Infektionen beim Versandhändler: Corona-Hotspot Amazon

Im Logistikzentrum von Amazon in Garbsen haben sich 250 Mitarbeiter*innen mit dem Coronavirus infiziert. Wo sie sich angesteckt haben, ist unklar.

ArbeiterInnen stehen an einem Sortierband voller Pakete

Da war noch kein Hygiene­konzept nötig: Amazon-Angestellte in Garbsen vor der Pandemie Foto: Peter Steffen/dpa

HANNOVER/GARBSEN taz | Im Zweifel sind die Arbeitnehmer*innen natürlich selbst schuld. Amazon erklärt jedenfalls, am eigenen Hygienekonzept könne es nicht gelegen haben und das Gesundheitsamt der Region bestätigt das. Trotzdem sind oder waren im Verteilzentrum des Onlineversandhändlers in Garbsen bei Hannover 250 Mitarbeiter*innen mit dem Coronavirus infiziert. Etwa die Hälfte von ihnen hat die Quarantäne schon wieder verlassen und gilt als genesen. 125 Menschen gelten als akut infiziert.

Die beunruhigenden Zahlen haben Reihentestungen des Gesundheitsamtes zu Tage gefördert, die wiederum wegen der Häufungen in den Wochen zuvor angeordnet wurden. Alle – in der Weihnachtszeit bis zu 900 – Mitarbeitenden mussten sich in der vergangenen Woche zweimal testen lassen, ohne negatives Testergebnis darf bis zum Ende des Jahres niemand mehr aufs Gelände.

Allerdings sollen rund zehn Prozent der Beschäftigten den Test verweigert haben, aus welchen Gründen ist unbekannt. Das gerade in der Hochsaison viele Leiharbeiter*innen beschäftigt werden, macht die Lage zusätzlich unübersichtlich.

Nun gibt es das große Rätselraten um den oder die Infektionsherde. Amazon betont stets, dass die hauseigenen Hygienekon­zepte sogar über die Anforderungen des Landes hinausgehen. So würden zum Beispiel an allen Arbeitsplätzen zwei Meter statt 1,50 Meter Abstand eingehalten.

Schwachstellen sind die Raucherbereiche und die Anfahrt

Das Gesundheitsamt der Region Hannover bestätigt das und lobt den Betrieb für seine Umsicht und Kooperationsbereitschaft. Überprüft hat man das Konzept im Frühjahr, noch in der ersten Welle. Bei einer erneuten Überprüfung in der vergangenen Woche hat man dann allerdings doch noch zwei Schwachstellen ausgemacht: Die Bereiche zum Rauchen und die Anfahrt.

Die Arbeiter*innen werden mit Shuttlebussen von der Straßenbahnhaltestelle zum Werk und zurück gefahren, hier soll es zu Gedrängel und Überbelegungen gekommen sein, berichtete ein Reporter der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung (HAZ), der sich vor Ort umgesehen hatte.

Amazon hat daraufhin den Einsatz von mehr Bussen und einem Sicherheitsdienst zugesagt – obwohl die Haltestellen außerhalb des Werkgeländes liegen und damit eigentlich auch außerhalb des Zuständigkeitsbereiches des Konzerns.

So ganz überzeugt davon, dass der Transport die Ursache für den Ausbruch ist, ist man allerdings nicht. Wenn dem so wäre, müsste es ja einen Schwerpunkt bei einer Schicht geben, sagte ein Amazon-Sprecher zur HAZ. Die Infektionen verteilen sich aber gleichmäßig über alle drei Schichten.

Unter den Betroffenen sind viele Geflüchtete

Der Konzern verortet das Problem eher im „privaten Bereich“. Unter den Infizierten befinden sich auch etliche Geflüchtete, die in zwei Sammelunterkünften in der Umgebung leben.

Das wiederum erinnert an einen ähnlichen Ausbruch beim Paketdienstleister UPS im nahe gelegenen Langenhagen. Auch hier waren die Bewohner*innen von zwei Flüchtlingsunterkünften überproportional betroffen. In der Folge gab es dann auch Infektionen in Kitas und einer Schule, die von Kindern aus den Unterkünften besucht wurden.

Der Flüchtlingsrat kritisiert schon lange die Unterbringung in Sammelunterkünften als gesundheitsgefährdend. Zumal sich Gesundheitsämter in vielen Fällen bisher nicht anders zu helfen wussten, als umfassende Quarantänen zu verhängen und damit jedes Mal hunderte Personen, auch Familien mit Kindern, einfach einzusperren. Die Impfempfehlung der Ständigen Impfkommission verortet die Bewohner*innen von Gemeinschaftsunterkünften daher auch in der Priorisierungsgruppe 3 – noch vor Lehrern*innen und Erzieher*innen.

Wie das Gesundheitsamt in diesem Fall mit den Unterkünften oder auch den Testverweigerern umgeht, war bis Redaktionsschluss nicht in Erfahrung zu bringen.

Zu den Infektionen kommen auch noch die Streiks

Die Lage in dem Ort vor den Toren Hannovers ist angespannt, weil es auch in zwei Altenheimen schon Ausbrüche gegeben hat. Die Sieben-Tages-Inzidenz pro 100.000 Einwohner*innen lag in Garbsen am Dienstag bei 331, in der Region insgesamt bei 162,9. Viele Einwohner*innen fragen sich, ob der öffentliche Nahverkehr hier nun nicht vielleicht doch zur Gefahrenquelle wird.

Immerhin sollte es ein Heraustragen der Infektion etwa durch Paketboten nicht geben: Aus dem Verteilzentrum in Garbsen wird nichts direkt geliefert, hier wird vorsortiert und umgepackt für die eigentlichen Auslieferungslager. Und auch die Arbeitsbereiche der LKW-Fahrer*innen und Amazon-Mitarbeiter*innen sollen hinreichend voneinander isoliert sein, heißt es.

Geschäftlich erwischt der Ausbruch Amazon allerdings ungünstig: Der zweite Lockdown hat noch einmal für einen Anstieg bei den Bestellungen gesorgt, gleichzeitig hat Ver.di in mehreren anderen Amazon-Werken bis Weihnachten zum Streik aufgerufen, um endlich eine Bezahlung nach Tarif durchzusetzen.

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