Indiens umstrittenes Migrationsgesetz: Mehr Proteste gegen Modi

In Delhi Schlug die Polizei Demos nieder, die sich gegen das neue Staatsbürgerschaftsgesetz wandten. Seitdem wächst der Widerstand.

Verletzte sitzen vor Mikrofonen.

Protestierende Studenten sprechen in Neu-Delhi über Polizeigewalt an ihrer Uni Foto: Manish Swarup/AP/dpa

MUMBAI taz | In Indien gehen die Proteste gegen das umstrittene Einbürgerungsgesetz weiter. Allein in Kolkata demonstrierten am Dienstag Zehntausende. Das letzte Woche verabschiedete Gesetz soll illegal eingereisten Migranten aus drei muslimischen Nachbarländern die Einbürgerung erleichtern – sofern sie selbst keine Muslime sind.

Konkret geht es um Verfolgte religiöser Minderheiten aus Afghanistan, Bangladesch und Pakistan wie Hindus, Christen, Sikhs, Buddhisten, Jaina und Parsen. Doch ist es eben Indiens erstes Gesetz, dass die Staatsbürgerschaft von der Religion abhängig macht.

In Kolkata führte Westbengalens Regierungschefin Mamata Banerjee am Dienstag die Proteste an. Sie sagte, dass es der hindunationalistischen Partei von Ministerpräsident Narendra Modi nur darum gehe, den Islam zu unterdrücken. Neben der Kritik, dass das Gesetz Muslime diskriminiere, befürchten Menschen in den Grenzregionen einen Zustrom von Migranten.

Auch in der Wirtschafts- und Finanzmetropole Mumbai wurde jetzt demonstriert. „Es war überwältigend und ein guter Start“, um zu zeigen, dass wir gegen das neue Gesetz sind“, sagte ein Ingenieurstudent, der nicht namentlich genannt werden wollte.

Polizeigewalt heizt Protetse an

Überall in Indien demons­trierten junge Menschen, nachdem aus dem Norden Bilder zirkulierten, die zeigen, wie Studierende von der Polizei angegriffen und verletzt wurden.

In Delhi, wo auch am Dienstag wieder demonstriert wurde, war am Sonntag in zwei muslimischen Universitäten die Situation eskaliert. Nachdem Busse in Brand gesetzt worden waren, hatte die Polizei Tränengas und Schlagstöcke eingesetzt.

Die Aufnahme von einer 22-Jährigen, die sich Polizisten mit Schlagstöcken entgegenstellt, um einen Freund zu schützen, berührte viele. Als Antwort auf die Polizeigewalt schlossen sich inzwischen Studierende mehrerer Hochschulen dem Protest an.

Begonnen hatten die Proteste vergangene Woche im nordöstlichen Bundesstaat Assam, der an Bangladesch grenzt und vom neuen Staatsbürgerschaftsgesetz besonders betroffen ist. Kurz davor war zudem in Assam ein ebenfalls umstrittenes Personenregister eingeführt worden, das Tausenden Muslimen quasi die indische Staatsbürgerschaft abspricht. Medienberichten zufolge wird dort bereits an einem Abschiebelager gebaut.

All das führte zu Widerstand in Assam, wo die illegale Migration ein großes Thema ist. Landesweite Massenproteste, bei denen mehrere Personen ums Leben kamen, folgten.

Einige Bundesstaaten wollen neues Gesetz nicht anwenden

Einige Ministerpräsidenten indischer Bundesstaaten haben inzwischen angekündigt, den sogenannten Citizen Amend Act (CAA) nicht anzuwenden. Sie sehen im Ausschluss von Muslimen einen Verstoß gegen Indiens säkulare Verfassung. Ähnlich urteilt das Genfer UN-Menschenrechtsbüro, welches das Gesetz als „grundlegend diskriminierend“ bezeichnet.

Für den Ingenieurstudenten aus Mumbai, wo es jetzt friedlich blieb, ist Teilhabe keine Frage der Religion. „Es ist eine Frage von richtig und falsch“, sagt der junge Hindu.

Die Übersetzerin Priyanka Sarkar kam mit Freunden zur Solidaritätskundgebung in Delhi. „Diese Brutalität hat mich bewegt“, sagt sie. „Indien sollte erst seine eigenen Probleme lösen.“ Es sei nicht so, dass hier niemand verfolgt werde. Damit spielte sie auf die schwierige Lage von Muslimen in Indien an.

Man könne sich 200 Millionen Muslime nicht wegwünschen, mahnt der Buchautor Chetan Bhagat, der bislang als regierungsfreundlich galt. „Versucht das und Indien wird brennen, die Wirtschaft wird zusammenbrechen und unsere Kinder werden unsicher und arbeitslos sein“, twittterte er. Indiens Konjunktur steckt schon jetzt in einem Sechsjahrestief. Die aktuellen Proteste sind die heftigsten seit Modis Amtsantritt 2014.

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