfung von Bewohnern und Mitarbeitern sagt Mück-Krell: „Wir sind durch.“

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3 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

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  • Ich schließe mich da voll Herrn Fussek an. Bin selbst Pflegefachkraft seit den frühen 80er-Jahren.

    Da betreibt mal wieder jemand ein "Pseudo-Pflegeheim" und ich frage mich:



    Wo ist die Heimaufsicht? Wo ist der MDK?

    Ein Gebäude, das Pflegebedürftige, anscheinend sogar stationsorganisiert, unterbringt, verpflegt und betreut, ist ein Pflegeheim - nichts anderes.

    Zitat:"Es gebe sogar eine eigene Etage für Demenzkranke, die abgesperrt ist, damit die Menschen nicht davonlaufen."



    Diese Vorgehensweise ist absolut strafbar - oder ist das Gebäude eine anerkannte Psychiatrie?



    Türen abschließen ist absolute Freiheitsberaubung und ist strafbar, darüber sollten sich die Angehörigen mal Gedanken machen.



    Auch bei dementen Hin/Weglaufgefährdeten Personen.

    Mich ärgert das insofern, daß wir jeden Tag mittels GPS-Sendern und einem wachsamen Auge darauf achten, wo unsere Bewohner sind. Aber wir dürfen sie nicht daran hindern, das Haus zu verlassen.

    Solche Unterkünfte gehören sofort als Pflegeheim deklariert, die Betreiber zur Verantwortung gezogen und erstmal Fachpersonal eingestellt, damit dort ein normaler Pflegealltag möglich ist.

  • „Wo sind da die Angehörigen, wo ist das Personal, das auf die Barrikaden steigt?“



    Wo sind alle anderen Mitglieder dieser Gesellschaft, die das massenhafte Sterben in den Heimen seit langer Zeit mit ansehen? Es macht den Eindruck, das würde irgendwo auf dem Mond stattfinden und nicht mitten in dieser Gesellschaft!



    Alten- und Pflegeheime sind seit Jahren ein boomendes Geschäft in der Immobilienwirtschaft. Bereits über 40% der Heime gehören Kapitalgesellschaften. Kleine und große Anleger*innen werden mit bis zu 6% Rendite und „einer staatlich gesicherten Mieteinnahme durch SGB und BSHG“ angeworben. In den Heimen der Kapitalgesellschaften geht es noch enger zu als in staatlichen oder freien. Noch mehr Bewohner*innen müssen in Zwei- oder Mehrbettzimmern wohnen, an Gemeinschaftsfläche sind 5qm pro Person vorgeschrieben, vorbehaltlich einer Vielzahl von Ausnahme- und Übergangsregelungen sowie „Befreiungen“, oder wie in diesem Fall, das Heim formalrechtlich gar nicht erst als Heim laufen zu lassen. Aber nicht nur die bauliche Ausstattung, auch Pfleger*innen sind ein reiner Kostenfaktor in der Kapitalverwertung, werden also nach Möglichkeit eingespart. Eine Jede versuche sich vorzustellen, wie ein alter Mensch, seine Angehörigen und die Pflegekräfte es schaffen sollen, unter diesen Bedingungen Infektionen zu vermeiden, wenn der Virus einmal im Haus ist. Und in das Haus hinein kommt er sehr leicht nicht nur – wie in der Öffentlichkeit oft dargestellt - durch unvorsichtige Besucher*innen, Pflegende und Bewohner*innen, sondern v.a. auch dadurch, dass Bewohner*innen häufig in Krankenhäuser und zurück verlegt werden. Das Thema Verhältnisse in Krankenhäusern, nosokomiale Infektionen (Krankenhausinfektionen) insgesamt, schließt sich hier also direkt an.

    • @Margit Englert:

      Als Angehörige eines Bewohners (nicht Pflegeheim) haben wir bereits im November 2020 sowohl an Augsburgs OB als auch an Bayerns MP eine bis heute unbeantwortete Mail geschrieben und auf die Missstände bzgl Corona hingewiesen. Erst als wir Anfang Januar 2021 das Gesundheitsamt kontaktierten, bekamen wir eine Ansprechpartnerin, die sich der Sache angenommen hat. Leider war es da schon fast zu spät.



      Man muss dazu sagen, dass die Bewohner generell vom Betreiber „eingeschüchtert“ werden. Man äußert besser seine Meinung nicht öffentlich, da man immer mit Konsequenzen rechnen muss. Wer die Essenspauschale nicht bezahlen will, dem wird Lokalverbot im Restaurant angedroht usw. Wenn man den Betreiber direkt anschreibt, bekommt man beleidigende Antwortbriefe, die teilweise unter die Gürtellinie gehen. Daher trauen sich viele Bewohner nicht, etwas gegen Herrn S. zu unternehmen. In der Lokalpresse werden z.B. Leserbriefe, die negativ gegen das Albaretto sind, größtenteils nicht veröffentlicht.



      Welche Möglichkeiten haben dann Bewohner und Angehörige?



      Übrigens, dass jetzt ein Impfteam organisiert wurde, kommt auf Initiative von Bewohnern. Ja, die Organisation wird vom Albaretto übernommen. H.S. hat im Januar noch geschrieben, dass keine Impfung in seinen Räumen stattfinden wird. Wenn dann in den Appartements der Bewohner.



      Das Gesundheitsamt hatte für heute und morgen Tests angeboten. In einem Schreiben vom 23.2.2021 hat Herr S. den Bewohnern abgeraten, sich testen zu lassen. Begründung: wer positiv ist, darf die Wohnung 14 Tage nicht verlassen...



      was will man von diesem Menschen erwarten. Dem geht es immer schon nur ums Geld. Ihn interessieren weder Mitarbeiter noch Bewohner.