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Indigene in KolumbienAngst vor der Doppelkatastrophe

Die Indigenen in Kolumbien kämpfen nicht nur gegen das Corona-Virus. Seit fast zwei Wochen brennt die nahe gelegene Sierra. Hilfe bleibt aus.

Sierra Nevada de Santa Marta im März 2019: Hier brennt es jetzt wieder Foto: Thomas Linkel/laif

Bogotá taz | Im höchsten Küstengebirge der Welt kämpfen sie derzeit nicht nur gegen das Coronavirus, sondern gegen den Verlust ihrer Lebensgrundlage: Denn Feuer kommen den Dörfern und den Anbauflächen der Indigenen an der kolumbianischen Küste immer näher. Vier indigene Ethnien leben dort in selbstverwalteten Reservaten: die Kankuamo, die Wiwa, die Kogui und die Arhuaco.

Feuerwehr, Armee und Zivilverteidigung kämpfen gegen die Flammen – ohne Wasser, sondern mit Erde und Spaten. Die Indigenen säubern mit Macheten das Unterholz und heben Gräben aus, um die Brände zu bremsen, berichtet Ana Ilba Torres Torres der taz. Die Anwältin ist Anführerin in ihrer Gemeinschaft und organisiert von Bogotá aus humanitäre Hilfe für das Gebiet.

Doch wie derzeit fast überall nimmt auch in Kolumbien die Coronavirus-Pandemie alle Aufmerksamkeit in Anspruch. Eine Woche dauerte es laut Medienberichten, bis aus der Hauptstadt Bogotá zwei Löschflugzeuge eintrafen.

Zwei Wochen nach Beginn der Brände sind diese immer noch außer Kontrolle. Die Feuer sind im Gebirge schwer zugänglich, der starke Wind befeuert sie. Die trockenen Bäume und das Laub brennen wie Zunder.

Jetzt auch noch Waldbrände

Wiwa-Familien mussten bereits vor Rauch und Feuer fliehen, berichtet der Arhuaco-Anführer und internationale Aktivist Asdrubal Torres Torres. Es seien schätzungsweise 1000 Hektar Wald abgebrannt. Die Feuerwehr vermutet, dass Bauern die Feuer gelegt haben, um Land für Ackerbau vorzubereiten – was verboten ist.

Vor gut einem Jahr brannte die Sierra Nevada schon einmal. Die Feuer zerstörten die traditionellen Häuser mit Grasdächern von mindestens 200 indigenen Familien und über 1.000 Hektar Wald. Ein unwiederbringlicher Verlust, da damit die Arbeit von Jahrzehnten und ein Teil des kollektiven spirituellen Erbes verloren ging.

Unser größte Gegner ist die Erderwärmung

Indigene Völker

Die indigenen Völker der Sierra Nevada sind bedroht. Sie müssen ihren Lebensraum gegen die Begehrlichkeiten von Behörden und Bergbaukonzernen verteidigen. Ihr größter Gegner, das betonen sie auch jetzt, ist aber die Erderwärmung. Die Dürreperioden werden immer drastischer, manche Nutzpflanzen können sie schon nicht mehr anbauen.

Die Sierra Nevada de Santa Marta ist ein einzigartiger Ort. Sie beherbergt nicht nur mit der Ciudad Perdida eine der wichtigsten präkolumbianischen archäologischen Stätten des Kontinents, vergleichbar mit der Inkastadt Machu Picchu in Peru. Die Berge sind auch ein Hotspot der Biodiversität – mit vielen endemischen Tier- und Pflanzenarten auf relativ kleiner Fläche.

Hohe Artenvielfalt

Etwa 50 Vogelarten und Unterarten leben nur hier. Bei etwa einem Dutzend Vogelarten kommt sie im deutschen Namen vor – vom Santa-Marta-Kolibri über den Santa-Marta-Zaunkönig bis hin zu einer dort erst kürzlich neu entdeckten Eulenart.

Wegen dieser Vielfalt kommen Vogelfreund*innen aus aller Welt in die Sierra Nevada. Dort befindet sich mit 5.800 Metern auch der höchste Berg Kolumbiens – und mit die letzten schneebedeckten Gipfel. Die Indigenen tragen deshalb traditionell weiße Gewänder, manche spitze Hüte als Symbol der Gipfel.

Doch die Gletscher sind rasant geschrumpft. Die Feuer bedrohen sie zusätzlich. Im unteren Bereich der Sierra haben sie mindestens 200 Hektar tropischen Trockenwald zerstört. Er gilt als grüne Lunge der Regionshauptstadt Santa Marta.

Die Brände sind bereits bis auf acht Kilometer an das Bergdörfchen Minca herangerückt, das bei Rucksacktourist*innen beliebt ist als Ausgangspunkt für Wanderungen und Vogelbeobachtung. Während das Wasser in der Bucht von Santa Marta wegen der Corona-Quarantänemaßnahmen so klar und sauber ist wie schon lange nicht mehr, leiden die Menschen in den Bergen unter Rauch.

Etwa 30.000 Indigene leben in der Sierra Nevada de Santa Marta. Wie alle indigenen Völker Lateinamerikas sind sie Infektionen besonders schutzlos ausgeliefert. Es gibt dort weder Krankenhäuser noch ausreichend Ärzt*innen. Viele Mitglieder sind alt.

Wegen der Pandemie haben sich die Indigenen in ihre Dörfer in Quarantäne begeben und ihre Territorien abgeriegelt. Der Gouverneur hat auf ihre Bitten die Nationalparks Tayrona und Sierra Nevada geschlossen und den Gesundheits-Notstand ausgerufen. Das soll vermeiden, dass ausländische Tourist*innen das Coronavirus in die indigenen Territorien tragen.

Die meisten Gemeinschaften leben von dem, was sie anbauen oder in den Bergen finden. Wegen der Quarantäne ist damit Schluss. Die Indigenen rufen deshalb um humanitäre Hilfe – und hoffen, dass ihre Äcker nicht abbrennen.

Von den rund 115 indigenen Gruppen Kolumbiens hat bisher nur das Nomadenvolk der Yukpa zwei bestätigte Infektions-Fälle. Die Nationale Indigenen-Organisation ONIC warnt besonders die Gemeinschaften an der Grenze zu Ecuador vor Ansteckung – im Nachbarland war die Zahl der Infektionen zuletzt rapide angestiegen.

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1 Kommentar

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  • Wo spendet mensch hin, wenn er die humanitäre unterstützen möchte?