Indiens Beziehung zu Russland: Narendra Modi trifft Wladimir Putin
Der Russland-Besuch des indischen Premiers fördert die engen indisch-russischen Beziehungen. Modi demonstriert gleichzeitig strategische Unabhängigkeit.
Im Juni hatte Modi in Italien beim G7-Gipfel noch die Spitzen der führenden Industriestaaten getroffen, bei denen der 73-Jährige längst Stammgast ist. Zudem traf er dort auch den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj.
Auch wenn Indien bisher Russlands Ukrainekrieg nicht verurteilte und nur an beide appellierte, ihre Feindseligkeiten beizulegen, pflegt Delhi mit West und Ost gleichermaßen gute Beziehungen.
Modi kommt jetzt auf Einladung von Präsident Wladimir Putin nach Moskau und wird am 22. indisch-russischen Gipfel teilnehmen, bevor es weiter nach Österreich geht. Auf der Agenda stehen Kooperationen bei Verteidigung, Handel, Investitionen, Energie, Bildung sowie Themen der regionalen und globalen Entwicklungen.
Erstes Treffen mit Putin seit Beginn der Ukraine-Invasion
Seit Beginn des russischen Angriffskrieg vermieden Modi und Putin persönliche Treffen und bevorzugten Telefonate. So schickte Putin im letzten Jahr seinen Außenminister zum G20-Gipfel nach Delhi und Modi entsandte seinen Außenminister nach Russland.
Im Vorfeld betonte Außenminister Subrahmanyam Jaishankar jetzt, die starke historische Zusammenarbeit sei „eine großartige Gelegenheit für Premier Modi und Präsident Putin, sich zusammenzusetzen und direkt miteinander zu sprechen“.
Indien bezieht nicht nur große Mengen Rohöl aus Russland, sondern importiert mit 36 Prozent nach wie vor die meisten Rüstungsgüter von dort. Zwar verschoben sich in letzter Zeit die Rüstungslieferungen zugunsten von Frankreich und den USA. Doch ist Indiens Militär russisches Gerät gewöhnt und auf Ersatzteile von dort angewiesen.
Das zeigt auch der bilaterale Handel, der zuletzt das Rekordniveau von über 65 Milliarden US-Dollar erreichte, damit aber noch unter Indiens Handelsvolumen mit der EU liegt, das 133 Milliarden Dollar beträgt. Russlands wichtigste Exporte nach Indien sind Öl, Erdölprodukte, Kohle, Dünger, Edelsteine, Metalle und Pflanzenöle. Indien exportiert nach Russland Arzneimittel, Chemikalien, Maschinen, Eisen, Stahl, Tee, Kaffee und Tabak.
„Russland ist Indiens Quelle für Militärtechnologie“
Gerade erst berichteten Medien, dass 35.000 Sturmgewehre AK-203 eines gemeinsamen Unternehmens, das in Nordindien produziert, an Indiens Streitkräfte übergeben wurden. Es zeigt laut indischer Regierung die wachsende Zusammenarbeit im Verteidigungssektor.
„Man darf nicht vergessen, dass Russland Indiens wichtigste Quelle für moderne Verteidigungstechnologien war und ist, auch in so sensiblen Bereichen wie Raketentechnik und dem Bau von Atom-U-Booten“, sagt der US-Militäranalyst Anthony Bell.
Modis Russlandbesuch fällt zeitlich mit dem Nato-Gipfel in Washington zusammen, bei dem es auch um das Schicksal der Ukraine gehen wird. Manche sehen in Modis Reise eine Demonstration von Indiens strategischer Unabhängigkeit. Andere vermuten, Modi könnte die Rolle eines Friedensstifters anstreben. Meenakshi Ganguly von Human Rights Watch fordert, dass Modi zum Krieg klar Position bezieht.
Bisher konnten politische Entwicklungen die Freundschaft zwischen beiden Staaten nicht brechen. Doch belasten die Beziehungen derzeit Fälle, in denen indische Staatsbürger mit falschen Versprechungen zum Kämpfen für Russland an die ukrainische Front gelockt wurden. Modi dürfte Putin zum bereits verlangten Stopp der Rekrutierung von Indern und auf ihre Rückkehr aus den Kriegsgebieten in der Ukraine drängen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
Scholz und Pistorius
Journalismus oder Pferdewette?