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Indie-Band Swansea SoundEbay essen Seele auf

Swansea Sound aus Bristol sind eine Indie-Supergroup, die den Gedanken der Unabhängigkeit feiert: Mit eigenem Label und schön schrägen Hymnen.

Indierocker, die auf ihre alten Tage immer noch Indierock machen: Swansea Sound aus Bristol, UK Foto: Catrin Saran James

Swansea Sound war der Name einer beliebten Radiostation in der walisischen Küstenstadt. 2020 wurde der Sender von Bauer Radio, einem britischen Ableger der deutschen Bauer Media Group, aufgekauft. Seither nennt er sich Greatest Hits Radio South Wales, die Musik dudelt seelenlos vor sich hin.

Dass die britischen Künst­le­r:in­nen Amelia Fletcher, Rob Pursey, Huw Williams und Ian Button ihre Band Swansea Sound nach diesem Radiosender benannt haben, ist ein Statement. Die vier haben jahrzehntelange Erfahrungen im Musikbusiness, jede für sich sind sie Pioniere des britischen Indiepop: Amelia Fletcher war Sängerin der Band Talulah Gosh, ihr Ehemann Rob Pursey spielte dort Bass, später gründeten sie gemeinsam die Band Heavenly. Ian Button war Gitarrist der Thra­shing Doves und Death in Vegas; Huw Williams Kopf der walisischen Band The Pooh Sticks.

Letztere hat sich schon in den achtziger Jahren über das Musikbusiness lustig gemacht, mit Songs wie „Indiepop Ain’t Noise Pollution“ und „I Know Someone Who Knows Someone Who Knows Alan McGee Quite Well“ (in Anspielung auf den Gründer des einflussreichen Labels Creation Records, den Schotten Alan McGee).

Kritik an den Zuständen der Musikindustrie ist auch bei Swansea Sound elementarer Bestandteil des Programms: „Indies of the world / Be part of the solution / You gotta fight / Spotify corruption / We’ll see the light / when the tambourine starts to play“, heißt es in „Indies of the World“. Wobei man sich fragen kann, ob das nicht schon Zynismus ist.

Das Album

Swansea Sound: „Live at the Rum Puncheon“ (Skep Wax/Finest Vinyl)

„Indies of the World“ schaffte es in die britischen Top Ten

Rob Pursey sagt im Gespräch mit der taz: „Der Einfluss, den man als Band auf einem kleinen Label hat, ist sehr – begrenzt. Aber gleichzeitig glaube ich, dass Botschaften, die man in die Welt lässt, manchmal lauter sind, als man denkt. Bands, die bei Major Labels veröffentlichen, tun sich sehr schwer damit, etwas gegen Streamingdienste wie Spotify zu sagen. Oft müssen sie Geheimhaltungsklauseln in ihren Plattenverträgen zustimmen, viele Künst­le­r:in­nen haben Angst, öffentlich über ihren Frust zu sprechen. Das aber ist die künstlerische Freiheit, die wir haben: Wir können sagen, was wir wollen.“

Moment, lupenreiner Indie-Idealismus eines Mittfünfzigers, der sein Geld heute als Produzent beim britischen Fernsehen verdient? Krass! Noch krasser: Die Single von Swansea Sound hat es im März in die britischen Top Ten geschafft. Darüber lacht Amelia Fletcher immer noch: „Unsere erste und einzige Top-Ten-Single!“ Rob erklärt, wie das passieren konnte: „Die Singles waren komplett vorbestellt und schon bezahlt. Das heißt, dass sie alle am Erscheinungstag als verkauft gezählt wurden. Wir hatten nur 300 Exemplare pressen lassen. Das hat gereicht, um uns auf Platz zehn der Single-Charts zu katapultieren.“

Aus Idealismus und Spaß an der Sache haben Fletcher und Pursey vor gut einem Jahr auch ein eigenes Label gegründet, Skep Wax. Erste Veröffentlichung war die Swansea-Sound-Single, „I Sold My Soul on Ebay“. Auflage: ein Exemplar. Sie haben es auf Ebay versteigert. „Natürlich haben wir das auch gemacht, um mehr Aufmerksamkeit zu bekommen“, erzählt Rob Pursey. „Aber wir wollten auch gegenrechnen, wie oft die Single gestreamt werden müsste, um dieselbe Summe einzubringen.“ Was gar nicht so einfach ist, denn es ist unterschiedlich, wie viel Geld an die Mu­si­ke­r:in­nen fließt. Wahrscheinlich wären Streams im unteren sechsstelligen Bereich dafür nötig.

Rob: „Jemand aus Deutschland hat für umgerechnet 470 Euro den Zuschlag bekommen. Weil das viel mehr war, als wir erwartet hatten, haben wir die Hälfte einer Vereinigung kleiner Musikclubs gespendet, um zu zeigen: Man kann, wenn man unabhängig agiert, überzähliges Geld Leuten geben, die bessere Dinge damit anstellen als die Plattenmultis und Spotifys dieser Welt.“

„Indie“ nur noch als Genrebegriff

Auch wenn sie damit nicht ihren Lebensunterhalt verdienen müssen, ist es Fletcher und Pursey ernst mit ihrem Independent Label. Amelia ist Professorin für Wirtschaftswissenschaften, sie hat hohe Auszeichnungen als Ökonomin bekommen und einen Direktorinnenposten bei der britischen Competition & Markets Authority inne, einer Institution vergleichbar mit dem Bundeskartellamt.

„Heute gilt ‚Indie‘ nur noch als Genrebegriff“, sagt sie. „Ein Fake, mit dem Tochterfirmen von großen Labels für ihre Künst­le­r:in­nen werben. Die Majors besitzen in der Regel auch die Rechte an deren Musik, das ist fast wie beim Studiosystem in Hollywood – die Multis fällen die künstlerischen Entscheidungen, die Mu­si­ke­r:in­nen bekommen eine Art Lohn für die Ausführung. Auch darum geht es uns beim Independent-Gedanken, dass die Musiker:in­nen frei sind in ihren künstlerischen Entscheidungen. Wirklich interessante Werke erscheinen auf den unabhängigen Labels, bevor die Majors darauf anspringen. Ich hoffe, dass die Majors kapieren, dass sie die kleinen Labels brauchen, weil sie von deren Trüffelsuche leben.“

Mit ihrer Band Heavenly waren Fletcher und Pursey einst beim legendären Bristoler Indie-Label Sarah Records unter Vertrag. „Inzwischen gibt es einen Kult um die Plattenfirma“, sagt Rob Pursey. „Es wird viel darüber geschrieben – weil die Leute heute bass erstaunt darüber sind, dass ein unabhängiges Label damals so erfolgreich sein konnte.“

Mit ihrem eigenen Kleinlabel Skep Wax stellen Fletcher und Pursey unter Beweis, dass auch in der Gegenwart mehr Nachhaltigkeit möglich ist, als viele denken: Sie sind Teil eines Netzwerks von Indie-Labels in verschiedenen Teilen der Welt, auch in den USA und in Japan – somit können sie ihre Musik fast weltweit vertreiben, ohne sich von den großen Playern abhängig zu machen.

Überzeugung und Spaß am Handwerk

Natürlich geht es Swansea Sound auch um den Spaß an der Musik. Es ist fast rührend, wie die vier mit Mitte 50 noch so rumpeligen wie melodieverliebten Pop raushauen. In Songs wie „Corporate Indie Band“ ätzen sie dabei gegen die wirtschaftlich stärker ausgepolsterte Konkurrenz, in „Freedom of Speech“ kotzen sie ab über nach rechts abgedriftete Pop-Trolle wie Morrissey und John Lydon. Aber auch für Liebesleid ist Platz, und für eine sentimentale Nabelrückschau in dem Song „The Pooh Sticks“. Dabei bleibt völlig unklar, ob sie in „Angry Girl“ über ihre eigene Vergangenheit singen oder über die Gegenwart ihrer Kinder.

Ihr Handwerk haben sie dabei noch aufs Schönste drauf: Ein aus Überzeugung leicht schepperndes Schlagzeug, Gitarren, die eine Bandbreite menschlicher Gefühlslagen abbilden, mehrstimmige Gesangsdialoge und detailverliebt gesetzte, impressionistische Tupfer von Orgel und Gesang. Okay, diese Musik klingt wie vor dreißig Jahren, lässt aber beim Hören keinen Moment einen Zweifel daran aufkommen, dass sie im Hier und Jetzt spielt und aus tiefstem Herzen kommt. „Live at the Rum Puncheon“ ist kein Livealbum, der Titel des Debüts ist eine Hommage an einen längst geschlossenen Pub in Swansea.

Dass der Brexit einem kleinen Label das Leben zusätzlich erschwert, mussten Rob Pursey und Amelia Fletcher auch erfahren, darum haben sie sich in Deutschland einen direkten Vertriebspartner gesucht: „Sonst muss eine Menge an Zollgebühren abgeführt werden, und viele Leute in der EU haben keine Lust, Sachen aus Großbritannien zu bestellen, weil sie befürchten müssen, dass sie in der Zollabfertigung stecken bleiben.“

Das hat sie auch aus einer anderen Bredouille befreit, wie Fletcher belustigt erzählt: „Wir haben viel gelernt über die Unwägbarkeiten des deutschen Postsystems. Von nirgendwo anders kamen so viele unserer Päckchen zurück, mit Aufklebern, die wir nicht entziffern konnten. Wir haben sie Leuten gezeigt, die Deutsch sprechen, aber auch die haben gesagt: Was da draufsteht, ergibt keinen Sinn.“

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